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Brenner-Sperre als Symbol der Flüchtlingskrise

Richard A. Fuchs, Berlin 29. April 2016

Österreich will nicht von Flüchtlingen "überrannt" werden, sagt sein Innenminister. Notfalls soll der Brenner-Alpenpass abgeriegelt werden. Das lehnt Deutschland ab. Beide Länder verstärken aber den Druck auf Italien.

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Europabrücke am Brennerpass. Foto: picture alliance/blickwinkel/Luftbild Bertram
Bild: picture alliance/blickwinkel/Luftbild Bertram

Durch die Flüchtlingskrise sind die Beziehungen zwischen Österreich und Deutschland abgekühlt. Das wurde deutlich, als Bundesinnenminister Thomas de Mazière den neuen Innenminister Österreichs, Wolfgang Sobotka (ÖVP), in Potsdam empfing. Österreich hatte diese Woche erneut seine Asylgesetze verschärft - und bereitet Sperranlagen am Brenner-Pass vor. Beides wird von der Bundesregierung in dieser Form abgelehnt, was das Zusammentreffen heikel macht. Sobotka verteidigte den Ausbau der Grenzanlagen. So könne in einer "Extremsituation" verhindert werden, dass Österreich von Flüchtlingen "überrannt" werde. Derzeit wird in der Brennerschlucht, der Hauptverkehrsachse zwischen Italien und Nordeuropa, ein 400 Meter breiter Zaun errichtet. Auch 240 Polizisten arbeiten dort jetzt im Grenzschutz. Der Zaun werde so installiert, dass nur im Falle einer neuen Flüchtlingsbewegung die Sperrelemente schnell eingefügt werden könnten, so der österreichische Innenminister. Man wolle "kein Bild des Abschottens".

"Politik des Durchwinkens"

Der deutsche Innenminister sprach sich gegen die Sperranlagen aus, schwenkte dann aber auf die österreichische Linie ein. Beide Innenminister wollten den Druck gegenüber den italienischen Behörden erhöhen. "Was am Brenner geschieht, liegt zuallererst und vordringlich in der Hand Italiens", sagte de Mazière. Regierungsvertreter aus Österreich und Deutschland befürchten, dass sich nach dem Ende der Frühjahrsstürme auf dem Mittelmeer die Route von Libyen über Italien nach Mitteleuropa zur Hauptfluchtroute entwickelt. Sobotka schätzt, dass in Libyen zwischen 200.000 und einer Million Flüchtlinge darauf warten, nach Europa fliehen zu können. Bestätigt sind diese Zahlen nicht. Ein Vertreter des UN-Flüchtlingswerks äußerte gegenüber der "Bild"-Zeitung die Einschätzung, dass von rund 100.000 gestrandeten Flüchtlingen in Libyen auszugehen sei. Im Gleichklang forderten beide Innenminister, Italien müsse deshalb die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen verstärken. Die "Politik des Durchwinkens" müsse aufhören, forderte de Maizière.

In Italien trifft derlei Rhetorik auf Unverständnis. Sobotka hatte am Donnerstag seinen italienischen Amtskollegen in Rom besucht. Angelino Alfano drückte dabei sein Entsetzen über den Bau der Sperranlagen am Brenner aus. Ein solcher Schritt sei inakzeptabel, insbesondere mit Blick auf den Schaden, den Tourismus und Wirtschaft beider Länder nehmen könnten. Matteo Renzi, Italiens Premierminister, ging in einem TV-Interview noch weiter: Die Brenner-Sperre sei "gegen die Logik, gegen die Geschichte und gegen den Verstand."

Wollen gemeinsam Druck auf Italien machen: Innenminister Sobotka aus Österreich und sein deutscher Amtskollege Foto: Foto: Ralf Hirschberger/dpa
Wollen gemeinsam Druck auf Italien machen: Innenminister Sobotka aus Österreich und sein deutscher Amtskollege de MazièreBild: picture alliance/dpa/R. Hirschberger

Asylrechtsverschärfungen und Obergrenzen

Vieles klingt in Österreich derzeit aber nach Abschottung und Ausgrenzung. Österreichs Parlament hatte am Mittwoch eine Gesetzesänderung beschlossen, die weitere Einschränkungen in der Asylpolitik erlaubt. So kann die Alpenrepublik künftig den nationalen "Notstand" ausrufen und nach einem solchen Schritt die Mehrzahl ankommender Flüchtlinge direkt an der Grenze abweisen. Das neue Gesetz sieht vor, dass ein solcher "Notstand" zunächst sechs Monate andauern würde, und bis auf zwei Jahre ausgedehnt werden könne. Nur in Fällen, in denen zurückgeschickten Flüchtlingen Folter drohen würde, würde man demnach anders verfahren. Der oberste UN-Chefdiplomat Ban Ki Moon hatte Österreichs Politiker für solche Asylrechtsverschärfungen scharf kritisiert. Bei seinem Besuch in Wien am Donnerstag sagte er vor Parlamentsvertretern: "Ich bin über die Fremdenfeindlichkeit, die innerhalb und außerhalb Österreichs zunimmt, höchst beunruhigt."

Ausgangspunkt der Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik Österreichs war das landesweite Erstarken der Rechtspopulisten der Freiheitlichen Partei (FPÖ). Diese hatte mit ihrem Kandidaten bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl für ein politisches Erdbeben gesorgt, weil zum ersten Mal die Kandidaten beider Volksparteien ausschieden.

In Zukunft keine Alleingänge mehr

Er will keinen Wettbewerb der Feindseligkeiten: Volker Kauder (CDU) Foto: Michael Kappeler/dpa
Er will keinen Wettbewerb der Feindseligkeiten: Volker Kauder (CDU)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

In Deutschland gibt es viel Kritik an der aktuellen österreichischen Flüchtlingspolitik. Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte die Alpenrepublik vor einem Wettbewerb der Feindseligkeiten. Es habe sich gezeigt, "dass der harte Kurs der Regierungskoalition in Wien in der Flüchtlingspolitik nicht unbedingt erfolgreich war", so Kauder gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Aller Grenzschließungs-Rhetorik zum Trotz feierten die Rechtspopulisten weiter einen Erfolg nach dem anderen. Kauder sagte dazu trocken: "Mit Populisten zu wetteifern, ist also nicht das Rezept."

Versöhnlich klang da schon, was sich die beiden Innenminister aus Deutschland und Österreich zum Abschluss ihrer Unterredung mit auf den Weg gaben. Die Meinungsverschiedenheiten, die die Schließung der Balkanroute mit sich gebracht hätte, sollten ein für alle Mal "erledigt" sein. Sobotka sagte dem deutschen Innenminister zu, dass Österreich keine Alleingänge mehr machen wolle. Es sei "sehr, sehr klar", so der Österreicher, dass alle Länder an einem Strang ziehen müssten - und zwar an einem "europäischen".