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Ceuta und Melilla als Fluchtpunkte nach Europa

29. September 2005

Der Ansturm afrikanischer Einwanderer auf die Außengrenze der EU im Mittelmeer hält unvermindert an. Zu Hunderten versuchen sie, über die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla auf europäisches Territorium zu kommen.

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Flüchtlingslager in MelillaBild: dpa


Die Menschen kommen aus Ländern wie Nigeria, Kamerun oder Mali. Um den Zaun von Melilla zu erreichen, waren sie monatelang unterwegs. Sie mussten - teils als blinde Passagiere, teils in Fußmärschen - die Sahara, Algerien und Marokko durchqueren. Unmittelbar vor ihrem Ziel sind die Afrikaner in ihrer Verzweiflung zu allem entschlossen.

Mit selbst gebastelten Leitern unter dem Arm pirschen sie sich an den Grenzzaun heran, der Melilla von Marokko trennt. Sie lehnen ihre Leitern an den Maschendraht und versuchen, über die Absperrungen und den Stacheldraht zu kommen. Spanische Grenzbeamte rücken mit Knüppeln und Gummigeschossen an, um den Ansturm abzuwehren. "Aber die Immigranten springen zu dritt auf einen Beamten", berichtet ein Polizist.

Europa auf afrikanischem Boden

Melilla liegt auf afrikanischem Boden, gehört aber sei 1497 zu Spanien. Im Osten grenzt die Stadt ans Mittelmeer, ansonsten ist sie umgeben von marokkanischem Territorium. Die Grenze ist schwer gesichert. In den vergangenen Tagen haben etwa 1000 Afrikaner versucht, den Zaun zu überwinden und damit auf EU-Territorium zu kommen. Ungefähr jeder fünfte hat es geschafft. Ein ähnlicher Anlaufpunkt für illegale Immigranten ist die Halbinsel Ceuta, eine spanische Exklave an der Meerenge von Gibraltar. Bis zu 600 Menschen haben dort am Donnerstag (29.9.) versucht, die Grenzanlagen zu überklettern. Dabei kamen mindestens vier Menschen ums Leben. Einer der Männer blieb laut Agenturangaben im Zaun hängen, der Ceuta umgibt, ein anderer wurde vermutlich totgetrampelt, gab das spanische Innenministerium bekannt. Zwei weitere Tote hat die Küstenwache später auf der marokkanischen Seite der Grenzanlage gefunden. Zu dem Vorwurf, es sei auf die Menschen geschossen worden, äußerte sich das Innenministerium nicht, es soll aber eine Untersuchung geben.

Letzte Gelegenheit?

Entlang der zehn Kilometer langen Grenze von Melilla sollen die Sperrzäune von drei auf sechs Meter erhöht werden. Die Arbeiten seien bis Februar 2006 abgeschlossen, teilte Staatssekretär Antonio Camacho mit. Die Polizeigewerkschaft verurteilte die Maßnahmen als völlig unzureichend. Beobachter vermuteten, dass diese Befestigungsarbeiten den jüngsten Zustrom ausgelöst haben könnten. Viele Afrikaner wollten ihre möglicherweise letzte Chance nutzen, nach Melilla zu gelangen.

In Marokko halten sich nach Schätzungen des Innenministeriums in Rabat etwa 20.000 Menschen aus Ländern südlich der Sahara auf, die nach Spanien gelangen wollen. Bei der Polizei erhalten sie Ausweisungsbefehle. Diese können aber in aller Regel nicht vollzogen werden, weil die Afrikaner falsche Heimatländer angeben oder weil viele Staaten südlich der Sahara die Ausgewiesenen nicht aufnehmen und es keine Abschiebe-Abkommen gibt.

Auffanglager überfüllt

Der Ausweisungsbefehl gibt den "Illegalen" das Recht, in einem Auffanglager Quartier zu beziehen. Diese Lager sind inzwischen völlig überfüllt. Damit alle Bewohner ein Dach über dem Kopf haben, hat die Armee Zelte aufgebaut. Normalerweise bleiben die Zuwanderer ein paar Wochen in den Lagern, dann werden sie auf andere Lager auf der iberischen Halbinsel verteilt. Wenn sie nach Ablauf einer Frist von 40 Tagen nicht abgeschoben werden können, müssen sie freigelassen werden. Im günstigsten Fall erhalten sie eines Tages sogar das Bleiberecht, wenn Spanien - wie schon häufiger geschehen - wieder einmal eine Sonderaktion zur Legalisierung von Ausländern startet.

Spanien und Marokko müssen Lösung finden

Konservative Politiker in Spanien werfen der marokkanischen Regierung vor, nichts zu unternehmen, um den Zustrom zu stoppen. Dagegen betont Marokko, dass es allein überfordert sei. Nach Ansicht marokkanischer Politiker soll die Europäische Union helfen, Auffanglager zu errichten und illegale Zuwanderer in deren Heimat abzuschieben. Außerdem könne die EU Druck auf Algerien ausüben, dem Zustrom Einhalt zu gebieten. Die "Illegalen" gelangen in der Regel durch Algerien nach Marokko. Beide Nachbarstaaten sind wegen des Westsahara-Konflikts zerstritten. Auch Melilla und Ceuta sind ein heikles Thema, weil Marokko Ansprüche auf die Exklaven erhebt.

Nach Angaben des marokkanischen Verbands der Freunde und Familien von Opfern illegaler Einwanderung (AFVIP) steigt die Zahl der Flüchtlinge im Norden Marokkos konstant an. Vor fünf Jahren seien es nicht mehr als 400 gewesen, seit Januar 2005 haben mindestens 12.000 Menschen versucht, über Melilla nach Spanien zu kommen. Andere versuchen, mit Hilfe von Schlepperbanden von Nordafrika aus über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. (arn)