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Bruchlandung in Venezuela

Astrid Prange23. März 2014

In der Luftfahrtbranche wächst der Unmut über Venezuela. Das Land blockiert Geld von 24 internationalen Airlines in Milliardenhöhe. Der Streit gilt als Indiz für den wirtschaftlichen Absturz der Erdölmacht.

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Anti-Regierungsproteste in Caracas, 16.03. 2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

"Es ist sehr bedauerlich, wenn Airlines es sich nicht mehr leisten können, nach Venezuela zu fliegen", sagt Jason Sinclair, Sprecher des internationalen Luftverkehrsverbandes IATA. "Wir fordern die Regierung auf, endlich einen Zeitplan für die Rückzahlung der Außenstände vorzulegen." Venezuela müsse seine vertraglichen Pflichten erfüllen und die im Land erwirtschafteten Einnahmen der Airlines freigeben.

In dem Luftverkehrsverband IATA sind 240 Fluggesellschaften organisiert, die 84 Prozent des weltweiten Luftverkehrs abdecken. Nach Angaben der IATA schuldet Venezuela den 24 ausländischen Fluggesellschaften, die im Land operieren, rund 3,7 Milliarden US-Dollar. Der Grund: Die Regierung in Caracas weigert sich seit Monaten, die Einnahmen aus Passagiertickets oder Frachtflügen, die in der einheimischen Währung Bolivar verkauft werden, in US-Dollar umzutauschen.

Caracas antwortet nicht

Bei IATA-Chef Tony Tyler wächst der Unmut über diese mangelnde Zahlungsmoral. Bereits im Dezember und Januar hatte er sich persönlich per Brief an Venezuelas Präsident Nicolás Maduro gewandt und um eine Lösung des Problems gebeten. Eine Antwort blieb bis heute aus.

Die IATA will nun den Druck auf die venezolanische Regierung erhöhen. Ein Sprecher des Luftverkehrsverbands erklärte der DW, dass die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation ICAO bereits die internationale Staatengemeinschaft in den Fall eingeschaltet habe. Der UN-Sonderorganisation gehören 191 Vertragsstaaten an, die nun ebenfalls auf eine Rückzahlung der Schulden drängen.

Für Frederico Foders vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sind die Schulden gegenüber den internationalen Airlines nur die Spitze des Eisberges. "Venezuela schiebt im Augenblick rund zehn Milliarden US-Dollar an Lieferantenschulden vor sich her", erklärt Foders. Das Land isoliere sich immer mehr. "Es werden keine Medikamente mehr kommen, kein Mehl, kein Öl, kein Toilettenpapier, nichts", prophezeit Foders. Lieferanten, die kein Geld sähen, stellten ihre Lieferungen ein.

Venezolanischer Öltanker vor Macaraibo, 24.12. 2012 (Foto: dpa)
Drohende Staatspleite trotz Ölreichtums: Venezolanischer Petroleum-FrachterBild: picture-alliance/dpa

US-Dollar sind Mangelware

Grund für die hohen Außenstände sind Kapitalflucht und Devisenmangel. Ausgerechnet Venezuela, das Land mit den größten Ölreserven der Welt, kämpft mit einem rapiden Rückgang seiner Devisenreserven. Damit nicht genug: Die Ölförderung geht zurück, die Einnahmen aus dem Ölexport sinken, die jährliche Inflation ist auf 56 Prozent angestiegen und aus den Regalen der Geschäfte verschwinden immer mehr Produkte.

Politisch ist das Land tief gespalten. Die Kämpfe zwischen den Anhängern des ehemaligen Präsidenten Hugo Chavez und seinem Nachfolger Maduro und der Opposition haben sich gefährlich zugespitzt. Seit Monaten protestieren tausende von Venezolanern gegen die wachsende Korruption, die Mangelwirtschaft und die Kriminalität im Land. Bei diesen Massendemonstrationen kamen bisher 29 Menschen ums Leben.

Weniger Passagiere, weniger Flüge

Angesichts der angespannten Sicherheitslage und der hohen Verluste haben bereits einige Fluglinien ihren Verkehr nach Venezuela eingestellt. Der Carrier Air Canada kündigte am 18. März an, alle Flüge nach Venezuela zu stoppen. Die ecuadorianische Gesellschaft Tame fliegt ebenfalls nicht mehr ins befreundete Nachbarland. Die kolumbianische Avianca will nach Informationen aus Branchenkreisen drei Viertel seiner Flüge nach Venezuela streichen. Und Air Europa und Aeroméxico reduzieren ihre Flugfrequenzen.

Lufthansa-Flotte am Flughafen Frankfurt, 12.7. 2013 (Foto: Lufthansa / Reuters)
Schickt jetzt kleinere Maschinen nach Venezuela: die LufthansaBild: Reuters

Auch bei der Lufthansa hat man das Angebot an die geringere Nachfrage angepasst. Statt mit dem Airbus A 340 wird die Destination Caracas nun mit dem kleineren Modell A 330 angeflogen. "Wir wollen den Markt nicht leichtfertig aufgeben, doch irgendwann ist auch bei uns die Grenze erreicht", erklärt Lufthansa-Sprecher Boris Ogursky. Die Verluste für die deutsche Airline belaufen sich nach Angaben aus Branchenkreisen bereits auf rund 100 Millionen US-Dollar.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat unterdessen jeder Airline, die ihre Flüge von und nach Venezuela reduziert oder aussetzt, mit harten Strafmaßnahmen gedroht. Wer das Land einmal verlassen habe, würde während seiner Amtszeit nicht wieder hereingelassen, erklärte Maduro nach dem Flugstopp von Air Canada in der vergangenen Woche.

Venezuelas Staatspräsident Nicolas Maduro, 18.2. 2014 (Foto: Reuters)
Mann der starken Worte: Venezuelas Staatspräsident Nicolas MaduroBild: Reuters

"Ganz viele hochqualifizierte Venezolaner sitzen heute in Kanada. Sie sind mit Air Canada ausgeflogen, und das ist in Caracas bekannt", kommentiert Lateinamerika-Experte Foders. Er prophezeit Venezuela unter der Regierung Maduro eine wirtschaftliche Bruchlandung. "Venezuela verbraucht seine Devisenreserven, um Grundnahrungsmittel im Ausland einzukaufen. In dieser Lage befindet sich noch nicht einmal Kuba", gibt Foders zu bedenken.