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Schlag ins Gesicht

Das Interview führte Ralf Bosen.24. Juli 2012

Der EU-Parlamentarier Chatzimarkakis warnt vor den Folgen eines griechischen Austritts aus der Euro-Zone. Im DW-Interview erhebt er außerdem schwere Vorwürfe gegen seinen FDP-Kollegen Rösler.

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Eine Porträtaufnahme von Jorgo Chatzimarkakis, Mitglied des Europäischen Parlaments (FDP) (Foto: Karlheinz Schindler)
Deutschland EU MdEP Jorgo Chatzimarkakis FDPBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Chatzimarkakis, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hat anscheinend kein großes Vertrauen mehr in Griechenland. Er gibt dem Land kaum noch Chancen, in der Euro-Zone zu verbleiben. Schließen Sie sich der Meinung Ihres FDP-Kollegen an?

Jorgo Chatzimarkakis: Keineswegs. Ich halte es sogar für kein gutes Regierungsverhalten, am Tag bevor die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF in Athen anreist und sich einen Überblick verschaffen kann, eine solche Aussage zu machen. Ein Generalsekretär einer bayrischen Provinzpartei - wenn sie auch mitregiert - kann das machen. Ein Vizekanzler kann das nicht machen. Einem Vizekanzler steht es zwar zu, seine Meinung zu äußern, aber damit hat er natürlich den Daumen gesenkt, bevor überhaupt ein Ergebnis feststeht.

Nun steht Philipp Rösler nicht alleine da, denn der Chor der Griechenland-Kritiker ist wieder lauter geworden. Der Internationale Währungsfonds IWF will anscheinend über die bisherigen Zusagen hinaus keine Kredite mehr zur Verfügung stellen. Es wird immer ernster.

Es wird ein derartiger Druck erzeugt und eine solche Erwartungshaltung gegenüber den Griechen aufgebaut, dass eigentlich nichts anderes als eine Auflösung der Eurozone übrig bleibt. Denn bei einem Austritt Griechenlands wird es natürlich nicht bleiben. Wenn ein Land die Eurozone verlässt, dann werden weitere folgen müssen. Die Verhältnisse in Spanien spitzen sich zu. Auch in Italien ist die Situation nicht leichter geworden. Alle, die den Druck erhöhen, treiben Deutschland in eine gespaltene Euro-Zone und damit diejenigen, die vom Export leben in eine sehr schwierige Situation. Wir werden eine Hart- und eine Weichwährungszone bekommen. Wir hätten es verhindern können, aber wir haben es nicht getan!

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bei einer Rede im Bundestag (Foto: dpa)
Philipp Rösler glaubt nicht an GriechenlandrettungBild: Picture-Alliance/dpa

Könnte es nicht auch sein, dass Griechenland austritt und die Euro-Zone bestehen bleibt?

Griechenland kann nicht zum Austritt gezwungen werden. Es müsste sich um einen freiwilligen Austritt Griechenlands handeln. Wenn Griechenland allerdings dazu gezwungen würde und nichts anderes übrig bleibt, dann würde das Vertrauen in die Zukunft der Euro-Zone massiv erschüttert. Ich bin absolut der festen Überzeugung, dass es so kommen wird, wie ich das gerade gesagt habe. Jede weitere Handlung in diese Richtung wird die Euro-Zone auflösen. Wenn das Einige wollen, dann müssen sie das auch verantworten.

Sie haben gute Kontakte nach Griechenland. Wie glauben Sie, kommen diese Nachrichten in dem Land an?

Ich befinde mich gerade in Griechenland und kann sagen, dass die Botschaft von Herrn Rösler intensiv diskutiert wird und weiterhin zu Angst führt. Was hier nicht verstanden wird, ist der Zeitpunkt seiner Äußerung: Nämlich kurz vor dem Eintreffen der Troika. Die Kanzlerin weiß, warum sie solche Aussagen ebensowenig macht wie der Bundesfinanzminister. Der Vizekanzler hat sich zu dieser Aussage entschlossen und wird damit Reaktionen verursachen. Die griechische Politik kämpft gerade darum, die Maßnahmen, die in der Wahlkampfzeit leider nicht umgesetzt wurden, jetzt sehr rasch umzusetzen. Für die ist es ein Schlag ins Gesicht. Besonders für den neuen Finanzminister Stournaras, der wirklich alles gibt, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich verweise darauf, dass Ministerpräsident Samaras mit Polizei und Militärgewalt gegen Streiks in einer zentralen griechischen Industrie vorgegangen ist. So was gab es früher nicht. Die neue griechische Regierung hat mich positiv überrascht. Sie kämpft wirklich um die Reformen. Deshalb ist es meines Erachtens wirklich unverantwortlich, in so einer Situation aus Deutschland - dem Land, das die Euro-Zone am stärksten prägt, aber auch am stärksten von ihr abhängig ist - solche Kommentare zu hören.

Die so genannte Troika wird in Athen die Reformen untersuchen. Ist denn das, was bisher geschehen ist, auch wirklich ausreichend? Es gibt kritische Stimmen, die sagen, dass die Maßnahmen der Regierung in Athen nicht ausreichen.

Ich habe nicht gesagt, dass die Reformen ausreichend vorangeschritten sind. Ich habe gesagt, dass in der Wahlkampfzeit Reformen komplett ausgeblieben sind. Dass die neue Regierung, die erst seit wenigen Wochen im Amt ist, erstaunliche Schritte unternommen hat. Das Land braucht diese Reformen. Es ist unverantwortlich von den Griechen gewesen, das Reformpaket von vornherein verschmäht zu haben. Denn sehr viele Reformschritte, wie zum Beispiel die Privatisierung und die Kürzungen im öffentlichen Sektor, sind überlebensnotwendig. Jetzt werden die Reformen umgesetzt und man sollte den Griechen dafür Zeit geben. Allerdings wird die Troika auch in Rechnung ziehen, was in den letzten Tagen passiert ist. Deshalb hätte man ihren Bericht dringend abwarten müssen, bevor man sich von deutscher Regierungsseite aus zu so einer heftigen Aussage hinreißen lässt.

Ein Demonstrant wird von mehreren Politzisten überwältigt (Foto: REUTER)GREECE - Tags: POLITICS CIVIL UNREST BUSINESS)
Polizisten gehen in Athen gegen randalierende Demonstranten vorBild: Reuters

Der FDP-Politiker Georgios "Jorgo" Chatzimarkakis (geboren am 21. April 1966 in Duisburg) ist seit Juli 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments und gehört der ALDE-Fraktion (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) an. Chatzimarkakis ist deutscher Staatsbürger mit griechischen Wurzeln.