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Börsenturbulenzen und Prestigeerfolge

Hans Spross14. Dezember 2015

Wirtschaftlich stand das "Jahr der Ziege" im Zeichen wild ausschlagender Börsenkurse und sinkender Außenhandelszahlen. Andererseits gab es Signale für eine wachsende Rolle Chinas im globalen Finanz-und Wirtschaftssystem.

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Anleger vor Kurstafel an der Börse in Fuyang (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Sind die Turbulenzen und Abwärtstrends Zeichen für Schwäche der chinesischen Führung unter Xi Jinping, wird damit der geplante Umbau der chinesischen Volkswirtschaft in Frage gestellt? Das lässt sich nicht eindeutig mit ja oder nein beantworten, aber in einem Punkt sind sich Beobachter einig: Die hektische Reaktion der chinesischen Behörden auf den Börseneinbruch seit Anfang Juni hat gezeigt, dass China von einer Marktwirtschaft noch weit entfernt ist - trotz dem KP-Beschluss von 2013, dass die "Marktkräfte künftig eine entscheidende Rolle spielen sollen."

Der Absturz der überhitzten Börsen in Shanghai und Shenzhen im Sommer vernichtete zwar Papiervermögen im Umfang von 3,5 Billionen US-Dollar. Viele Analysten sehen aber angesichts der relativ geringen Bedeutung des chinesischen Aktienmarktes für Chinas Wirtschaft nicht darin das Problem.

Chinese vor Kursanzeige (Foto: picture-alliance/dpa)
Mit Aktien kaufe man den chinesischen Traum, lautetet die von der Volkszeitung propagierte Devise noch kurz vor dem Einbruch der Börsen im JuniBild: picture-alliance/dpa/Fangping

Panische Reaktion auf Börsensturz

Problematisch sei vielmehr die panikartige Reaktion der chinesischen Führung: Mit Zinssenkungen, Stützungskäufen, dem Verbot von Börsengängen und Verhaftungen von Börsenhändlern versuchten die Behörden, den Ausverkauf zu stoppen, der von Mitte Juni bis Anfang Juli zu fast 30 Prozent Kursverlusten geführt hatte. Trotzdem brachen die Börsen in Shanghai und Shenzhen am 7./8. Juli nach vorübergehender Erholung wieder um sieben bzw. fünf Prozent ein. Auch in den folgenden Monaten hielten die wackeligen Kurse an Chinas Börsen Händler und Anleger weltweit in Atem.

Wenn die Vorgänge an den Börsen für den Gesamtzustand der chinesischen Wirtschaft nicht entscheidend sind, wie die meisten Experten sagen, warum legt sich die Führung in Peking dann - mit zweifelhaftem Erfolg - so ins Zeug als Börsenwächter? Die Erklärung liege in der Politik, analysierte der britische "Economist": "Solange sich Millionen Kleinanleger im Aktienfieber befanden, sahen die Staatsmedien darin eine Bestätigung für den Wirtschaftskurs von Xi Jinping und Li Keqiang. Jetzt, da die Kurse fallen, muss die Reputation der Führung umso dringender wiederhergestellt werden."

Li Keqiang in Malaysia (Foto: picture alliance/landov/G. Jie)
Ministerpräsident Li Keqiang ist für die Kursänderung der chinesischen Wirtschaft zuständig. Er hat sich skeptisch über die Aussagekraft von Wachstumszahlen geäußert.Bild: picture alliance/landov/G. Jie

Wachstumssorgen unbegründet?

Es geht also um die Legitimität der Führung im chinesischen Einparteienstaat. Stärker noch als auf steigenden Aktienkursen ruht diese Legitimität auf Wirtschaftswachstum. Das Ende des zweistelligen Wachstums und die "neue Normalität" von etwa sieben Prozent sind zwar schon seit mindestens zwei Jahren ein Dauerbrenner der China-Berichterstattung. Aber 2015 haben anhaltend rückläufige Außenhandelszahlen und nur noch 6,9 Prozent Wachstum für das 3. Quartal – der niedrigste Wert seit der globalen Finanz- und Bankenkrise 2007/8 - erneut Befürchtungen über eine "harte Landung" der chinesischen Volkswirtschaft geweckt.

