Leclerc: Geschlagener Sieger in Bahrain
31. März 2019"Ich weiß, dass es im Moment total zum Kotzen ist, aber du hast eine große Zukunft vor dir!" Mit diesen aufbauenden Worten versuchte Tagessieger Lewis Hamilton den eigentlichen Gewinner des Tages zu trösten. Charles Leclerc hatte beim Großen Preis von Bahrain lange Zeit wie der sichere Sieger ausgesehen. Von der Pole Position ins Rennen gegangen verlor der junge Monegasse das Startduell zwar gegen seinen Teamkollegen Sebastian Vettel, doch wenige Runden später war er so deutlich schneller als der deutsche Vierfach-Weltmeister, dass auch die Ferrari-Rennleitung keine Argumente mehr hatte, ihn an Position zwei zu halten. Leclerc zog also vorbei und dominierte fortan das Rennen. Sein Vorsprung auf den Teamkollegen betrug teilweise neun Sekunden, ohne dass Vettel in der Lage gewesen wäre, die Lücke zu verkleinern.
Doch dann kam, als eigentlich alles für den sensationellen ersten Karriere-Sieg Leclercs bereitet war, doch noch der Schock, vermeldet von Leclerc selbst: "Ich habe Probleme mit meinem Motor", sagte er in Runde 46 von 57 und kurz danach: "Was passiert hier gerade?"
Seine Boxenmannschaft konnte es ihm zunächst nicht beantworten. Sie musste genau wie der Pilot hilflos dabei zusehen, wie Verfolger Hamilton Sekunde um Sekunde aufholte und schließlich, in Runde 48, mühelos vorbeizog. In der Ferrari-Box gefroren die Gesichter. Später stellte sich heraus: Das Energie-Rückgewinnungssystem war kaputt, Leclercs Boliden fehlten daher rund 160 PS Leistung.
Vettel verliert den Flügel
Schon zuvor war das Glück nicht auf Seiten der "Roten": Sebastian Vettel, zu dieser Zeit Zweiter, hatte Hamilton passieren lassen müssen und drehte sich. Kurze Zeit später flog ihm der Frontflügel ohne Fremdeinwirkung um die Ohren, geriet funkensprühend unters Auto und von dort von der Strecke. Vettel musste an die Box, das Rennen war gelaufen.
Nun also auch noch Leclerc, der das Rennen für Ferrari hätte retten können. Und der bereits mit dem Sieg im Qualifying am Samstag ein großes Ausrufezeichen gesetzt hatte. Doch statt Platz eins drohte nun der Totalverlust: Valtteri Bottas und Max Verstappen kamen in den letzten Runden des Rennens immer näher heran. Bottas ließ den armen Leclerc, der seinen Boliden jetzt nur noch im Schongang über den Kurs lenkte, in Runde 54 hinter sich. Auch Verstappen tauchte bereits im Rückspiegel auf, als bei allem Ferrari-Pech doch noch einmal die Glücksgöttin eingriff.
Renault-Ausfall und Safety Car
"Wir waren glücklich in einer glücklosen Situation", kommentierte Leclerc nach dem Rennen bei den Interviews vor der Siegerehrung. "Zum Glück kam das Safety Car!" Tatsächlich war es reines Glück, das Leclerc den dritten Platz rettete - beziehungsweise das große Pech bei Renault. Unerklärlicherweise fielen beide Renaults ebenfalls in der 54. Runde nahezu exakt zeitgleich aus, weil sich die Motoren der Boliden von Nico Hülkenberg und Daniel Ricciardo einfach abschalteten. Hülkenberg, der bis dahin ein starkes Rennen gemacht hatte und Sechster war, musste sein Auto an einer ungünstigen Stelle parken. Das Safety Car kam raus und rettete Leclerc damit. Denn da es bis zum Rennende auf der Strecke blieb, gab es keine Möglichkeit mehr für Verstappen zu überholen.
Charles Leclerc wusste daher nach dem Rennen gar nicht so recht, was er fühlen sollte. Die Enttäuschung war ihm deutlich anzumerken. Er entschuldigte sich sogar bei seinen Mechanikern, dass kein Sieg herausgesprungen war, obwohl er nichts dafür konnte. Andererseits war der junge Monegasse stolz auf seine Leistung: "Das Positive ist, dass wir die Defizite von Melbourne aufgeholt haben", sagte er und sprach sich selbst Mut zu. "Es ist schwer zu verkraften, aber ich bin mir sicher, wir kommen stärker zurück."
Neuer Konkurrent
Der Konkurrenz sollte diese Ansage Sorge bereiten. Bei Mercedes hat man gesehen, dass mit Leclerc zu rechnen ist. Symptomatisch war der gedankenschwere und ernste Blick von Mercedes-Motrorsportchef Toto Wolff, der die Zieldurchfahrt und den Doppelsieg seiner Piloten sehr nachdenklich betrachtete. Auch Sebastian Vettel wird sich seine Gedanken machen müssen. Denn unabhängig von seinem Pech mit Dreher und Frontflügel-Verlust war er nicht in der Lage, mit Leclerc Schritt zu halten. Der Titelverteidiger und glückliche Tagessieger Lewis Hamilton brachte es auf den Punkt: "Dieser Junge", sagte er und nahm Leclerc dabei freundschaftlich in den Arm, "wird in Zukunft noch einige Siege einfahren."