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Soldatsein soll schöner werden

Bernd Gräßler29. Oktober 2014

Mehr Wehrsold und flexiblere Dienstzeiten sollen die Bundeswehr attraktiver machen, sieht ein Gesetzentwurf vor. Verteidigungsministerin von der Leyen denkt auch über neue sicherheitspolitische Leitlinien nach.

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Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Maurizio Gambarini

Wer künftig freiwilligen Wehrdienst in der Bundeswehr leistet, kann im "Normalbetrieb", also außerhalb von Einsätzen, mit einer Wochenarbeitszeit von 41 Stunden und bezahlten Überstunden rechnen. Er oder sie kann in Teilzeit arbeiten, "wenn dies dienstlich vertretbar ist", ohne das extra begründen zu müssen. Er oder sie bekommt ab nächstes Jahr 60 Euro mehr Wehrsold monatlich. Das Gehalt im ersten Monat steigt damit auf rund 840 Euro. Die Soldatinnen und Soldaten sollen künftig auch nicht mehr in Stuben wohnen, die "nicht einmal den Standard von Monteurs-Unterkünften haben", sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei der Vorstellung des neuen Gesetzes in Berlin, das noch vom Bundestag beschlossen werden muss. Auch Fernseher und kostenloser Internetzugang sollen zur Standartausrüstung gehören. Allein die Modernisierung der Kasernen lässt sich der Staat in den nächsten Jahren eine halbe Milliarde Euro kosten.

Fallschirmjäger-Kaserne in Seedorf (Foto: dpa)
Kasernen sollen wohnlicher werdenBild: picture-alliance/dpa

U-Boote liegen wegen Personalmangel still

Die Bundeswehr leidet seit der Abschaffung der Wehrpflicht 2011 zwar nicht unter Nachwuchsmangel, es fehlen aber Fachkräfte. So seien beispielsweise von den vier U-Booten der Bundesmarine nur zwei einsatzfähig, "weil für Schlüsselstellungen Personal fehlt", sagte von der Leyen. Die Bundeswehr braucht erfahrungsgemäß jährlich rund 60.000 Bewerber, um 20.000 geeignete Soldaten für den freiwilligen Wehrdienst zu finden. Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge nimmt derzeit die Zahl der Bewerber ab, die Fülle der konkurrierenden Angebote aus der Wirtschaft dagegen zu.

Mit ihrer Attraktivitätsoffensive will die Verteidigungsministerin junge Menschen anlocken, die bisher durch schlechte Bedingungen abgeschreckt werden. Die Bundeswehr soll nach ihrem Willen einer der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands werden und sich mit der mittelständischen Wirtschaft messen.

Vorgesetzte in Teilzeit

Besonders die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei wichtig, sagt von der Leyen, die selbst siebenfache Mutter ist. Deshalb können künftig sogar höhere Dienstgrade in Teilzeit arbeiten. Daneben geht es auch ums Geld. Für viele riskante und belastende Tätigkeiten sind die Zulagen in den letzten 25 Jahren nicht erhöht worden. Deshalb gibt es für Minenentschärfer, Taucher, Kampfschwimmer oder Dienstleistende in Bunkern ohne Tageslicht sowie an Bord von Schiffen mehr Geld. Auch die unterbezahlten Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte sollen endlich eine kräftige Gehaltserhöhung bekommen. Künftig werden alle im Einsatz Verletzten nach gleichen Maßstäben versorgt. Der Stichtag des Gesetzes wurde auf den 1. Juli 1992 vorverlegt, so dass Versehrte aus den Einsätzen in Bosnien-Herzegowina und Kosovo die gleichen Entschädigungen erhalten wie Afghanistan-Verwundete. Verbesserungen gibt es auch bei der Beförderung und - besonders teuer - bei der Altersversorgung der rund 120.000 länger dienenden Soldatinnen und Soldaten auf Zeit. Die Bundeswehr hat aus Sicht der Ministerin im Umgang mit dem Personal großen Nachholbedarf im Vergleich zur übrigen Gesellschaft

Mehr Attraktivität kostet eine Milliarde

Von der Leyen wies Kritik zurück, das Geld solle lieber in die Modernisierung der teilweise maroden Ausrüstung der Bundeswehr gesteckt werden. Die Diskussion war zuletzt aufgeflammt, weil sich herausgestellt hat, dass ein großer Teil der Flugzeuge, Hubschrauber oder Schiffe nicht einsatzfähig ist. Zwar sei der Soldatenberuf kein Beruf wie jeder andere, sagte die Ministerin. Aber es gebe keinen Grund, Menschen, die im Extremfall ihr Leben einsetzten, schlechter zu behandeln als diejenigen im zivilen Bereich.

Außerdem verwies die Ministerin auf die unterschiedlichen Dimensionen der Kosten für Personal und Waffensysteme. So kostete das Gesamtpaket von Maßnahmen, mit dem sie die Bundeswehr attraktiver machen will, in den kommenden vier Jahren rund eine Milliarde Euro. Allein die neun teuersten Rüstungsprojekte belaufen sich dagegen auf 57 Milliarden Euro.

Neues "Weißbuch" zur Sicherheitspolitik?

Überraschend verkündete Verteidigungsministerin von der Leyen auf ihrer Pressekonferenz in Berlin an, dass die Zeit "reif sein könne" für die Formulierung neuer sicherheitspolitischer Leitlinien der Bundesregierung. Das derzeit gültige Konzept, unter der Bezeichnung "Weißbuch", stammt aus dem Jahr 2006 und definiert auch die Rolle der Bundeswehr. Die Erarbeitung eines neuen Gesamtkonzepts gilt als politisch schwierig und arbeitsaufwendig und ist für die seit 10 Monaten amtierende Verteidigungsministerin eine weitere Mammutaufgabe. Bereits im Februaer dieses Jahres sprachen Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und von der Leyen über ein stärkeres Engagement Berlins in der Welt und lösten damit eine öffentliche Diskussion aus. Nun werden Forderungen aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition laut, dies genauer zu definieren. Ansonsten neige man dazu, "Sicherheitspolitik nach subjektivem Bedrohungsgefühl und Kassenlage zu machen", sagt der CSU-Sicherheitspolitiker Florian Hahn in der Zeitung "Die Welt". Von der Leyen kündigte etwas vage an, 2016 könne eine neues "Weißbuch" vorliegen.