Riskantes Engagement
20. Mai 2010Gabriel Rufyiri probiert zum fünften Mal, eine Telefonverbindung herzustellen. Aber die instabilen Mobilfunknetze des Landes scheinen wieder einmal überlastet. In dem fensterlosen, stickigen Büro stapeln sich Akten und lose Papiere: Material von mehr als 10.000 Dossiers über Korruption und Missmanagement in Burundi. Korruption ist überall, meint Rufyiri, aber sie könnte nicht bestehen, wenn die Regierung die richtigen Maßnahmen ergreifen würde. Die waren aber bisher inneffizient.
Lebensgefährlicher Einsatz
Rufyiri ist Präsident von OLUCOME, eine französische Abkürzung für "Wächter gegen Korruption und Veruntreuung". Bevor OLUCOME 2002 ins Leben gerufen wurde, habe in Burundi kaum jemand über Korruption gesprochen, erzählt der ernste Mann. Das ist heute ganz anders. In dem langen Flur vor seinem Zimmer sitzen Männer und Frauen, die dazu beitragen wollen, Informationen zu sammeln - über Regierungsbeamte, die doppelt öffentliche Gehälter beziehen oder ihre Dienstwagen ungeniert und illegal für alle privaten Fahrten nutzen. Über den Wartenden hängt in einem Holzrahmen das Foto von Ernest Manirumva, einem smarten Mann mit wachen Augen. Vor einem Jahr wurde der damalige Vize-Präsident von OLUCOME umgebracht. "Bis heute sind bereits mehrere Kommissionen geschaffen worden, die alle den Mord aufklären sollen", sagt Rufyiri, "und bis heute gibt es keine offziellen Ergebnisse. Wir aber werden weiter bedroht."
Unaufgeklärter Mord
Dass in den öffentlichen Institutionen niemand an einer schnellen Aufklärung des Mordes interessiert ist, erstaunt Gabriel Rufyiri nicht. Ernest Manirumva war im Besitz mehrerer Dossiers über Korruption in der burundischen Regierung. Am Abend seiner Ermordung wurde er aus seinem Büro verschleppt und schließlich in seinem Haus erstochen. Teile der Polizei und des burundischen Geheimdienstes sollen den Mord initiiert haben. Das entsetzliche Attentat habe dennoch nichts an der Arbeit von OLUCOME geändert, beteuert Gabriel Rufyiri. "Wir machen weiter"!
Marsch zum Präsidenten
Ein paar Straßen weiter, bei der Vereinigung für die Rechte der Frauen, beendet Mireille Niyonzima gerade eine kleine Personalversammlung. Ihre Mitarbeiter beschäftigen sich mit einem Phänomen, das in Burundi alltäglich ist: Gewalt gegen Frauen. Unter anderem haben sie Frauenhäuser für Betroffene eingerichtet. Für die zahlreichen Programme zur Frauenförderung stützt sich die Nichtregierungsorganisation auf namhafte internationale Sponsoren. Der Staat gebe nichts, erzählt Mireille Niyonzima, man sei aber in gutem Kontakt. "Die Regierung weiß sehr gut, dass wir starke Aktionen auf die Beine stellen können, denn viele Frauen machen mit, auch wenn sie in Armut leben. Wenn wir Druck machen wollen, sind sie dabei." Und sie erzählt ein Beispiel: "Ein Mann hatte seiner Frau beide Arme abgehackt. Sie hat hier bei uns gewohnt. Der Mann wurde verurteilt und eine Woche später wieder aus dem Gefängnis entlassen. Das konnten wir nicht hinnehmen. Wir sind auf die Straße gegangen, zum Präsidenten marschiert. Zwei Tage später wurde der Mann wieder verhaftet, jetzt ist er im Gefängnis."
Für Niyonzima ist die Gewalt gegen Frauen tief in der burundischen Kultur verwurzelt. Und doch sieht sie Fortschritte, auch dank der Arbeit der Zivilgesellschaft: "Es gibt immer mehr Frauen, auch auf dem Land, die aufstehen und sagen: 'Nein, das akzeptieren wir nicht!' Früher haben die Behörden gesagt: 'Ach, das sind Frauengeschichten, damit können wir nichts anfangen'. Heute sind sie bereit, darüber zu diskutieren".
Steigender Druck vor den Wahlen
In einem Gemeindezentrum der katholischen Kirche singen sich gut 60 Männer und Frauen warm, bevor sie sich zum Wahlbeobachter schulen lassen. Mehrere Organisationen haben sich hierfür zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Bereits vor dem Urnengang wurde manipuliert, sagt Jean-Marie Vianney, Präsident des Zusammmenschlusses, und zählt auf: Drohungen bei der Wählerregistrierung, Versammlungsverbote für Oppositionsparteien, politisch Aktive wurden umgebracht.
Vianney, ein älterer Mann mit grauen Haaren, war von Anfang an dabei beim Aufbau der Zivilgesellschaft seines Landes. Er sieht sie - trotz aller Probleme - heute in einer komfortablen Position. "Die burundische Zivilgesellschaft hat sich so weit entwickelt, dass die Regierung sie jetzt als Opposition wahrnimmt. Aber uns geht es nur darum, die Dinge zu verändern, bis zu dem Tag, an dem die Bevölkerung verstanden hat, was ihre Rechte sind. Und die Regierung, dass sie die Verpflichtung hat, unsere Bürger zu schützen."
Autorin: Christiane Kaess
Redaktion: Katrin Ogunsade