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Brasiliens wundersamer Waldschutz

Astrid Prange21. August 2015

Die Zerstörung des Regenwaldes schreitet voran, doch das Tempo verlangsamt sich. Brasilien feiert den rasanten Rückgang der Abholzungsraten im Amazonas. Doch Kritiker wollen den Erfolgsmeldungen nicht glauben.

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Fluss - Amazonas Brasilien (Foto: CHRISTOPHE SIMON/ AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images/C. Simon

Es sind große Ziele, die sich Brasilien vorgenommen hat: Bis 2030 will die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt die Abholzung im Amazonas komplett stoppen. Außerdem sollen bis dahin 12.000 Quadratkilometer gerodete Flächen wieder aufgeforstet werden.

Für ihre ehrgeizigen Klimaziele bekam Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff bei den deutsch-brasilianischen Regierungskonsultation vom 19. bis 20. August großes Lob von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

"Wir sind sehr zufrieden mit der ambitionierten Agenda", erklärte Merkel beim gemeinsamen Abschlussstatement in der Hauptstadt Brasília. "Es ist wichtig, dass jedes Land seinen Beitrag leistet, um die globale Erderwärmung zu stoppen."

Mehr Kontrolle, weniger Abholzung

Brasilien sieht sich beim Klimaschutz als Vorreiter. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Raumfahrtstudien (INPE) ist die Abholzung im Amazonasgebiet zwischen August 2013 und Juli 2014 um 15 Prozent zurückgegangen. Insgesamt wurden 5.012 Quadratkilometer Wald vernichtet. Dies entspricht der dreifachen Fläche der Metropole São Paulo.

Trotz der anhaltenden Zerstörung des Regenwaldes ist dies seit Beginn der Messungen im Jahr 1989 eine der geringsten Abholzungsraten. Laut INPE reduzierte sich in den vergangenen zehn Jahren die Abholzungsrate um insgesamt 82 Prozent.

Auch Umweltschützer erkennen die Fortschritte beim Schutz der Regenwälder in Brasilien an. Doch sie halten die Berechnungsgrundlage der offiziellen Regierungsstatistik für problematisch und überholt.

"Die Regierung zieht vom gesamten CO2-Ausstoß auch die Emissionen ab, die vom unberührten Urwald in Schutzgebieten absorbiert werden", schreibt Rafael Garcia, Kolumnist für Umweltpolitik, in der brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo". Durch diese Art der Berechnung würde das wahre Ausmaß der Emissionen verzerrt.

Geschönte Statistik?

Garcia beruft sich bei seiner Argumentation auf eine Berechnung der brasilianischen Nichtregierungsorganisation "Obervatório do Clima". Danach betrug der CO2-Ausstoß Brasiliens 2012 offiziell 176 Millionen Tonnen. Ohne die Anrechnung der Schutzgebiete würde sich dieser Ausstoß auf 466 Millionen Tonnen Kohlendioxid erhöhen.

Generell ist die Anrechnung von nachwachsenden Wäldern als CO2-Speicher sogar vom Weltklimarat IPCC vorgesehen. Damit sollen die Anstrengungen vieler Länder bei der Wiederaufforstung honoriert werden. Die wiederaufgeforsteten Flächen müssen laut IPCC durch "menschliche Eingriffe" entstanden sein.

Genau hier liegt für den brasilianischen Umweltexperten Rafael Garcia das Problem. "Wenn der unberührte Regenwald in einem Reservat schon seit über 10.000 Jahren existiert, wo ist dann der 'menschliche Eingriff'? Wer hat dann die Bäume gepflanzt, die bei der Berechnung der Emissionen als CO2-Speicher deklariert werden?" fragt er sich.

Die brasilianische Regierung lässt sich von der Kritik nicht beirren. Staatspräsidentin Dilma Rousseff will ihre ehrgeizigen Klimaschutzziele bei der UN-Generalversammlung in New York im September vorstellen. Brasilien werde seine Kohlendioxidemissionen bis 2020 um 36 bis 38 Prozent senken, kündigte Rousseff während der deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen an.

Bildergalerie Yanomami Indios im brasilianischen Regenwald (Foto: Fiona Watson/Survival)
Auch der Wald in Reservaten von Indigenen wird von Brasilien als Kohlendioxid-Speicher betrachtetBild: Fiona Watson/Survival

Brasilien gehört damit zu den Ländern, die das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto freiwillig unterzeichnet haben. In dem 1997 beschlossenen Abkommen verpflichten sich die Industriestaaten, ihre Kohlendioxidemissionen bis 2020 um fünf Prozent gegenüber dem Ausgangsjahr 1990 zu reduzieren.

Geld aus Berlin

Deutschland will Brasilien beim Schutz des Regenwaldes mit rund 50 Millionen Euro unterstützen. Vorgesehen ist unter anderem, Kleinbauern bei der nachhaltigen Nutzung von Waldflächen auf ihren Grundstücken zu beraten und Wiederaufforstung zu fördern. Außerdem sollen Mittel in einen Fonds zur Finanzierung des brasilianischen Programms für Schutzgebiete im Amazonas (Arpa) fließen.

Der Wald als Wirtschaftsfaktor ist für den brasilianischen Aktivisten und Unternehmer Roberto Waack der Garant für den Erhalt des Amazonas. "Die Bäume auf einem Grundstück werden erst als Vermögenswert betrachtet, wenn der Besitzer nicht mehr mit der illegalen Holzwirtschaft konkurrieren muss", erklärte er auf der Konferenz für Regenwald, Klima und Biodiversität am 19. August in Brasilia.

Als Mitglied im Rat des Forest Stewardship Council (FSC), der Holzprodukte aus nachhaltigen Forstbetrieben mit dem FSC-Siegel auszeichnet, kämpft Waack seit mehr als 20 Jahren gegen die illegale Abholzung in seiner Heimat. In Brasilien ist er Mitarbeiter des zertifizierten Forstbetriebs Amata. Sein Fazit: "Erst wenn der illegale Holzeinschlag gestoppt ist, wirken auch die Gesetze zum Schutz des Regenwaldes."