Charles Akonnor: Mit Ghana zur WM
17. März 2021Als Kurt Okraku, der Präsident des ghanaischen Fußballverbands, im Januar 2020 Charles Akonnor als neuen Nationaltrainer vorstellte, gab er dem ehemaligen Bundesliga-Profi lächelnd einen schweren Satz mit auf den Weg. Gefragt nach den Zielen mit dem neuen Mann am Ruder wandte er sich Akonnor zu und meinte lächelnd: "Gewinne den nächsten Afrika-Cup und führe Ghana zur WM-Endrunde 2022 in Katar".
Einen schwereren Rucksack hätte Okraku dem "Neuen" wohl kaum mit auf den Weg geben können. Doch Akonnor machte gute Miene zum heiklen Spiel und widersprach seinem Chef nicht: "Es wird natürlich schwer und wir müssen alle an einem Strang ziehen, um unsere hohen Ziele zu erreichen. Aber ich lege die Latte auch gern hoch, denn ich will etwas bewegen in Ghanas Fußball."
Aufregung nach Testspiel-Niederlage gegen Mali
Gut ein Jahr später ist Charles Akonnor mittendrin in seinem Job als Trainer der "Black Stars". Endlich! Denn das Coronavirus schlug auch in seinem Heimatland mit voller Wucht zu und verhinderte fast alle geplanten Aktivitäten des neuen Nationaltrainers. Da der Fußball zeitweise komplett ausgesetzt wurde, kam Akonnor erst im Oktober zu seinem ersten Einsatz in einem Testspiel. Nachdem dies mit 0:3 trübe gegen Mali verloren ging, war Akonnor heilfroh, dass drei Tage später im Test gegen WM-Gastgeber Katar ein klarer 5:1-Erfolg gelang. Im November folgte dann in der Qualifikation zum Afrika-Cup ein 2:0-Erfolg gegen den Sudan.
Denn schon nach der ersten Niederlage war die Presse sozusagen "auf dem Baum" - in der Öffentlichkeit wurde alles in Frage gestellt. "Der Druck hier in Ghana ist als Nationaltrainer enorm. Gar nicht zu vergleichen mit Europa. Hier will jeder mitreden, mitbestimmen und weiß alles besser. Verliert man einmal, ist man gleich der Trottel", sagt der 47-Jährige im Gespräch mit der DW.
Tugenden aus der Profi-Zeit in Europa
Da scheint es von Vorteil zu sein, wenn man sich als Trainer und Mensch ein "dickes Fell" im Hinblick auf persönliche Angriffe von außen aneignet. Das hat Akonnor im Laufe seiner Trainerlaufbahn getan - denn er hat in Ghana bereits seine Erfahrungen sammeln können. Gleich nach Beendigung seiner aktiven Karriere wurde er Co-Trainer im Nachwuchsbereich des ghanaischen Verbandes, parallel dazu machte er bei der UEFA Trainerscheine und absolvierte Praktika bei europäischen Klubs. Er hospitierte in Tottenham, Wolfsburg, Nürnberg, bei Celtic Glasgow und Manchester City, ehe er 2009 in Ghana bei den Eleven Wise in Sekondi sein erstes Amt als Sportdirektor übernahm.
Dort und später als Cheftrainer bei den Hearts of Oak in Ghanas Hauptstadt Accra, sowie beim Dreams FC, vor allem aber ab 2016 bei Ashanti Gold FC, feilte er an seinem Ruf als "Deutscher mit schwarzer Haut". "Ich habe meinen Spielern immer vermittelt, dass die Disziplin, die ich als Profi in Europa gelernt habe, ein Schlüssel zum Erfolg ist", erklärt Akonnor. "Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit - in Ghana keine der herausragenden Tugenden - stehen für mich ganz weit oben. Daher dieser Spitzname."
Zu dünn für Deutschlands 2. Liga
Die Liebe zu Deutschland und den Kontakt dorthin hat er im Übrigen nie verloren. "Meine Familie lebt nach wie vor in Hannover", erklärt er. Er reist also nach wie vor so oft wie möglich nach Niedersachsen, zumal er dort auch noch einige Freunde hat. Auch aus seiner Zeit als Profi. "Mit Roy Präger, René Deffke und Hans Sarpei stehe ich ständig in Kontakt", sagt Akonnor.
