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CeBIT 2015: Deutschland wird digital

Henrik Böhme16. März 2015

Deutsche Autos und Maschinen sind oft Weltspitze. Doch wenn bald alles digital ist, was wird dann aus der deutschen Industrie? Antworten findet DW-Reporter Henrik Böhme auf der Computermesse CeBIT in Hannover.

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Symbolbild Industrie 4.0 auf der Computermesse Cebit
Bild: Deutsche Messe AG

Alle reden von Industrie 4.0, von der vierten industriellen Revolution, vom Internet der Dinge, von der Digitalisierung der Welt. Es ist der Versuch, das zu beschreiben, was gerade passiert. Nämlich schlicht nicht anderes als das Ende des analogen Zeitalters. Die erste Revolution war die Erfindung der Dampfmaschine, dann kam die Elektrizität, dann der Computer. Das alles sorgte für große Umbrüche. Und nun soll alles miteinander vernetzt werden: die Zahnbürste mit dem Smartphone und die Maschine mit dem Produkt, das sie herstellt. Wieder steht ein Umbruch bevor, der alle Branchen erfassen wird. Wenn Google das selbstfahrende Auto baut, was bleibt dann noch für, sagen wir: Volkswagen?

Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom, sieht da gute Chancen, weil Deutschland "einen ganz großen Vorteil in den klassischen Industriebereichen hat, wo wir die Digitalisierung - wie wir sie bisher verstanden haben - hervorragend gemanagt haben". Deutsche Auto- und Maschinenbauer hätten Weltgeltung und seien Weltspitze. Jetzt gelte es, den nächsten Schritt hin zu Industrie 4.0 zu machen, "also die Digitalisierung in den Wertschöpfungsnetzen der Produktion zu verwenden, um am Ende noch besser und schneller produzieren zu können", sagt Kempf im DW-Gespräch.

Dieter Kempf (Foto: dpa)
Bitkom-Chef Dieter Kempf sieht "gute Chancen"Bild: picture-alliance/dpa

Digitales Wirtschaftswunder?

Aber diesen Schritt hin zu Industrie 4.0, den muss man eben auch machen können. Der Wettlauf um die neuen Standards hat längst begonnen und Deutschland droht abgehängt zu werden. Die Gefahr ist erkannt, die Regierung ruft vorsichtshalber schon mal das "digitale Wirtschaftswunder" aus. Doch das alleine reicht nicht aus, zu vieles ist noch unklar. Microsoft Deutschland hat dem Bundeswirtschaftsminister hier in Hannover daher ein Memorandum überreicht, das beschreibt, wie man dieses Wunder vollbringen könnte. "Digitalisierung ist nichts für Solisten," sagt Microsoft-Manager Klaus von Rottkay gegenüber DW. "Wir brauchen wirklich einen Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft."

Das selbstfahrende Google Auto (Foto: Google/dpa)
Wenn Google Autos baut, was wird dann aus VW?Bild: picture-alliance/dpa/Google

Von Rottkay sieht Deutschland vor einer Weichenstellung. Momentan stehe das Land noch im oberen Mittelfeld, "aber wir wollen natürlich an die Spitze und nicht zurückfallen ins hintere Mittelfeld." Er sieht es pragmatisch: "Wir müssen mehr machen und weniger reden." Da gehe es um die Umsetzung innovativer Ideen, um Gründertum, um Aufbruchsstimmung, um Mut zum Vorangehen und "dass wir einfach mal Standards setzen anstatt immer nur darüber zu diskutieren."

Alles wird digital

Manche Debatte muss natürlich geführt werden, wenn es etwa um den Umgang mit riesigen Datenmengen geht, um Speicherorte, die außerhalb der Firma liegen, oder um die Sicherheit der Geschäftsgeheimnisse auf dem firmeneigenen Server. Doch so wichtig das Reden darüber auch ist, es bleibt nicht viel Zeit. Klaus Leukert, Technologiechef beim Software-Konzern SAP ist ganz sicher: "Alles, was digitalisiert werden kann, wird früher oder später, aber eher früher digital werden." Allerdings müsse der Anwender immer einen Vorteil haben, sonst würde es nicht funktionieren: "Dort, wo Technologie überhand nimmt und Komplexität nicht mehr beherrschbar ist, wird sich die Technologie nicht durchsetzen." Die Kunst werde sein, die Technologie für den Endbenutzer "so einfach wie möglich zu machen."

Und: Für das ganze schöne Internet der Dinge braucht es vor allem eines: Superschnelle Netze, denn die Kommunikation zwischen den Dingen soll ja möglichst ohne Zeitverlust geschehen. Vodafone zeigt hier auf der Cebit einen Versuch mit dem vorerst 5G genannten nächsten Mobilfunkstandard - 1000mal schneller als der heute gebräuchliche LTE-Standard. Auch bei der Deutschen Telekom dreht sich alles um die Vernetzung für das "Wirtschaftswunder 4.0", wie überall auf dem riesigen Messestand zu lesen ist.

Nicht alles kommt aus dem Silicon Valley

Telekom-Chef Tim Höttges (Foto: dpa)
Telekom-Chef Tim Höttges: "Wir werden immer besser."Bild: picture-alliance/dpa

Telekom-Chef Tim Höttges verweist schon mal auf den starken Industriekern in Deutschland. Und der entwickele sich weiter, was die Software betrifft. "Wir werden immer besser, was die Digitalsierung betrifft, was die Standardisierung der Protokolle betrifft - das heißt, dass die unterschiedlichen Anwendungen miteinander 'sprechen' können", so Höttges gegenüber der DW. Diese Entwicklung habe aber gerade erst begonnen, "und da ist es zu früh zu sagen, wir sind vorne, wir sind hinten. Wir haben die besten Voraussetzungen, um mit diesem Geschäftsmodell erfolgreich zu sein."

Das sieht Karl-Heinz Streibich genau so. Er ist Chef der Software AG, einem Unternehmen aus Darmstadt, das sich zu den Top Five der europäischen IT-Branche zählt. Das Kerngeschäft ist die Analyse großer Datenmengen, auf der CeBIT wurde eine digitale Business-Plattform vorgestellt, die jedem Unternehmen eine maßgeschneiderte Lösung ermöglicht. Die Zeit der Standard-Software sei vorbei, sagt Streibich. Auch er sieht das Thema Digitalisierung am Standort Deutschland als eine Herausforderung für die gesamte Industrie. "Es geht darum, was wir gemeinsam schaffen." Denn Digitalisierung sei kein Selbstzweck, sondern sie helfe der Industrie, wettbewerbsfähig zu bleiben und sich auf die Zukunft vorzubereiten. "Und da haben wir eine exzellente Ausgangsposition in Deutschland, weil wir eine Industrienation sind."

Es scheint also doch so, dass nicht alles, was digital ist, aus dem Silicon Valley kommt. Und in den USA weiß man Software "Made in Germany" offenbar zu schätzen: Die Software AG macht jedenfalls mehr als ein Drittel ihrer Geschäfte auf der anderen Seite des Atlantiks - und nur 15 Prozent auf dem Heimatmarkt.