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Faeser: Reichsbürger sind keine harmlosen Spinner

11. Dezember 2022

Staatsdiener, die den Staat nicht anerkennen: Die Verschwörung sogenannter Reichsbürger wirft unter anderem die Frage auf, wie man verfassungsfeindliche Beamte schneller los wird.

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Razzia gegen Reichsbürger-Szene | Deutschland
Bild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Nach der Großrazzia gegen Beteiligte einer Verschwörung aus der sogenannten Reichsbürger-Szene richtet sich der Blick auf extremistische Tendenzen in den Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr. Bundesinnenministerin Nancy Faeser findet, dass es oft zu lange dauert, bis Extremisten aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden können. Die SPD-Politikerin will noch in diesem Jahr einen Gesetzesentwurf erarbeiten, um verfassungsfeindliche Beamte schneller aus dem Dienst entfernen zu können. Faeser hatte nach den Razzien Änderungen im Disziplinarrecht angekündigt.

"Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen", sagte die Bundesinnenministerin der Wochenzeitung "Bild am Sonntag". Die Zahl derjenigen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Reichsbürger-Milieu zuordne, sei im Vergleich zum Vorjahr um 2000 auf 23.000 Personen gestiegen. 239 Gewalttaten von Reichsbürgern seien im vergangenen Jahr registriert worden.

"Waffenrecht verschärfen"

Wie die Ministerin sagte, wurden mehr als 1000 Reichsbürgern ihre Waffengenehmigungen bereits entzogen. Dafür, so Faeser, würde jedoch der maximale Druck aller Behörden gebraucht, die Regierung werde deshalb das Waffenrecht in Kürze weiter verschärfen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Bundesinnenministerin Nancy FaeserBild: KENZO TRIBOUILLARD/AFP

Es sei bekannt, dass die Reichsbürgerbewegung gezielt im Sicherheitsbereich werbe, warnt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Dass unter den Festgenommenen auch ehemalige Bundeswehrsoldaten und Polizisten gewesen seien, habe ihn nicht überrascht, sagte der CSU-Politiker dem Bayerischen Rundfunk. "Wir haben auch schon bayerische Polizeibeamte, die als Anhänger der Reichsbürgerideologie identifiziert wurden, aus dem Dienst entfernt." Es sei außerdem wichtig, dass "jede Behörde, jedes Amtsgericht, jedes Finanzamt, jedes Landratsamt, aber auch jeder Bürger" sich meldeten, wenn er auf Reichsbürger-Aktivitäten aufmerksam werde, mahnte Herrmann.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte dem Norddeutschen Rundfunk, Rechte und Anhänger der Reichsbürger suchten Kontakt zu Menschen, die in Behörden oder bei der Polizei arbeiteten, um diese zu manipulieren. Das müsse innerhalb der Polizei offen kommuniziert werden.

"Kein strukturelles Extremismus-Problem bei der Bundeswehr"

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, bezeichnete das Ausmaß der aufgedeckten Verschwörung als "erschreckend". Dabei sei "die Gefahr von bewaffneten und gut ausgebildeten rechtsextremistischen Polizisten und Soldaten und deren Umsturzpläne" bereits "seit vielen Jahren bekannt".

Soldaten des Kommandos Spezialkräfte KSK der Bundeswehr seilen sich bei einer taktischen Vorführung mit einem Hund aus einem fliegenden Helikopter ab
KSK-Bundeswehrsoldaten bei einer taktischen VorführungBild: Björn Trotzki/imago

Dagegen warnt der Verband der Bundeswehr-Reservisten vor allgemeinen Vorbehalten gegen Mitglieder von Sicherheitsbehörden und Streitkräften. "Es gibt kein strukturelles Extremismus-Problem bei den Reservisten oder aktiven Soldaten der Bundeswehr", sagte Verbandschef Patrick Sensburg der "Rheinischen Post". Ein Generalverdacht sei vollkommen unangebracht. Allerdings sei ein "viel konsequenteres Durchgreifen" ebenso angebracht wie "mehr Sensibilisierungsmaßnahmen" in den schwer bewaffneten Einheiten von Bundeswehr, Polizei und anderen Sicherheitsbehörden.

Sicherheitskonzept des Bundestages auf dem Prüfstand

Der Fall, der während der Reichsbürger-Razzien festgenommenen AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann lenkt den Blick auf einen besseren Schutz des Parlaments. Malsack-Winkemann war trotz ihres Ausscheidens als Abgeordnete 2021 im Besitz eines Bundestagsausweises. Nach Ansicht des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Dirk Wiese, muss das Sicherheitskonzept des Bundestages überprüft werden. "Dazu gehören Zugangsberechtigungen von Mitarbeitern ebenso wie von ehemaligen Abgeordneten", sagte Wiese der "Bild am Sonntag". Nach Informationen der Zeitung soll der Ältestenrat des Parlaments darüber beraten.

rb/ww (AFP, dpa, Reuters)