Neues Konzerthaus für Bochumer Symphoniker
27. Oktober 2016Bis zum Schluss werden die Böden geschliffen, die Räume geputzt, wird noch der Rollrasen in den Außenanlagen verlegt. Für das Eröffnungswochenende des neuen "Anneliese Brost Musikforums Ruhr" soll alles in frischem Glanz erstrahlen. Die beigen Stühle im hellen Konzertsaal haben es Britta Freis, Geschäftsführerin der Stiftung Bochumer Symphonie, besonders angetan. "Jeder Millimeter Stoff ist bei den Stühlen akustisch berechnet, damit die Stühle auch unbesetzt bei Proben den Klang eines vollen Hauses simulieren."
Auf diesen Sitzen können viele Förderer des neuen Konzerthauses ihre Namensplakette wiederfinden - als Dankeschön. Denn das ist das Herausragende an Bochums neuem Musikforum: Rund 22.000 private Geldgeber haben sich in der 370.000 Einwohner-Stadt an der Finanzierung der neuen Spielstätte beteiligt.
Ein Traum wird wahr: Mit Spendern und Sponsoren zum Musikforum Ruhr
Ins Rollen kam das Bauvorhaben 2007, als ein Lotto-Unternehmer für das Musikforum fünf Millionen Euro stiftete. Er stellte die Bedingung, dass weitere zwei Millionen innerhalb kurzer Zeit aus anderen Spendengeldern zusammen kommen sollten. Aus den geforderten zwei Millionen wurden in den letzten neun Jahren fünfzehn Millionen Euro. Unter den Spendern war auch die Verlegerin der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung, Anneliese Brost, nach der das neue Forum benannt wurde.
Der moderne Bau bietet mit seinen zwei Sälen Platz für 1000 Leute. Er schmiegt sich direkt an eine alte Bergarbeiterkirche, in der schon seit 15 Jahren keine Gottesdienste mehr stattfinden. Die Kirche dient in Zukunft als Foyer. Dort, wo der Altar war, ist die Kasse; eine der alten Kirchenglocken wurde zur Pausenglocke umfunktioniert. "Niemand hat ein Foyer wie dieses", sagt Generalmusikdirektor Steven Sloane. Für ihn ist mit dem neuen Musikforum ein Traum in Erfüllung gegangen.
Keine "Elbphilharmonie" in Bochum
Im Jahr 2007, als die Bochumer die erste Finanzspritze bekommen hatten, startete in Hamburg der Bau der Elbphilharmonie, eines der größten Konzertsaalprojekte in Deutschland. Rund 780 Millionen Euro hat die Philharmonie verschlungen Eröffnet wird sie erst im Januar 2017. Da weder die veranschlagte Bauzeit noch der Kostenrahmen eingehalten wurde, erntete das Hamburger Vorhaben reichlich Hohn und Spott. "Wir müssen immer ein wenig schmunzeln", sagt Britta Freis. "Unsere Endkosten liegen mit knapp 37 Millionen Euro bei fünf Prozent der Kosten der Elbphilharmonie."
Natürlich sei das nicht vergleichbar, denn schließlich sei die Elbphilharmonie ausgerichtet auf den internationalen Tourismus. Dennoch ist man in Bochum stolz: "Es ist ein Triumph unserer Stadt", freut sich Steven Sloane, der das Ganze maßgeblich vorangetrieben hat. Und Britta Freis ergänzt: "Uns ist wichtig, dass man sieht, was man trotz klammer Kassen mit viel Bürgerengagement leisten kann, ohne Verzögerungen und übermäßig hohe Baukosten."
Nach 100 Jahren ein eigenes Haus für die Symphoniker
Als der der Dirigent Steven Sloane vor 22 Jahren von Los Angeles als Generalmusikdirektor nach Bochum kam, wurden im Ruhrgebiet, einer der größten Industrieregionen Deutschlands, gerade zahlreiche Kohlezechen und Stahlwerke stillgelegt. Die Region brauchte eine neue Identität und setzte auf Kultur. Es entstanden Chöre, Orchester und Festivals. Und auch Konzerthäuser wurden gebaut: In Dortmund, in Essen, in Duisburg. Nur nicht in Bochum.
