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"Casablanca": Meisterwerk über Liebe und Flucht

Christine Lehnen
26. November 2022

1942 feierte der Klassiker mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergman Premiere. Gleichzeitig wurde in Casablanca die Anti-Hitler-Koalition geschmiedet.

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Filmstill - Casablanca
Bild: picture-alliance/Heritage Images/Keystone Archives

Als er vor 80 Jahren anlief, wusste noch niemand, dass "Casablanca" zu einem der erfolgreichsten Filme der Kinogeschichte werden würde. Das US-Studio Warner Bros. brachte ihn im November 1942 überstürzt in nur einem New Yorker Kino heraus. Der Grund: Anfang November waren alliierte Truppen an der damals noch französischen nordafrikanischen Küste gelandet. Britische und US-amerikanische Soldaten befanden sich in Algerien und Marokko, auch in der marokkanischen Stadt Casablanca, die nun auf einmal in den Schlagzeilen war.

Die Aufmerksamkeit wollte das Filmstudio offenbar nutzen und ließ den gleichnamigen Film mit großem Erfolg in New York anlaufen. In "Casablanca" geht es um die vielen Emigrierten, die vor dem Nazi-Regime aus Europa nach Französisch-Nordafrika geflohen sind. Sie treffen sich in "Rick's Café" in der Stadt Casablanca, das von einem US-Bürger betrieben wird, und hoffen dort auf Weiterreise ins neutrale Lissabon und von da aus per Schiff in die Vereinigten Staaten.

Vor diesem Hintergrund entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen Rick (Humphrey Bogart) und Ilsa Lund (Ingrid Bergman), der Frau des berühmten tschechischen Widerstandskämpfers Victor László, der vor den Nazis auf der Flucht ist.

Humphrey Bogart und Ingrid Bergman posieren auf der Schwarz-weiß-Fotografie vor einer Kamera. Sie tragen beide einen Trenchcoat und einen Hut.
Humphrey Bogart und Ingrid Bergman verzaubern als Filmpaar Rick und Ilsa bis heute das KinopublikumBild: Mary Evans Picture Library/picture-alliance

Der Film und seine beiden Hauptdarsteller wurden frenetisch gefeiert, "Casablanca" ein großer Erfolg. Trotzdem sah man bei Warner Bros. von einem bundesweiten Kinostart erst einmal ab. Erst am 23. Januar 1943 lief "Casablanca" in allen US-amerikanischen Kinos an.

Dafür gab es einen politischen Grund. Denn Casablanca war während des Zweiten Weltkrieges nicht nur ein Treffpunkt für Emigrantinnen und Emigranten sowie Flüchtende, sondern auch für zwei der mächtigsten Männer der Welt: US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der britische Premierminister Winston Churchill trafen sich heimlich vom 14. bis 24. Januar 1943 in Casablanca, um eine Anti-Hitler-Koalition zu schmieden. Da Roosevelt und Filmmogul Jack Warner befreundet waren, ist es möglich, dass Warner Bros. mit dem US-weiten Kinostart von "Casablanca" so lange wartete, bis die Konferenz so gut wie vorüber war.

Warner Bros. war das einzige Hollywood-Studio, das sich seit Beginn des Zweiten Weltkrieges mit Filmen offen gegen Hitler und die Nazis positionierte und für einen Kriegseintritt der USA warb. Die Vereinigten Staaten hielten sich zunächst aus dem Krieg heraus, bis die japanische Armee am  7. Dezember 1941 den US-Stützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii bombardierte.

Nach dem Angriff erklärten die USA Japan den Krieg. Die Verbündeten Japans, Deutschland und Italien, antworteten mit ihrer eigenen Kriegserklärung.  Am 1. Januar 1942 traten die USA der Anti-Hitler-Koalition Großbritanniens und der Sowjetunion bei. Das Geheimtreffen in Casablanca sollte die militärischen Operationen der Koalition voranbringen.

Das deutsche Filmpublikum bekam "Casablanca" erst nach Kriegsende im Jahr 1952 zu sehen - allerdings in einer um 25 Minuten gekürzten Fassung, in der die Nazis und der Zweite Weltkrieg überhaupt nicht vorkamen. Aus dem Tschechen Victor László wurde der Norweger Viktor Larsen. Statt eines Widerstandskämpfers, der aus einem Konzentrationslager ausgebrochen war, handelte es sich bei Larsen um einen Physiker, der durch die Einwirkung geheimnisvoller Deltastrahlen aus dem Gefängnis entkommen konnte. Laut Norbert F. Pötzelt, Autor des Buches "Casablanca 1943" (2017) habe die deutsche Niederlassung von Warner Bros., die die Kürzungen vornahm, die Westdeutschen offenbar mitten im Wirtschaftswunder nicht an ihre Nazi-Vergangenheit erinnern wollen.

Erst 1975 gab die ARD eine originalgetreue Fassung bei den "Bavaria Studios" in Auftrag und strahlte sie aus. Seitdem kann auch ein deutschsprachiges Publikum die Liebes- und Fluchtgeschichte um Rick, Victor und Ilsa in ihrer originalen Fassung genießen.

Seit der US-Premiere vor 80 Jahren hat der Film Kult-Status erlangt. An Humphrey Bogart und Ingrid Bergman erinnern sich viele Filmliebhaberinnen und -liebhaber noch immer vor allen Dingen als Rick und Ilsa. Und einen Satz aus "Casablanca" kennt jeder, ob er den Film gesehen hat oder nicht. Rick haucht ihn in einer der bewegendsten Szenen der Filmgeschichte seiner Ilsa zu: "Ich schau dir in die Augen, Kleines."