Bundestag plant Anerkennung des Genozids an Jesiden
13. Januar 2023Mehr als acht Jahre nach den Gräueltaten der islamistischen Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) an den Jesiden im Irak soll ein gemeinsamer Antrag von SPD, Grünen, FDPund CDU/CSUnächste Woche im Bundestag beschlossen werden. Das berichten die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) und das ARD-Hauptstadtstudio. Der entsprechende Punkt steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestags. "Durch unsere Anerkennung dieser islamistischen Verbrechen als Völkermord geben wir den Überlebenden eine Stimme und unterstützen sie bei ihrem Kampf um historische Gerechtigkeit", sagte die SPD-Abgeordnete Derya Türk-Nachbaur der "FAZ".
Bundestag will stärkere Aufarbeitung des Völkermords
Es müsse zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe Deutschlands werden, Aufmerksamkeit für den Völkermord an den Jesidinnen und Jesiden im öffentlichen Bewusstsein zu schaffen, heißt es in dem Antragsentwurf. Mit dem Antrag soll die Bundesregierung unter anderem aufgefordert werden, sich stärker für die juristische Aufarbeitung und Verfolgung von Tätern im eigenen Land und international einzusetzen.
Jesidinnen und Jesiden, Christinnen und Christen sowie Angehörige weiterer religiöser und ethnischer Minderheiten und sich dem IS widersetzende Muslime seien "Opfer von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" geworden, heißt es demnach in dem Antrag weiter. Insbesondere habe der IS das Ziel "einer vollständigen Auslöschung" der jesidischen Gemeinschaft verfolgt.
Das Papier spricht sich zudem für die Förderung eines Archiv- und Dokumentationszentrums aus, das sich den Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden, Christinnen und Christen sowie anderen religiösen Minderheiten in der Region widmet und ihnen gleichzeitig ermöglichen soll, damit einen Erinnerungsort zu schaffen.
Mehr als 5000 Jesiden wurden vom IS brutal ermordet
Die religiöse Minderheit der Jesiden war unter der Herrschaft der Miliz "Islamischer Staat" im Nordirak besonders brutal verfolgt worden. Im August 2014 startete der IS eine groß angelegte militärische Offensive gegen die seit Jahrhunderten von Jesiden bevölkerten Gebiete. Als die Dschihadistenmiliz das Sindschar-Gebirge eroberte, wurden rund 5000 Menschen getötet und 7000 weitere verschleppt. Frauen und Mädchen wurden in die Sklaverei gezwungen, Jungen als Kindersoldaten rekrutiert, Hunderttausende aus der Region vertrieben. Mehr als 2600 Jesidinnen befinden sich Schätzungen zufolge noch immer in der Gewalt von Islamisten in der Region.
Vor dem Überfall des IS lebten im Irak noch rund 550.000 Jesiden. Etwa 300.000 von ihnen harren bis heute in Lagern für Binnenvertriebene im Nordirak aus. In Deutschland leben nach Schätzungen rund 150.000 Jesiden, die mit Abstand größte Diasporagemeinde.
Die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament haben die Verbrechen an den Jesiden bereits als Genozid anerkannt. Die Befassung des Deutschen Bundestages mit den Gräueltaten geht auf eine Petition zurück, in der die Anerkennung der Verbrechen als Völkermord gefordert wurde.
Die kurdischsprachigen Jesiden sind Monotheisten und glauben an einen allmächtigen Gott. In ihrer Glaubensvorstellung spielt der oberste Erzengel Tausi Melek eine zentrale Rolle. Sein Symbol ist ein Pfau, der seine Schwanzfedern zu einem Fächer aufstellt. Radikale Muslime sehen in Tausi Melek eine Art Satan und bezeichnen Jesiden als Teufelsanbeter oder Ungläubige.
qu/gri (afp, epd, kna)