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Politik

Burkina Faso im Würgegriff des Terrors

Katrin Gänsler Cotonou, Benin
2. Dezember 2021

Nach Protesten hat Präsident Kaboré einen verbesserten Kampf gegen den Terrorismus angekündigt. Viele Menschen empfinden das als leere Worte und fordern den Rücktritt des Staatschefs.

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Menschen gehen auf einer Straße zwischen brennenden und stark qualmenden Barrikaden
Bei Demonstrationen in Ouagadoudou Ende November fordern die Menschen einen Wandel von der RegierungBild: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP

In Burkina Faso nimmt die Gewalt immer neue Dimensionen an. Besondere Sorge macht die Entwicklung in Nadiagou im Südosten unweit der Grenze von Benin und Togo. Die aus Mali stammende Dschihadisten-Miliz "Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime" (JNIM) hat es nach DW-Recherchen geschafft, erstmals einen Ort unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Männer sind geflohen, die Kirchen geschlossen.

"Die Dschihadisten kontrollieren das Dorf", sagt ein Einwohner, der sich in die Hauptstadt Ouagadougou gerettet hat, weiterhin aber mit Verwandten in Kontakt steht, "nur noch Frauen, Kinder und alte Leute sind da." Eine offizielle Bestätigung gibt es zwar nicht, eine zuverlässige Quelle aus Sicherheitskreisen hat die Schilderung allerdings bekräftigt. 

Karte Burkina Faso mit Nadiagou

Die Entwicklung zeigt, dass sich Terrormilizen offenbar weiter problemlos ausbreiten können. JNIM hat bisher im Norden und Nordwesten Anschläge verübt, während der "Islamische Staat in der größeren Sahara" (EIGS) vor allem im Osten und in der Grenzregion des Nachbarlandes Niger aktiv ist. "Unser Land ist im Krieg, und es verschwindet immer mehr. Wir haben bereits einen großen Teil der Fläche verloren", klagt Ibrahima Maïga. Er lebt in den USA und ist Mitbegründer der Bewegung "Sauvons le Burkina Faso" ("Rettet Burkina Faso").

Proteste für den "echten Wandel"

Seit Wochen übt diese massiven Druck auf die Regierung von Roch Marc Christian Kaboré aus, der seit 2015 an der Macht ist. Für das kommende Wochenende hat sie neue Demonstrationen angekündigt. "Wir haben entschieden, so lange zu protestieren, bis es einen echten Wandel gibt. Für uns ist dieser nur möglich, wenn Präsident Kaboré zurücktritt. Deswegen behalten wir diese Dynamik bei", kündigt Maïga an. 

Präsident Roch Marc Christian Kabore
Sieht sich Protesten gegenüber: Burkina Fasos Präsident Roch Marc Christian KaboréBild: Michel Euler/AP Photo/picture alliance

Seit 2016 sind durch den Terror mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen. Laut Kinderhilfswerk UNICEF starben alleine zwischen Juli und September 285 Personen. Mehr als 1,4 Millionen Menschen sind auf der Flucht, knapp 2700 Schulen geschlossen, weit über 300.000 Kinder und Jugendliche erhalten keinen Unterricht mehr. Es ist die größte Sicherheitskrise seit der Unabhängigkeit 1960.

Gefahren falsch eingeschätzt

Auslöser für den großen Druck auf die Regierung ist der Angriff auf Sicherheitskräfte in Inata im Norden gewesen. Dort starben am 14. November 53 Gendarmen sowie vier Zivilisten. Es ist einer der größten Anschläge auf Sicherheitskräfte im Sahel gewesen. Für viele Menschen im Land ist damit endgültig eine Grenze überschritten worden. Für Prosper Nikiema, der in Ouagadougou lebt und politisch interessiert ist, zeigt er auch: Schon viel zu lange läuft etwas falsch. Es habe immer wieder Anzeichen für Gefahren gegeben. Aber diese seien "überhaupt nicht ernst genommen worden". 

Konsequent ist auch für Nikiema nur eins: Kaborés Rücktritt. Er schätzt jedoch: "Ihm fehlt schlichtweg der Mut. Dabei müssten Männer gefunden werden, die den Terrorismus effizient bekämpfen können." Genau das soll etwa mit einer länderübergreifenden Anti-Terror-Operation geschehen. Am Dienstag sagte Sicherheitsminister Maxime Koné, dass sich an dieser auch Ghana, Togo und die Elfenbeinküste mit mehr als 5700 Soldatinnen und Soldaten beteiligen. Bisher sollen 300 Verdächtige festgenommen worden sein. Geplant wurde die Operation allerdings vor den jüngsten Protesten. 

Terrorismus grenzübergreifend bekämpfen

Amadou Diemdioda Dicko, Abgeordneter der Oppositionspartei Union für Fortschritt und Wandel (UPC), hält länderübergreifende Initiativen für entscheidend: "Die Lage ist auch in Mali und Niger sehr ähnlich. Die Menschen müssen verstehen, dass wir nur gemeinsam den Terrorismus bekämpfen können." Allerdings sei es schwer, passende Lösungen zu finden. Seiner Meinung nach sei aber nicht nur die Regierung in der Verantwortung: "Die Bevölkerung muss mit einbezogen werden und zum Beispiel verdächtige Personen melden. Waffen alleine bringen keine Lösung." Das wird auch im Nachbarland Mali deutlich, wo sich die Sicherheitslage trotz internationaler Militärmissionen und Ausbildungsprogrammen für die Streitkräfte in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert hat

Eine Menschenmenge auf einer Straße
Unruhen bei Demonstrationen in OuagadoudouBild: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP

Um zügig ein Zeichen zu setzen, hat Kaboré Oberstleutnant Wendwaoga Kéré damit beauftragt als Generalinspektor die Missstände innerhalb der Streitkräfte zu beheben. Für Parlamentarier Dicko nehme das immerhin die Spannung heraus. "Vom Präsidenten werden schließlich Taten gefordert."

Neue Gesichter statt grundlegender Veränderungen

Ibrahima Maïga von der Bewegung "Sauvons le Burkina Faso" reicht das nicht: "Er hat viermal den Stabschef ausgewechselt. Er hatte vier Verteidigungsminister. Wir haben alles ausprobiert und ausgetauscht. Nur ihn noch nicht." Maïga fordert stattdessen eine Regierung der nationalen Einheit. Es sei jedoch schwierig, jemanden zu finden, der dieser vorsteht. "Opposition und Regierung sind doch gleich." Auch Eric Ismaël Kinda, Sprecher der Bürgerbewegung "Balai Citoyen" (Bürgerbesen) sagt, der Austausch von Personen reiche nicht aus. Stattdessen brauche es Kompetenz. 

Anders als bei früheren Protesten - die "Balai Citoyen" hatten 2014 friedlich den Rücktritt des damaligen Präsidenten Blaise Compaoré erzwungen - hat sich Burkina Fasos bekannteste zivilgesellschaftliche Organisation bisher nicht an den Demonstrationen beteiligt. "Keine Organisation hat uns diesbezüglich kontaktiert", sagt Kinda knapp. Die "Balai Citoyen" hatten stets betont, dass ihre Macht ihre Größe sei. Es ist unklar, wie viele Menschen "Sauvons le Burkina Faso" künftig für Proteste mobilisieren kann.