BTHVN Woche: Beethoven und die Volksmusik
26. Januar 2018Bei Ludwig van Beethoven mag man zunächst an den düster dreinblickenden Komponisten denken, der seinem eigenen tragischen Schicksal trotzt und durch seine himmelstürmenden Werke Grenzen überwindet, Konzertsäle erobert und Massen erreicht. Dass Beethoven sich mit vergleichsweise harmlosen Volksliedern beschäftigte, gehört zu den Fußnoten der Musikgeschichte.
Ein wichtiges Kapitel dennoch: Ludwig van Beethoven hat Lieder aus Irland, Wales, Schottland und England bearbeitet sowie aus Sizilien, Venetien, Dänemark, Tirol, Polen, Portugal, Russland, der Schweiz, Spanien, Ungarn und seinem Heimatland.
Mit der unbändigen Kreativität gerade dieses Komponisten seien die Grenzen zwischen Bearbeitung und Komposition fließend, erklärt Malte Boecker, Direktor des Beethovenhauses: "In seinen Diabelli-Variationen ist eine schlichte Melodie Ausgangspunkt für motivische Arbeit, die zu hochkomplexen Kompositionen führt - und das passiert im Kleineren auch bei den Volksliedern."
Ein lukratives Geschäft
Für den Komponisten war dieses Vorgehen ein lukratives Geschäft. Zu Beethovens Lebzeiten waren Noten das Massenmedium für die Musikverbreitung - und zwischen Sinfonien, Klavierkonzerten und Streichquartetten konnte er seine Kasse durch die Publikation von Volksliedern aufbessern.
Es ging ihm aber nicht ausschließlich um Geld, glaubt die deutsche Bratschistin und künstlerische Leiterin der BTHVN Woche in Bonn Tabea Zimmermann. "Sonst hätte er nicht 140 Bearbeitungen vorgenommen und sich damit Monate oder Jahre beschäftigt. Ich als Musiker glaube auch, zu spüren, dass ein Komponist wie Beethoven eine große Affinität zu Volksliedmaterial hatte, um auch selbst Melodien daraus zu entwickeln und zu schauen: Was macht eine Melodie zu einem Hit?"
Ein Werkfestival mobilisiert Bonner Klassik-Fans
Jenseits des im September stattfindenden Bonner Beethovenfestes füllt die BTHVN Woche Abend für Abend vom 19. bis zum 28. Januar den Kammermusiksaal des Beethovenhauses mit neugierigen Besuchern. Geboten sind Künstler von internationalem Rang - etwa der deutsche Opernsänger Christoph Prégardien, der amerikanische Geiger Noah Bendix-Balgley oder eben auch Tabea Zimmermann selbst - sowie ein ungewöhnliches Konzept, ein "Werkfestival".
Dabei dienen verschiedene Einzelwerke, die Ludwig van Beethoven vor 200 Jahren schuf - in diesem Jahr sind es Beethovens Schottische Lieder Opus 180 - als Ausgangspunkt für eine intensive Auseinandersetzung mit einem Thema. Dieses lassen die Veranstalter dann zwischen den Aufführungen von den Künstlern selbst erläutern. Mal geht es um ungarische Volksmusik, mal um Flamenco, also nicht nur um Beethoven.
Volkslieder als Dauerrenner
Eher kurzweilig als akademisch war die Aufführung am vergangenen Mittwochabend, an dem Noah Bendix-Balgley Werke vorstellte und spielte, deren Wurzeln in der jüdischen Volksmusik liegen, um anschließend mit seinen Mitmusikern zu einem freudig-melancholischen und verrückt-ekstatischen Spiel von Klezmermusik überzugehen.
"Spannend ist: Das Aufgreifen vom Volkslied zieht sich durch alle Epochen durch", sagt Malte Boecker. "Es war und ist immer faszinierend für Komponisten, dieses Material zu verwandeln, in etwas Eigenes zu transformieren und in größere Kompositionen einzubauen." Gleichzeitig muss man nicht Musik studiert haben oder Klassikliebhaber sein, um den Reiz von Volksmusik, die in die Klassik eingebettet ist, zu spüren.
"Wir haben auch darauf geachtet, dass es eine bunte Woche gibt", sagt Tabea Zimmermann, "und die verschiedenen Formen der Volksmusik sind überall ähnlich: Es geht um Liebe, Formen der Arbeit oder Naturthemen, die alle Menschen betreffen. Ob man etwas von dem Text versteht oder nicht, die Stimmung kriegt man überall hin."