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Was kann Berlin noch ändern?

Kay-Alexander Scholz25. September 2014

Die Opposition im Bundestag befürchtet, dass die Versprechen der Bundesregierung, das Freihandelsabkommen Ceta noch zu ändern, ins Leere laufen. Was derzeit aus Brüssel zu hören ist, bestärkt diesen Eindruck.

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Sigmar Gabriel im Bundestag Debatte zum TTIP (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Rainer Jensen

Das ist derzeit wahrlich keine einfache Situation für Sigmar Gabriel. Als SPD-Vorsitzender muss er den Ängsten in seiner Partei und auch denen der Gewerkschaften mit Entschlossenheit entgegentreten: Es geht um die geplanten Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA. Das tat Gabriel am vergangenen Wochenende auf einem Parteikonvent, auf dem rote Linien für diese Abkommen gezogen werden sollten. Als Bundeswirtschaftsminister aber muss er primär die erhofften Wohlstandsgewinne verteidigen. Nun haben Vertreter der Oppositionsparteien im Bundestag Gabriel dazu aufgerufen, dass er seinen Versprechungen auch Taten folgen lässt.

Der Beschluss des SPD-Konvents, den Abkommen die Giftzähne zu ziehen, sei richtig gewesen, sagte der stellvertretende Linksfraktionsvorsitzende Klaus Ernst. "Doch dieser Beschluss nützt nix - wenn er wirksam werden soll, dann muss er Beschlussvorlage in diesem Parlament werden", forderte Ernst. Sollte wie geplant die EU-Kommission, die sich für die deutsche Position nicht zu interessieren scheine, am Freitag die Ceta-Verhandlungen für beendet erklären, dann sei das eine "Nagelprobe", sagte Alexander Ulrich, ebenfalls von der Linkspartei. "Die Öffentlichkeit erwartet, dass Sie morgen vor die Presse gehen und klar sagen, dass Sie das ablehnen."

Gabriel: "Ceta" nicht in den Orkus werfen

Doch das wird Gabriel wohl nicht tun. In einer der bisher lebendigsten Debatten der Legislaturperiode verwies er auf ein Schreiben der Bundesregierung an die EU-Kommission vom 12. September, in dem Nachbesserungen beim Investitionsschutz gefordert wurden. Dieser Teil sei für Deutschland nicht zustimmungsfähig. "Wir handeln nicht anders, als wir öffentlich reden", verteidigte sich Gabriel. "Wir haben das längst schon getan, was Sie gefordert haben", sagte er in Richtung Oppositionsbank.

Außerdem versprach Gabriel einen weiteren Anlauf in Brüssel bei der EU-Kommission zu nehmen, wo Ceta in den vergangenen fünf Jahren verhandelt wurde. Deutschland wolle die umstrittenen Schutzklauseln für Konzerne in letzter Minute stoppen und könne dabei wohl unter anderem auf die Unterstützung der Österreicher bauen.

Eines machte Gabriel aber auch deutlich: Ceta jetzt in den "Orkus zu werfen", sei der falsche Weg. Es ginge nur darum, Korrekturen durchzusetzen.

Hoffen auf die EU-Kommission

Doch die EU-Kommission zeigt sich bisher wenig beeindruckt von den Bedenken aus Deutschland - im Gegenteil. Handelskommissar Karel de Gucht habe, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Donnerstag berichtet, Nachverhandlungen eine klare Absage erteilt. "Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot". Er übte dahingehend scharfe Kritik unter anderem an der Bundesregierung.

EU-Kommissar Karel De Gucht (Foto: dpa)
EU-Kommissar Karel De Gucht: "Keine Nachverhandlungen"Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Gabriel setzte sich im Bundestag darüber hinweg, indem er dem nur noch bis Ende Oktober im Amt verbleibenden EU-Kommissar die Kompetenz absprach. "De Gucht geht in Rente und das ist auch gut so." Mit dem zukünftigen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker könne man dagegen besser reden, so hofft Gabriel. Juncker habe deutlich gemacht, dass es kein Abkommen um jeden Preis geben dürfe und die Rechtsstaatlichkeit gelten müsse.

Gemischt oder nicht?

Bis dato haben Bundestag und Bundesregierung bei Ceta und TTIP gar kein direktes Mitsprachrecht. Die Verhandlungen werden von der EU-Kommission geheim geführt. Gabriel versucht derzeit, daran im Nachhinein etwas zu verändern. Bisher galten als Vertragspartner Kanada beziehungsweise die USA auf der einen und die EU-Kommission auf der anderen Seite. Ein vom Wirtschaftsministerium Anfang der Woche vorgestelltes Gutachten besagt, dass beide Abkommen "gemischte" Abkommen seien, bei dem auch die Kompetenzen der EU-Mitgliedsländer berührt seien. Somit hätten diese dann auch ein Mitspracherecht, die Parlamente müssten ihr Okay geben.

Diese Frage wird die neue EU-Kommission klären müssen. Eine öffentliche Debatte über die Handelsabkommen aber scheue Brüssel, merkte Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen, an. Er und andere Redner seiner Partei, die ein Freihandelsabkommen nicht grundsätzlich ablehnt, unterstrichen noch einmal, wie hoch die Bedenken in der Bevölkerung gegenüber Ceta und TTIP seien. Viele Fragen zu den Folgen der Abkommen seien weiterhin offen. "Es gibt keine klare Antwort, wie das europäische Vorsorgeprinzip geschützt werden soll", sagte Katharina Dröge. Sie zweifle zudem an der Prognose, wonach keine Arbeitsplätze verloren gingen. Bärbel Höhn befürchtet Schadensersatzklagen gegen ihr Bundesland Nordrhein-Westfalen, das ein Fracking-Moratorium erlassen habe, ähnlich wie es im kanadischen Quebec geschehen sei. Die Grünen wollen ein "gutes Abkommen", das zu höchsten Standards führe, aber Ceta sei "voller Risiken für Verbraucher und die Umwelt", fasste Hofreiter zusammen.

Die Debattenbeiträge aus der CDU/CSU-Fraktion beschränkten sich weitestgehend darauf, für die Freihandelsabkommen zu werben. CDU-Generalsekretär Peter Tauber kritisierte die Opposition und forderte eine Diskussion ohne die "typische german Angst".