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Wie geht's weiter mit Deutschlands Kultur?

Bettina Baumann
27. September 2021

Deutschland hat gewählt: Doch was haben die Parteien in Sachen Kulturpolitik vor - im Inland wie im Ausland? Ein Überblick über die wichtigsten Aufgaben.

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Eine junge Frau mit rosa Haaren posiert vor der Kamera, im Hintergrund sind unscharf verschiedenen verkleidete Menschen zu sehen.
Kultur nach der Wahl - wie geht's weiter? Berliner Farbenspiele - beinah so bunt wie der Karneval der KulturenBild: Simon Becker/Le Pictorium/imago images

Bis Deutschland eine neue Regierung hat, kann es noch dauern. Wie sich die deutsche Kulturpolitik im In- und Ausland nach der Wahl aufstellt, hängt von der Zusammensetzung der künftigen Koalition ab. Bis die feststeht, hilft vielleicht ein Blick in die Wahlprogramme der möglichen Regierungsparteien. Ihr Spektrum war noch nie so groß: Es reicht von den bisherigen Koalitionären CDU/CSU und SPD über die Grünen und die FDP.

Wie tritt Deutschland international auf?

Grundsätzlich messen alle Parteien, die regieren wollen, der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik einen hohen Stellenwert bei und wollen diese fördern oder - mittels neuer Akzente - weiter ausbauen.

Menschen sitzen im Innenhof den neuen Humboldtforums in Berlin.
Gebaut für den Kulturdialog mit der Welt: Das Humboldtforum in Berlin am Tag der offenen TürBild: imago/snapshot/M. Krause

Wie geht Deutschland mit Raubkunst um?

Das Thema Raubkunst - sei es NS-Raubkunst oder koloniale Raubkunst - hat in den vergangenen Jahren an Fahrt aufgenommen, nicht zuletzt durch die Debatte um das Berliner Humboldtforum und den Münchener Kunstfund, den "Fall Gurlitt". Zwar hat Deutschland die Provenienzforschung ausgebaut. Aber ein Restitutionsgesetz, das Museen und Sammlungen verpflichtet, die Herkunft ihrer Bestände zu untersuchen, um damit rechtmäßigen Besitzerinnen und Besitzern zur schnelleren Rückgabe zu verhelfen, gibt es bis heute nicht.

Raubkunst-Rückgabe - Stellt sich Deutschland seiner Kolonialgeschichte?

Die Unionsparteien greifen ein solches in ihrem Wahlprogramm nicht explizit auf. Die Provenienzforschung zum NS-Kunstraub wie auch zu "Kulturgutentziehungen während der SED-Diktatur und des Kolonialismus", schreibt die Union, müssten aber weiterhin "kulturpolitischer Schwerpunkt" bleiben.

Grüne und Linke hingegen sprechen sich für ein NS-Restitutionsgesetz aus, die Linken darüber hinaus auch für eines im Bereich koloniale Raubkunst. Und die Grünen wollen auch den Umgang mit der DDR-Raubkunst gesetzlich verankern.

Grüne, SPD und Linke versprechen, sich verstärkt der Aufarbeitung und Erinnerungskultur deutscher Kolonialverbrechen zu widmen. Einzig die Grünen präzisieren, dass dies in "enger Zusammenarbeit mit den Nachkommen und zivilgesellschaftlichen Initiativen der ehemals Kolonisierten und Geschädigten weltweit" erfolgen solle und bringen dazu die Idee von gemeinsamen "Geschichtsbuchkommissionen" mit ehemaligen kolonialisierten Staaten ins Gespräch.

Drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika.
Streit um koloniale Raubkunst: Hier drei Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in WestafrikaBild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Wer vertritt Deutschland im Ausland?

Wichtige Pfeiler der deutschen Kulturvermittlung im Ausland sind - neben der Deutschen Welle - das Goethe-Institut, die Auslandsschulen oder auch Austauschprogramme etwa des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).

Die SPD betont in ihrem Wahlprogramm zwar die Bedeutung des Goethe-Instituts. Von einem Ausbau der Förderung ist allerdings keine Rede. Andere Parteien werden da konkreter: CDU/CSU wollen die Mittlerorganisationen "stärker zu aktiven Botschaftern" Deutschlands machen. Goethe-Institute, Schulen im Ausland und der DAAD sollen dazu ermutigt werden, "überall für Deutschland zu werben und über Möglichkeiten des Studiums und der Ausbildung in unserem Land zu informieren", heißt es. Wie das geschehen soll, bleibt unerwähnt.

