Burkhardt: "Deutsche Asylpolitik schäbig"
27. Mai 2013Deutsche Welle: Herr Burkhardt, wie würden Sie das Problem, das wir mit Asyl und Menschenrechten haben, beschreiben?
Günter Burkhardt: Europa schottet sich ab. Verschließt die Augen, vor den Menschenrechtsverletzungen, die an Europas Grenzen geschehen. Besonders bedrückend ist für uns im Moment die Situation der syrischen Flüchtlinge. Rund 40.000 Syrer leben seit Jahren in Deutschland, sind zum Teil Deutsche geworden. Und ihnen wird verwehrt, Familienangehörige zu sich kommen zu lassen. Die Grenzen Europas sind dicht, und wer an Europas Grenzen ankommt, etwa in Griechenland, wird inhaftiert, unter menschenrechtswidrigen Bedingungen. Und es gibt keinen legalen Weg, um nach Europa zu kommen und um Schutz zu fragen.
Was haben wir Deutschen damit zu tun?
Es kann nicht sein, dass Deutschland so tut, als würde es keine gemeinsame Europäische Union geben. Das ist jedem bewusst in der Wirtschaftspolitik. Aber wenn es um Menschenrechte in Europa geht, wenn es um den Schutz von Flüchtlingen geht, dann verfolgt jeder Staat kleinkarierte, nationalstaatliche Interessen - auch Deutschland. Und Deutschland ist so darauf eingestellt, Flüchtlinge abzuwehren, dass dies das Leitmotiv ist der Flüchtlingspolitik, die Deutschland in der Europäischen Union verfolgt. Konkret wird das deutlich, dass man die Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen abschiebt an die Grenzstaaten, Griechenland, Malta, Zypern, Bulgarien und andere. Es gibt aber keine Wege, um von außerhalb der Europäischen Union ein Land wie Deutschland legal zu erreichen.
Von welchen Zahlen sprechen wir? Wie groß ist das Problem in seiner Dimension?
Wenn wir von den Syrern sprechen, leben in den Nachbarstaaten Syriens rund 1,4 Millionen Menschen. Viele hoffen auf eine baldige Rückkehr. Einige von ihnen, es sind rund 40.000, haben Verwandte in Deutschland. Die würden sie aufnehmen. Wenn sie hier sind, heißt das noch lange nicht, dass sie auf ewig bleiben, sondern wir haben es erlebt, dass oft nach dem Zusammenbruch von Diktaturen Menschen zurückkehren, etwa in die Türkei oder nach Griechenland oder Chile. In Deutschland herrscht jedoch die Phobie vor: Wer einmal kommt, bleibt lieber hier, kehrt nie mehr zurück.
Und was man auch nicht realisiert: Dass Deutschland Zuwanderung braucht und dass Flüchtlinge Menschen sind, die etwas beitragen können zur Entwicklung dieser Gesellschaft. Stattdessen werden sie ausgegrenzt, in Lagern isoliert, dürfen sich nicht frei bewegen, erhalten keine Deutschkurse, keine Integrationskurse. Von daher ist die Asylpolitik in Deutschland in vielen Bereichen skandalös schäbig.
Was genau macht die deutsche Politik falsch?
Deutsche Politik ist auf Abwehr ausgerichtet. Wir brauchen einen Umschwung im Denken, in der gesamten Flüchtlings- und Migrationspolitik. Deutschland überaltert. Deutschland braucht Zuwanderung. Und es kann nicht sein, dass Europa weltweit Handel treiben will, Deutschland eine führende Exportnation ist und gleichzeitig, wenn es um Menschen geht, die Schotten dicht macht, Grenzen hochzieht und Flüchtlingen die kalte Schulter zeigt.