Steven Sloane hat die Bochumer Symphoniker zu einem Orchester von Rang und Namen gemacht und auch die Bochumer selbst für ihr Orchester begeistert. "Es gibt viele gute Orchester auf der Welt von hoher Qualität", sagt Sloane, "aber dieses Orchester schafft es, die Herzen der Leute wirklich zu berühren. Die Musiker sind ambitioniert auf einem hohen Niveau, das ist bewundernswert."
Das Orchester, das in der Bergarbeiterstadt Bochum bald sein 100-jähriges Bestehen feiert, hat sich traditionell auf moderne Musik spezialisiert. Steven Sloane wurde schon zweimal vom Deutschen Musikverleger-Verband für das beste Konzertprogramm der Saison ausgezeichnet. Was dem Orchester bisher allerdings fehlte, war ein eigenes Haus mit eigenen Proberäumen und vor allen Dingen mit einer guten Akustik.
"Dieses Haus hätte nicht gebaut werden können ohne das Orchester", sagt Sloane. Denn auch die Musiker haben zur Finanzierung des eigenen Arbeitsplatzes beigetragen. Sie spielten in Fußgängerzonen und sammelte Geld in Sparschweinen. Sloane dirigierte Spielmannszüge, und er gewann den Sänger Herbert Grönemeyer, dessen Liebe zur Stadt seiner Jugend in mehreren Liedern belegt ist, für ein Benefizkonzert. Im Kulturhauptstadtjahr 2010 organisierte der Dirigent im Fußball-Stadion von Schalke04 ein riesiges Laien-Chorkonzert, von dem auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begeistert war. Sie sorge für Landeszuschüsse und EU-Gelder. "Weil in dem Projekt Gelder der EU stecken, dürfen wir die Halle nicht kommerziell betreiben, um Gewinn zu erwirtschaften", erklärt Britta Freis von der Stiftung. Allein deshalb trete man in keiner Weise in Konkurrenz zu umliegenden Konzerthallen.
Braucht das Ruhrgebiet ein weiteres Kozerthaus?
Konzerthäuser gibt es im Ruhrgebiet viele, die Städte liegen dicht nebeneinander. Natürlich kam da auch die Frage auf, ob man denn überhaupt noch eine weitere Spielstätte brauche. Doch das Konzept von Steven Sloane unterscheidet sich von dem der umliegenden Gastspielhäuser. Das Bochumer Musikforum bietet auch Platz für Konzerte und Proben der Bochumer Musikschule, die mit 10.000 Schülern immerhin die größte Musikschule Deutschlands ist. "Der erzieherische Aspekt ist absolut wichtig für unsere Pläne im neuen Musikcenter", bekräftigt Sloane. Schon vor Jahren hat er eine Orchesterakademie gegründet, und seit ebenso langer Zeit arbeitet er mit Bochumer Schulen zusammenarbeitet.
Dass das neue Haus nicht ausgelastet sein könnte, davor hat der Generalmusikdirektor keine Angst: "Die Leute kommen nicht, um ihren neuen Mantel zu zeigen, sondern weil sie an der Kunst wirklich interessiert sind." Schließlich sei das Publikum an die moderne Musik und seine Experimetierfreude bereits gewöhnt. "Ich glaube, sie wären enttäuscht, wenn wir nicht in dieser Weise fortfahren würden, sie mit neuer Musik herauszufordern."
An diesem Eröffnungswochenende wird es bestimmt keine Enttäuschung geben, denn neben Werken von Gustav Mahler und Igor Strawinsky erwartet das Publikum auch eine Uraufführung aus den eigenen Reihen: "Baruch ata Adonaj – Gesegnet seist du, Herr", komponiert von dem Bochumer Komponisten Stefan Heucke.