Die Grünen wollen Goethe-Institute und Auslandsschulen finanziell besser ausstatten und auch digital besser aufstellen. Auch will die Umweltpartei "Programme für verfolgte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen" auflegen.

Die FDP möchte die Bundesausgaben für die Kulturförderung - national wie international - aufstocken. Nicht nur für die Liberalen ist Digitalisierung das Gebot der Stunde. Die FDP schielt zudem nach Brüssel: Der Auswärtige Dienst der EU soll sich verstärkt auch um internationale Kulturbeziehungen kümmern - mit einer eigenen Abteilung. 

Wie viel Kultur leistet sich Deutschland?

Nie zuvor gab der Bund so viel Geld für die Kultur aus, erstmals übersprang der Etat des bisher von der CDU-Politikerin Monika Grütters geführten Staatsministeriums die Zwei-Milliarden-Euro-Marke, ergänzt um eine Milliarde für das im Corona-Jahr aufgelegte Konjunktur- und Rettungsprogramm Neustart Kultur.

Wie spendabel die neue Bundesregierung sein wird - und sein kann - hängt von der Kassenlage ab, aber auch von den Absichten der möglichen Regierungspartner. Die bisherigen Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD wollten und wollen der coronageschädigten Kultur- und Kreativwirtschaft schnell wieder auf die Beine helfen. Auch Grüne, FDP und Linke sehen sich da in der Pflicht, wenngleich mit unterschiedlichen Akzenten.

Die Ideen reichen von einer kulturfreundlichen "Stärkung der Rahmenbedingungen" (CDU/CSU, SPD) über Förderprogramme für Kleinunternehmen und Soloselbstständige (SPD, FDP) bis hin zu auskömmlichen Honorarregelungen für Kulturschaffende (CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke). Mehrere Parteien wollen die Künstlersozialkasse, die Sozialversicherung von Kultur- und Medienschaffenden, optimieren (Grüne, Linke, FDP, CDU/CSU). Die "Digitalisierung" haben fast alle Parteien auf dem Schirm. Hierzu kündigen etwa die Grünen ein staatliches Investitionsprogramm an.

Wie organisiert Deutschland seine Kultur?

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) möchte, wie sie mehrfach gesagt hat, nach der Wahl weitermachen. Ob sie es kann, hängt davon ab, wie sich die Parteien bei der Regierungsbildung sortieren. Eine Fortsetzung der Großen Koalition aus Union und SPD - diesmal unter Führung eines SPD-Kanzlers Olaf Scholz, galt jedenfalls bis zuletzt als unwahrscheinlich.

Bewegung zeichnet sich ab, was den künftigen Zuschnitt des Bundesbeauftragen für Kultur und Medien (BKM) angeht. Vor über 20 Jahren vom damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder aus der Taufe gehoben, soll die Behörde - nach den Vorstellungen von SPD, Grünen und Linken - zu einem "echten" Bundeskulturministerium aufgewertet werden. Union und FDP hingegen wollen die oberste Kulturverwaltung im Kanzleramt belassen. Im BKM könnten mehr Zuständigkeiten "gebündelt" werden, meinen die Grünen. Das schließt auch die Union nicht aus. Derzeit kümmert sich noch im Außenministerium eine zusätzliche Staatsministerin um die Auswärtige Kulturpolitik.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters im DW-Interview
Lenkte über Jahre die Kulturpolitik in Deutschland: Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), hier im DW-InterviewBild: DW

Für die Verankerung von Kultur als Staatsziel im Grundgesetz schließlich wirbt die wohl seltene Allianz aus SPD, FDP, Linken und Grünen; die Union will immerhin die möglichen Vorteile "prüfen".

Trotz anfänglicher Widerstände wirkt die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern - nach 21 Jahren BKM - ausreichend etabliert. Obwohl Kultur in Deutschland laut Grundgesetz Ländersache ist, wünschen sich fast alle potenziellen Regierungsparteien mehr Kooperation. Die Liberalen verlangen sogar ein "Kooperationsgebot" von Bund und Ländern - für Bildung und Kultur. "Länder und Kommunen brauchen ausreichend Mittel, um Kultur zu finanzieren", heißt es bei der Linken. 

Auch wenn die Kultur nicht ganz oben auf ihrer Agenda steht: Vorerst versammeln sich die möglichen Regierungspartner in Berlin zum Karneval der Kulturen - Farb- und Rechenspiele inbegriffen.