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Bundesgerichtshof stoppt Abschiebehaft

23. Juli 2014

Asylbewerber dürfen nicht ohne weiteres in Haft genommen werden, nur um ihre Rücküberstellung in ein anderes Land der Europäischen Union sicherzustellen. Das hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden.

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Schild mit Aufschrift "Bundesgerichtshof" (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), der für Rechtsbeschwerden in Fällen von Freiheitsentzug zuständig ist, beschloss, dass die Haftanordnung gegen einen Pakistaner diesen in seinen Freiheitsrechten verletzt habe. Damit erzielte der pakistanische Asylbewerber vor Gericht einen Erfolg mit möglicherweise weitreichenden Folgen.

Im konkreten Fall war der Pakistaner über Frankreich illegal nach Deutschland eingereist, nachdem er zuvor in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Das Amtsgericht in Saarbrücken ordnete Haft gegen ihn an, um die Überstellung nach Ungarn zu sichern. Der Pakistaner legte dagegen Beschwerde ein, die jedoch vom Landgericht zurückgewiesen wurde. Der Bundesgerichtshof hob diese Entscheidung am Mittwoch auf.

Bisher wurden Menschen, die wie der Kläger in einem anderen EU-Staat Asyl beantragt haben und dann nach Deutschland gereist waren, wegen drohender Fluchtgefahr auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes in Abschiebehaft genommen. Die Bundesregierung hat dem Urteil zufolge aber offenbar übersehen, dass seit Januar eine EU-Verordnung gilt, die erstmals in der gesamten Europäischen Union die Voraussetzungen für eine Inhaftnahme europaweit regelt.

Fluchtgefahr nicht definiert

Nach der sogenannten Dublin-III-Verordnung dürfen Betroffene nur dann in Haft genommen werden, "wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen." Die Verordnung bestimmt zudem den Begriff der "Fluchtgefahr" als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die "auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien" beruhen und zur der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller dem laufenden Überstellungsverfahren durch Flucht entziehen könnte.

Pikanterweise stellen die Karlsruher Richter nun in ihrem Urteil fest, dass im geltenden deutschen Aufenthaltsgesetz diese objektiven Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr schlicht fehlen. Deshalb sind nach Ansicht des Gerichts alle Inhaftnahmen von Ausländern zur Überstellung auf Grundlage des Gesetzes derzeit "rechtswidrig". Der BGH beschloss darüber hinaus, dass bis zur Umsetzung der EU-Verordnung Asylbewerber nicht mehr zur Überstellung in andere EU-Länder nach der Dublin-III-Verordnung inhaftiert werden dürfen. (Az. V ZB 31/14)

Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer bei der Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl, begrüßte die Entscheidung: "Abschiebehaft wurde bislang viel zu leichtfertig angeordnet. Wir fordern, dass Flüchtlinge, die wegen Fluchtgefahr inhaftiert und in ein anderes EU-Land abgeschoben werden sollen, freigelassen werden."

kle/gmf (afp, kna, epd, dpa, bundesgerichtshof.de)