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Gewaltspirale dreht sich weiter

Birgit Morgenrath7. Oktober 2015

Burundi kommt nicht zur Ruhe. Ein Klima der Angst treibt wieder mehr Burunder in die Flucht. Die Regierung bleibt untätig und die Nachbarstaaten sind gelähmt.

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Burundi Soldaten Sicherheitskräfte Militär
Bild: picture-alliance/dpa/D. Kuroawa

Erst vor wenigen Tagen sind 15 Leichen in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis gefunden worden. Laut Medienberichten hätten Polizisten am Samstagmorgen Jugendliche in einem Stadtteil festnehmen und fortbringen wollen. Daraufhin seien die Sicherheitskräfte angegriffen worden und hätten mit "unglaublicher Gewalt" zurückgeschlagen. Schon vor gut einer Woche hatte sich der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Al Hussein, besorgt über die "alarmierende" Zunahme von #Mordanschlägen auf mutmaßliche Oppositionelle geäußert. Viele der Opfer seien von der Polizei oder vom Geheimdienst festgenommen worden. Zugleich würden Angriffe auf Mitglieder und Anhänger der Regierungspartei Präsident Pierre Nkurunzizas zunehmen, erklärte Said Raad al-Hussein in Genf.

Klima der Angst

"Besorgniserregend" findet Carina Tertsakian - bei der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zuständig für Burundi - dass die Regierung auf diese Art anonymer Gewalt nur vereinzelt reagiert. Es werde kaum offiziell ermittelt. HRW hatte vor ein paar Monaten Todesfälle in eigener Regie aufgeklärt und mehrheitlich Polizei, Geheimdienstler und bewaffnete Rebellen als Täter ausfindig gemacht.

Tansania EAC Gipfel in Dar es Salaam
Die Ostafrikanische Gemeinschaft, hier bei einem Gipfeltreffen 2014, ist gelähmtBild: picture-alliance/dpa/S. Duda

Die zunehmende Gewalt sei das Ergebnis einer doppelten Entwicklung, analysiert die Burundi-Forscherin Julia Grauvogel vom Hamburger GIGA-Institut. Auf der einen Seite setze das Nkurunziza-Regime seine ausdrücklichen Drohungen gegen die Opposition brutal um. Dazu gehöre auch die jüngst eingerichtete und bereits vielfach kritisierte "Anti-Protest-Brigade" der Polizei sowie die Verlegung aller Inhaftierten in Einzelzellen, die des Putsches gegen Nkurunziza Mitte Mai diesen Jahres verdächtigt werden. "Diese Maßnahmen haben auch die Opposition radikalisiert", sagt Julia Grauvogel. "Auf der anderen Seite zeigt die Regierung keinerlei Interesse, Mordfälle aufzuklären, weil sie so die Dissidenten der Gewalt bezichtigen und diskreditieren kann."

So brodeln allenthalben Gerüchte über Täter und Hintermänner der Mordfälle. Die politischen Gefangenen etwa befürchten sogar, Sicherheitskräfte wollten das Gefängnis "versehentlich" in Brand setzen uns sich so der Kritiker entledigen.

Friedliche Straßenszene in Bujumbura im Juni 2015
Die kurze Zeit des Friedens nach der Wahl Präsident Nkurunzizas ist ständiger Angst gewichenBild: Getty Images/AFP PHOTO/C.de Souza

Neue Ethnisierung des Konflikts?

"Die Regierungspartei begegnet uns immer wieder mit Hass-Botschaften", erzählt Pacifique Nininahazwe, Präsident des oppositionellen "Forums für Bewusstsein und Entwicklung“. Der Hutu-Präsident Nkurunziza spiele die ethnische Karte aus und stelle das Abkommen von Arusha durch ständiges Gerede von Hutus und Tutsi in Frage. Das 2006 geschlossene Abkommen sollte nach 13 Jahren Bürgerkrieg mit 300.000 Toten den Frieden in Burundi besiegeln. Nininahazwe drängt auf eine internationale Untersuchungskommission der Gewalt, etwa von der UN. "Sonst wird es noch zu einer Katastrophe kommen."

Julia Grauvogel meint dagegen, dass Zuschreibungen ethnischer Merkmale nur von einzelnen Akteuren in Regierung und Opposition zu hören sei. Die Regierung habe sich zum Beispiel beschwert, dass die Europäische Union Sanktionen ausschließlich gegen Angehörige der Hutus verhängt habe. Dennoch kann Julia Grauvogel keine generelle Ethnisierung des Konflikts feststellen. Dafür sei die burundische Bevölkerung inzwischen während der Friedensjahre zu stark sensibilisiert worden.

Flüchtlinge aus Burundi in Tansania
Viele Burunder suchen Sicherheit in den Nachbarländern, hier TansaniaBild: Reuters/T. Mukoya

Auch Flüchtlinge fühlen sich bedroht

Die Zahl der Flüchtlinge ist dagegen wieder angestiegen. Verließen nach den Wahlen im Juli rund 250 Burunder wöchentlich das Land, sind es jetzt rund 700 pro Woche.

Diejenigen, die über die offenen und unsichere Grenze in den Kongo flüchten, fühlen sich von der Jugendmiliz Imbonerakure verfolgt und bedroht. Die UN macht die Jugendorganisation der Regierungspartei für Exekutionen, Entführungen und Folter verantwortlich. Es sei nicht auszuschließen, dass diese Miliz flüchtenden Oppositionellen über die quasi offene Grenze folge, meint Julia Grauvogel.

Die Nachbarn sind politisch gelähmt

Zwar hat die Präsidentin der Afrikanischen Union (AU), Dr. Nkosazana Dlamini-Zuma einmal mehr alle politischen Akteure zu einem "wahren Dialog" aufgefordert. Auch ihre Unterstützung für die Vermittlungskommission der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) unter Vorsitz des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni hat sie erneuert. Tatsache ist aber, dass beide Institutionen in der Burundi-Krise wie gelähmt sind. Die AU schickte eine Untersuchungskommission, die aber keinerlei Befugnisse hat. Beide Institutionen "sind lahmgelegt und geschwächt", erklärt Julia Grauvogel. In beiden sitzen Staats- und Regierungschefs am Tisch, die wie Nkurunziza eine dritte, verfassungswidrige Amtszeit anstreben. Ein EAC-Rechts-Gutachten über die Verfassungswidrigkeit dritter Amtszeiten wurde mehrheitlich abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund seien die von der EU am Freitag ausgesprochenen Sanktionen gegen vier Vertraute des Präsidenten keineswegs wirkungslos, so die GIGA-Expertin. Dass man Nkurunziza selbst noch davon ausgenommen habe, eröffne ihm eine Tür zum Dialog. Und dass Belgien Entwicklungshilfe in Höhe von riud 70 Millionen Euro eingefroren habe, treffe das von Hilfsgeldern abhängige Land an einer empfindlichen Stelle.

Burundi Präsident Pierre Nkurunziza
Präsident Pierre Nkurunziza regiert mit harter HandBild: Getty Images/AFP/F.Guillot