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"Chief Hijangua": Erste namibische Oper in Berlin

Sarah Hucal
15. September 2023

"Chief Hijangua" handelt von der schwierigen Beziehung Namibias und Deutschlands aufgrund der Kolonialzeit. In Berlin feiert die Oper nun Europapremiere.

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Männer in Uniformen stehen auf der Bühne nebeneinander. Im Vordergrund sitzt ein Mann neben einer lächelnden Frau in einem hellblauen Kleid.
Mit "Chief Hijangua" kommt die erste namibische Oper nun nach Berlin und EuropaBild: Stefan Höderath

Es ist nichts Außergewöhnliches, dass sich Opernproduktionen mit komplexen Themen von historischer Bedeutung beschäftigen - sei es mit der Französischen Revolution oder dem Fall von Diktatoren wie Julius Cäsar.

Die namibische Oper "Chief Hijangua" wirft einen Blick auf die Geschichte der deutschen Siedler in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Das dunkle Kapitel der deutschen Geschichte war in jüngerer Zeit immer wieder Gegenstand von Filmen, Kunstausstellungen und Theaterstücken. Mit "Chief Hijangua" greift erstmals eine Oper die komplexe Beziehung beider Länder auf.

Die deutsche Regisseurin Kim Mira Meyer und der namibische Komponist und Dirigent Eslon Hindundu hatten mehrere Jahre gemeinsam an der Oper gearbeitet. Vergangenes Jahr wurde "Chief Hijangua" in der namibischen Hauptstadt Windhoek uraufgeführt. An diesem Freitag feiert sie im Berliner Haus des Rundfunks Europapremiere, wo sie auch noch am 16. und 17. September zu sehen sein wird. 

Eine gestikulierende Frau und ein Mann stehen nebeneinander in einem Zuschauerraum.
Deutsch-namibische Teamarbeit: Regisseurin Kim Mira Meyer und Dirigent und Komponist Eslon Hindundu haben viel Herzblut in "Chief Hijangua" gestecktBild: Stefan Höderath

Morde an Herero

Es war im Jahr 1884, als das Deutsche Reich das heutige Namibia, das damals schon lange von den Herero und Nama bewohnt war, an sich riss und zur deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika erklärte. Die Herrschaft der deutschen Besatzer war geprägt von Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt. Als sich die Herero 1904 gegen die deutsche Kolonialherrschaft erhoben, reagierte der deutsche Militärbefehlshaber General Lothar von Trotha mit seinem berüchtigten "Vernichtungsbefehl". 

Die Oper "Chief Hijangua" spielt sich in einer fiktiven Welt ab, die dem späten 19. Jahrhundert und der Landschaft Namibias ähnelt. Sie handelt vom Aufeinandertreffen des Häuptlings Hijangua mit den deutschen Siedlern und von seiner Reise zu sich selbst. "Chief Hijangua" erzähle die Geschichte des Völkermordes jedoch nicht direkt, erklärt der namibische Co-Regisseur Michael Pulse.

Ein Mann in Uniform hält ein Gewehr ins Publikum. Andere Männer in Uniform stehen bzw. sitzen um ihn herum.
Die Rollen sind in "Chief Hijangua" bewusst nicht gemäß der Nationalitäten besetztBild: Stefan Höderath

Deutsche und Namibier in afrofuturistischer Welt vereint

"Wir versuchen die Vorstellung, dass diese Geschichte auf einer Person basiert, die schon tatsächlich gelebt hat, zu vermeiden. Sie spiegelt einige reale Ereignisse wider, aber wir verbinden sie nicht direkt mit der Geschichte Namibias und Deutschlands und dem Völkermord, denn sie spielt in einer Zeit davor - als die deutschen Siedler ankamen und diese beiden Kulturen, die Deutschen und die Herero, zum ersten Mal aufeinandertrafen", so Pulse im DW-Gespräch. In diesem Sinne sei die Oper als Vorgeschichte zu den Schrecken des Völkermordes auf namibischem Boden gedacht. "In der afrofuturistischen Welt, in der diese Oper spielt, sind Deutsche und Namibier vereint", so Pulse weiter. 

Die deutsche Kolonialgeschichte

Pulse: "Sehen Sie die Geschichte oder eine Rasse?"

Überraschend mag zunächst erscheinen, dass die Darstellerinnen und Darsteller nicht nach Nationalität ausgewählt wurden: "Deutsche und Namibier spielen sowohl Dorfbewohner als auch Siedler." Pulse und das Team wollten das Publikum herausfordern und testen, wie es die Besetzung ohne Berücksichtigung von Hautfarbe oder Nationalität bewerten würde. "Unser Major ist schwarz, unser Pastor ist schwarz, wir haben weiße Soldaten, wir haben schwarze Soldaten. Was empfinden Sie also, wenn Sie sich das ansehen? Sehen Sie die Geschichte oder sehen Sie eine Farbe oder Rasse?"

Letztlich seien die Themen, mit denen sich beide in der Oper thematisierten Gruppen - die deutschen Siedler und die Herero - auseinandersetzen, dieselben: "Die Geschichte handelt auf beiden Seiten von Macht, Eifersucht, Gier - der Tatsache, dass Frauen nicht so viel Kontrolle darüber haben, wen sie heiraten, was sie sagen, was sie tragen", erklärt Pulse. "Siehst du diese Dinge, bevor du eine Rasse siehst?"

Michael Pulse, Co-Regisseur der Oper "Chief Hijangua", lächelt in die Kamera.
Co-Regisseur Michael Pulse fordert das Publikum mit Fragen, die die Oper aufwirft, herausBild: Opas

Musikalisch vereint das Werk klassische westliche Klänge mit afrikanischer Musik und enthält zudem Improvisationen - eine Hommage an die mündliche Musiktradition Namibias.

Das Libretto ist zweisprachig, in Otjiherero und Deutsch. Laut Komponist Eslon Hindundu habe man sich hierfür entschieden, um zwei Nationen in Harmonie zusammenzubringen sowie den Geist und die Augen der Namibier zu öffnen und über die Reise nachzudenken, die die Namibier für die heutigen und zukünftigen Generationen unternommen haben.

Vereint durch Geschichte und Musik

In der Tat ist eines der Ziele der Oper, die Menschen aus Namibia durch Musik zu vereinen. So reiste das Team, zu dem der aus Namibia stammende Pulse und die deutsche Regisseurin Kim Mira Meyer gehören, durch das Land und wählte Requisiten aus verschiedenen Regionen des Landes aus, darunter geflochtene Körbe und Kleidungsstücke von verschiedenen ethnischen Gruppen.

Die Europapremiere von "Chief Hijangua" in Berlin ist für Michael Pulse von großer Bedeutung: "Unsere Geschichte verbindet uns seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, und sie wird uns auch weiterhin verbinden, bis zu dem Tag, an dem sich die Geschichte für einige von uns in etwas anderes verwandelt. Aus diesem Grund haben wir die Oper hierher gebracht."

Adaption aus dem Englischen: Bettina Baumann