Jedoch beruhigt die chinesische Führung und gibt einen Wert von 6,5 Prozent als ausreichend für die kommenden fünf Jahre an, um eine "Gesellschaft von moderatem Wohlstand" zu schaffen bzw. eine Verdoppelung von BIP und Pro-Kopf-Einkommen bis 2020. Ob Peking dieses Wachstumsziel gleichzeitig mit dem erklärten Ziel des Umbaus der Wirtschaft schafft - also weniger Export, Anlage- und Immobilieninvestitionen, dafür mehr Konsum und Dienstleistungen und geringerer CO2-Ausstoß - ist eine Frage, die Chinesen und China-Beobachter weiterhin beschäftigen wird. Das Berliner China-Forschungsinstitut MERICS schreibt, "da seit Monaten Importe deutlich stärker sinken als Exporte, steigt gleichzeitig der Handelsbilanzüberschuss Chinas weiter an. Eine ausgeglichene Handelsbilanz, die stärker konsumorientiertes Wachstum widerspiegelt, ist jedenfalls mittelfristig nicht in Sicht."

Familie mit Atemmasken im Smog in Peking (Foto: picture-alliance/epa)
Nicht zuletzt die massive Luftverschmutzung erfordert eine Neuausrichtung der chinesischen WirtschaftBild: picture-alliance/epa/H. Hwee

Erfolgreiche globale Finanzstrategie

Unabhängig von Handels- und Wachstumszahlen kann China in den Bereichen Technologie und internationale Kooperation eine ganze Reihe an Erfolgen im zu Ende gehenden Jahr vorweisen. Dazu gehört die Präsentation ("roll out") des ersten chinesischen Mittelstreckenjets C 919. Mit ihm liegt nach Einschätzung der FAZ "erstmals ernsthafte Konkurrenz (für Airbus und Boeing) in der Luft."

Ein weiterer Prestigeerfolg war die Aufnahme des Yuan als fünfte offizielle Reservewährung durch den IWF, neben US-Dollar, britischem Pfund, Yen und Euro. "Die Aufnahme des Renminbi in den IWF-Währungskorb hat eine große Symbolkraft. Denn mit der Erteilung dieser höchsten finanzpolitischen Weihen erklärt der IWF China zu einer führenden Macht im Weltwährungssystem", analysiert MERICS. Mit diesem Erfolg hätten Chinas Reformer "gute Chancen, die Umgestaltung des Finanzsystems fortzusetzen und damit wichtige Weichen für Chinas wirtschaftlichen Strukturwandel zu stellen."

Als weiterer Baustein in Chinas globaler Finanzstrategie wird die offizielle Gründung der Asiatischen Infrastruktur- und Investitionsbank (AIIB) in Peking gesehen. Sie gilt als Konkurrenz zu westlichen Kreditgebern wie Weltbank und Asiatischer Entwicklungsbank. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Washingtons sind auch Verbündete der USA wie Deutschland und Großbritannien der AIIB beigetreten.

Xi Jinping auf Kutschfahrt mit Königin Elizabeth II. (Foto: Reuters)
Nach dem großen Empfang für Xi Jinping in London versicherte Angela Merkel: "Wir können auch schöne Besuche für chinesische Gäste ausrichten."Bild: Reuters

Xi Jinpings Investitionsoffensiven

Während China mit der AIIB vor allem Projekte in ärmeren asiatischen Ländern vorantreiben will, hat es als umworbener Großinvestor die ganze Welt im Blick. Mit Milliardeninvestitionen will China sich weiterhin im südlichen Afrika engagieren, ebenso in Pakistan, wo ein "Wirtschaftskorridor" China Zugang zum Indischen Ozean verschaffen soll.

Der pompöseste Empfang wurde Xi Jinping im Oktober von Politik und Krone in London bereitet und von manchen Briten schon als unterwürfig kritisiert. Unter anderem wurde dabei der massive Einstieg Chinas in die britische Atomindustrie besiegelt, zunächst nur mit chinesischem Kapital, später auch mit Technologie aus dem Reich der Mitte. "Strahlende" Zukunft also für die britisch-chinesischen Beziehungen, Xi Jinping zog aber den Ausdruck "goldenes Zeitalter" vor.