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Crashgefahr oder falscher Alarm?

9. Februar 2016

Auch am Dienstag haben Anleger weltweit ihre Aktien aus den Depots geworfen. Händler sprechen von einer Krisenstimmung, die früher oder später auch die Realwirtschaft erreichen werde.

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Börsentafel in Frankfurt am Main (Archivfoto: dapd)
Bild: dapd

"Der Orkan an den Börsen hat das Risiko einer weltweiten Rezession erhöht", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets. Nachdem der Deutsche Aktienindex Dax am Montag erstmals seit Oktober 2014 wieder unter 9000 Zähler gesackt war, verlor er am Dienstag weitere 1,1 Prozent auf 8879,40 Punkte. Damit summiert sich der Verlust der vergangenen zehn Monate auf mehr als 28 Prozent: Im April 2015 hatte der deutsche Leitindex noch ein Allzeithoch von 12.390,75 Zählern markiert.

Der EuroStoxx50 fiel um 1,8 Prozent auf ein Zweieinhalb-Jahres-Tief von 2736,50 Punkte. An der Wall Street notierten der Dow-Jones - und der S&P500 -Index zum europäischen Handelsschluss 0,3 Prozent niedriger.

Viele Börsianer halten die Verluste in der Summe für übertrieben. Die Weltwirtschaft boome zwar nicht, doch sie wachse immer noch, erklärten die Analysten der LBBW. Als ein Grund für die Krisenstimmung gilt der Preisverfall beim Öl. Nordseeöl der Sorte Brent und US-Leichtöl liegen mit rund 32 und 29,40 Dollar je Fass (159 Liter) weiter in der Nähe ihrer im Januar erreichten Zwölf-Jahres-Tiefstände.

Unterfinanzierte Erdöl-Förderer...

Zum einen signalisiert der niedrige Ölpreis nicht nur ein hohes Überangebot, sondern auch eine sinkende Nachfrage - ein schlechtes Omen für die Weltwirtschaft. Zum anderen hat der Rückgang der Preise um rund 70 Prozent seit dem Sommer 2014 das Potenzial, die ganze Energiebranche und mit ihr die Banken ins Tief zu reißen.

Die Unterfinanzierung der Erdöl-Unternehmen gefährde den Bankensektor, der ihnen das Geld lieh, warnte Stanzl. Daher sind seit Wochen die Bankenwerte auf Talfahrt. "Bedenklich stimmen vor allem die hohen Volumina an faulen Krediten, die in den Bilanzen einiger Banken zu schlummern scheinen, ohne dass sie genau zu beziffern wären", warnten auch die Analysten der Metzler Bank.

Im Dax zählten am Dienstag erneut die Titel der Deutschen Bank mit einem Abschlag von 4,3 Prozent auf 13,23 Euro zu den größten Verlierern. Seit Jahresbeginn haben sie über 40 Prozent eingebüßt - trotz Beruhigungsversuchen der Bank. Noch am Montagabend hatte Deutschlands größtes Geldhaus bekräftigt, es habe genug Geld, um neuartige Anleihen (Contingent Convertible Bonds, "CoCos") zu bedienen, die erst 2014 im Volumen von rund fünf Milliarden Euro ausgegeben wurden .

...erhöhen Sorgen um die Banken

Die Papiere der Commerzbank verloren am Dienstag ebenfalls über vier Prozent. Auf Talfahrt waren nach einem Gewinnrückgang auch die Aktien von Unicredit mit einem Minus von 7,9 Prozent, obwohl die Italiener die Analystenerwartungen übertroffen hatten.

Wegen der schwachen Aktien legen als sicher geltende Anlagen wie Gold oder deutsche Staatsanleihen zu. Doch der überwiegende Teil der Analysten ist immer noch der Meinung, dass die wirtschaftliche Lage kein weiteres, deutliches Abrutschen des Dax in die Region um 8000 Punkte rechtfertigt. "Es ist mir zu einseitig, nur auf den Kaufkraftverlust der Rohstoffländer und nicht auch auf den dramatischen Kaufkraftgewinn der Industrieländer, insbesondere in Deutschland, hinzuweisen", sagt der Kapitalmarktstratege Robert Halver von der Baader Bank. Auch China stehe wirtschaftlich besser da als der Aktienmarkt widerspiegele.

Einige Analysten sehen sogar schon den richtigen Zeitpunkt für einen Einstieg: "Der Dax ist so günstig wie selten zuvor", erklärt Investmentanalyst Uwe Streich von der Landesbank Baden-Württemberg. Er macht dies an den weiterhin hohen Gewinnen der Unternehmen fest.

Dax wieder auf Einstiegsniveau?

Auch Berenberg-Experte Holger Schmieding mahnt zur Besonnenheit: Die Wachstumsschwäche in Schwellenländern wie Brasilien, China und Russland dürfte sich seiner Ansicht nach nicht zum Flächenbrand in den entwickelten Volkswirtschaften ausweiten. Allerdings könne eine Panik an den Finanzmärkten tatsächlich zu einer kurzfristigen Eintrübung der weltwirtschaftlichen Aussichten führen - quasi eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

In dem schwachen Börsenumfeld wagte am Dienstag die Biotech-Firma Brain den Gang an die Frankfurter Börse. Nach zeitweiligen Verlusten beendeten die Aktien den ersten Handelstag mit 9,09 Euro über dem Ausgabekurs von neun Euro.

An den Devisenmärkten kommen immer mehr Anleger zu der Überzeugung, dass die US-Notenbank Fed eine weitere Zinserhöhung wegen der verschlechterten Konjunkturaussichten verschieben wird. Dies drückte die US-Währung: Ein Dollar kostete zeitweise nur noch 114,25 Yen, so wenig wie zuletzt im November 2014. Zugleich zog der Euro um mehr als einen US-Cent auf ein Vier-Monats-Hoch von 1,1324 Dollar an.

wen/rb (rtrd, dpa)