Brexit-Deal: Abstimmung oder keine Abstimmung?
19. Oktober 2019"Ooooorder!" Natürlich darf der Ruf von Unterhaussprecher John Bercow bei der Sondersitzung nicht fehlen. In diesen Stunden diskutiert das britische Parlament über den neu ausgehandelten Brexit-Vertrag mit der EU. Danach geht es dann in die heiße Phase der Abstimmung.
Zum Auftakt der Debatte hatte der britische Premier Boris Johnson das Wort. Er sprach von einer historischen Chance für das Parlament. "Ich hoffe, das ist der Moment, an dem wir endlich eine Lösung erreichen", so Johnson. Der ausgehandelte Vertrag sei der bestmögliche Weg. Die EU habe wenig Lust auf weitere Verschiebungen. Der Vertrag sei einem No-Deal-Austritt Großbritanniens am 31. Oktober vorzuziehen.
Doch die Opposition hat bereits angekündigt, gegen den Austrittsvertrag zu stimmen. Auch die mit den Tories verbündete nordirische Partei DUP lehnt das Abkommen ab. Johnson muss zudem die Brexit-Hardliner innerhalb seiner eigenen Konservativen Partei überzeugen, ebenso wie ehemalige Tory-Abgeordnete, die er selbst aus der Partei geworfen hatte, weil sie gegen seinen Brexit-Kurs gestimmt hatten.
Um sein Abkommen durchs Unterhaus zu bringen, braucht Johnson 320 Stimmen. Die Brexit-Hardliner in der Tory-Fraktion, die in der sogenannten European Research Group organisiert sind, wollen Johnson unterstützen. Ihr Vorsitzender Steve Baker kündigte an, für das Brexit-Abkommen zu stimmen.
Der Vorsitzende der größten britischen Oppositionspartei, Jeremy Corbyn, fand dagegen deutliche Worte für seine Ablehnung. Er warf dem Premier Boris Johnson vor, zu lügen. Der Regierungschef habe das alte Abkommen nachverhandelt und es dabei "sogar noch schlechter gemacht", sagte der Labour-Chef.
Johnsons Beteuerungen, Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards nicht zu senken, seien "leere Versprechungen", sagte Corbyn weiter. Er warnte, der neue Brexit-Deal führe unweigerlich zu einem Handelsabkommen nach Manier des US-Präsidenten Donald Trump. Corbyn erklärte: "Man kann ihm (Johnson) kein Wort glauben."
Es wird wohl auf ein sehr knappes Votum hinauslaufen. Allerdings könnte es sein, dass es heute gar nicht erst zur Abstimmung über den Deal kommt. Denn: Parlamentssprecher John Bercow ließ ein Votum über einen Antrag des konservativen Abgeordneten Oliver Letwin zu, der auf einen erneuten Aufschub der Entscheidung hinauslaufen würde.
Letwin will, dass vor einer Zustimmung des Parlaments zunächst der konkrete Gesetzesvorschlag zur Umsetzung des Vertrags mit der EU beraten und beschlossen wird. Das ist aber erst für nächste Woche vorgesehen und könnte weitere Verzögerungen bedeuten.
Johnson will eine Verschiebung der Abstimmung über seinen Brexit-Vertrag unbedingt verhindern. Der Premier werde dafür kämpfen, dass der Antrag des Abgeordneten Oliver Letwin keine Mehrheit finde, sagte ein Sprecher von Johnson.
Würde das Parlament keine Entscheidung bis zum 31. Oktober treffen oder den Vertrag ablehnen, müsste die britische Regierung laut Gesetz einen weiteren Aufschub bei der EU beantragen.
mir/jj (rtr, dpa, afp)