Überhaupt, Deutschland: Dorthin wechselte er 1992. In Nungua, einem kleinen Vorort der Hauptstadt Accra aufgewachsen, war Akonnors Fußballtalent in der örtlichen Schule erkannt worden. Schon mit 14 Jahren wechselte er zu Okwahu United in die erste ghanaische Liga. Als er 18 war, klopfte über einen Afrika-kundigen Berater der deutsche Zweitligist Fortuna Köln an.
Dort waren sie bei Akonnors Ankunft zunächst erschrocken über dessen geringes Gewicht. Klubpatron Jean Löring verordnete ihm zunächst einmal wochenlang deftiges Mittagessen im Vereinslokal "Bacchus", ehe Akonnor sechs Jahre lang für die Fortuna im Mittelfeld Regie führte. 1998 verpflichtete ihn Zweitligist FC Gütersloh, verkaufte ihn aber direkt weiter an Crystal Palace in England. Weil beim Londoner Klub der Eigentümer wechselte, platzte der Deal und Akonnor war wieder auf dem Markt. Diese Gelegenheit nutzte der VfL Wolfsburg, wo der damals 24-Jährige zum stabilen Bundesligaprofi und schließlich auch zum ghanaischen Nationalspieler wurde.
Druck in der Qualifikation
2009 beendete Charles Akonnor seine aktive Karriere, als Trainer verschlug es ihn erst einmal in die alte Heimat. Er rettete Ashanti Gold in der Saison 2016/17 vor dem Abstieg und führte den Klub in der Saison darauf auf den dritten Rang in der ghanaischen Premier League. Top-Klub Asante Kotoko wurde aufmerksam und verpflichtete Akonnor zur Spielzeit 2018/19. Auf Anhieb führte er den Klub zur Meisterschaft und sorgte mit seinem Team auch international für Furore, indem er die Gruppenphase des afrikanischen Confederations-Cup erreichte. Akonnor wurde am Ende der Saison zu Ghanas "Trainer des Jahres" erkoren, wenig später kam der Ruf des Nationalteams.
Leider aber kam auch Corona - und der eher unglückliche Einstand als Nationaltrainer. In der Qualifikation zum Afrika-Cup, der im Januar 2022 in Kamerun stattfinden wird, steht Akonnor in den restlichen beiden Spielen schon wieder unter enormem Druck. Am 22. März in Südafrika und eine Woche später in Sao Tomé entscheidet es sich: Gewinnt Ghana nur eines der beiden Spiele, ist das Team in Kamerun dabei. "Es gilt volle Konzentration auf das Spiel in Südafrika - dort wollen wir mit einem Sieg schon alles klar machen", sagt Akonnor.
"Müssen unser Nationalteam verjüngen"
Dabei hat er es im Laufe der Vorbereitung auf die beiden Spiele schon wieder mit Anfeindungen aus allen Richtungen zu tun. Sowohl ehemalige Nationalspieler Ghanas sowie Funktionäre und unzählige Pressevertreter kritisieren, dass ihr Nationaltrainer in der Vorbereitung zu den Spielen fast ausschließlich auf Spieler aus der heimischen Premier League setzte.
"Das war erst einmal eine reine Vorsichtsmaßnahme", erklärt Akonnor, der im letzten Herbst wegen des Coronavirus' kurzfristig auf fast alle Europa-Legionäre des Teams verzichten musste. "Ich habe mir die besten Jungs hier aus der Liga im Trainingscamp zwei Wochen lang intensiv anschauen können. Das ist auch im Hinblick auf die Zukunft eine wichtige Sache, denn wir wollen und müssen unser Nationalteam deutlich verjüngen."
Vorerst wird er aber noch zurückgreifen auf Altstars wie die Ayew-Brüder Andre und Jordan, Kwadwo Asamoah oder Christian Atsu. "Ganz ohne sie geht es noch nicht, wir brauchen in den entscheidenden Spielen ihre Erfahrung", sagt Akonnor. Auch im Hinblick auf die WM-Qualifikation, die in Afrika eine besonders schwierige Angelegenheit ist, weil der Kontinent bei der WM-Endrunde nur fünf Startplätze erhält. In der Vorrundengruppe trifft Ghana wieder auf Südafrika, zudem auf die Außenseiter Simbabwe und Äthiopien. Nur der Gruppensieger kommt weiter und muss anschließend ein K.o.-Duell gegen einen anderen Gruppensieger für sich entscheiden, um dann im Winter 2022 tatsächlich in Katar dabei zu sein.