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"Cape-Cross-Säule steht hier am falschen Ort"

18. Mai 2019

Warum es gute Gründe für die Rückgabe der Cape-Cross-Säule gebe, erklärt der Präsident des Deutschen Historischen Museums, Raphael Gross, im DW-Interview. Sie gehöre nach Namibia, nicht nach Berlin.

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Raphael Gross
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Über Jahrzehnte forderte Namibia die Rückgabe der Säule von Cape Cross, die einst von den Portugiesen an der Südwestküste Afrikas aufgestellt worden war. Während der Kolonialherrschaft wurde sie nach Deutschland verschifft und landete schließlich im Deutschen Historischen Museum. Jetzt beschloss das Kuratorium des Museums einstimmig, die Kreuzsäule zurückzugeben. Der Schweizer Historiker Raphael Gross leitet seit 2017 das Deutsche Historische Museum und erklärt im DW-Interview, warum es richtig ist, dass die Säule nun zurückgegeben wird.

Deutsche Welle: Warum gibt Deutschland gerade jetzt die Säule von Cape Cross an Namibia zurück?

Raphael Gross: Vielleicht ist die wichtigste Antwort darauf, dass sich die Diskussion um den deutschen Kolonialismus in den letzten Jahren massiv verändert hat. Das Bewusstsein um die kolonialen Verbrechen, insbesondere der Völkermord an den Herero und Nama, ist praktisch vergessen gewesen. Erst in allerjüngster Zeit ist er offiziell als solcher anerkannt worden.

Soll die Säule dort wieder aufgestellt werden, wo jetzt die Replik steht?

Das wird nicht möglich sein, weil das unter freiem Himmel wäre. Die Säule ist aus Sandstein und sehr fragil. Wir hoffen sehr, dass sie ein neues Zuhause in einem museumsartigen Kontext finden wird.

Kreuz Cape Cross Namibia
Nur eine Replik: Die Cape-Cross-Säule am StrandBild: imago/Westend61

Das ist jetzt eine freiwillige Rückgabe. Hatte Namibia denn einen Anspruch auf das Objekt?

Es gibt keine völkerrechtliche oder rechtliche Grundlage, die das Deutsche Historische Museum, das Besitzer und Eigentümer ist, dazu zwingt, die Säule zurückzugeben. Wir sind auf nichts gestoßen. Die Hauptgründe liegen wirklich darin, dass wir es für sinnvoll halten, Namibia die Säule zurückzugeben, da sie für Namibia einen sehr hohen symbolischen Wert hat. Während sie hier, das muss man auch sagen, auf gewisse Weise sogar noch am falschen Ort steht. 2006 war sie in unserer Dauerausstellung im Bereich der Entdeckung untergebracht. Was ja eigentlich eher für Portugal sinnvoll wäre. In Deutschland gehört sie eindeutig zur Kolonialgeschichte.

Ist der Umstand, dass es diesen Anspruch auf Rückgabe nach deutschem und internationalem Recht nicht gibt, der Grund, warum die Säule nach deutscher Auffassung kein koloniales Raubgut ist?

Das ist eine schwierige Frage, die ich so aus dem Stegreif, schwer beantworten kann, weil ich kein Jurist bin. Ich würde es anders formulieren. Ich würde sagen, es ist kein typisches koloniales Objekt, weil es ein Objekt ist, das Portugal als Herrschaftszeichen aufgestellt hat, an dem Ort, der heute Cape Cross genannt wird. Insofern ist es nicht etwa ein Kunstwerk, das in einem Kolonialland hergestellt worden ist und dann geraubt wurde, wie eine Bibel oder ein anderes kulturelles Zeugnis dieses Landes. Darum glaube ich, ist es tatsächlich ein relativ einzigartiges Objekt und es ist deswegen auch anders zu diskutieren.

Andreas Guibeb
Namibias Botschafter Andreas Guibeb vor der Säule von Cape CrossBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Sie haben gesagt, es gebe gute Gründe für eine Rückgabe.

Zum einen geschah die Wegnahme der Säule in einem kolonialen Kontext. Die Einwohner wurden nicht dazu befragt. Es ist wichtig, dass wir durch diese Rückgabe nochmal eine deutliche Distanzierung zu dieser Haltung, zu dieser damaligen Einstellung und Sichtweise, dokumentieren, die eben zur Kolonialherrschaft gehörte.

Der zweite Punkt ist die Niederwerfung des Aufstandes gegen die koloniale Herrschaft, die zu einem Vernichtungskrieg gegen die Herero und Nama führte. Die Anerkennung dieser Verbrechen hat ja unendlich lang gedauert und ist eigentlich erst in der allerletzten Zeit auch offiziell von deutscher Seite als historisches Unrecht akzeptiert worden.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, wenn man künftig gemeinsam über die Geschichte in Namibia und in Deutschland nachdenken will, dass man ganz klar zeigt, dass man sich dessen bewusst ist. Und wenn es dann diese eine Forderung Namibias gibt, dann wäre es doch merkwürdig, wenn wir nein sagen oder ein anderes Objekt anbieten würden. Diese zwei Punkte waren für mich entscheidend.

Das Gespräch führte Stefan Dege.