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China auf dem Weg zur Industrie-Supermacht

Stephan Scheuer (dpa, Peking)27. Mai 2015

China gibt den Startschuss zur Aufholjagd. In zehn Jahren will Peking bei Innovation und Effizienz zu Deutschland aufschließen und bis 2049 Industrie-Supermacht werden. Gefahr und Chance für deutsche Firmen.

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Symbolbild China Industrie Arcelor Mittal Automotive Steel Co. in Hunan
Bild: picture-alliance/dpa

Chinas Regierungschef Li Keqiang kneift die Augen im gleißenden Sonnenlicht zusammen. Die blank polierten Fassaden der Hochhäuser aus Glas und Stahl in Pekings Stadtteil Zhongguancun reflektieren die Mittagsonne. Dutzende junge Männer umringen Li und versuchen, mit ihren Smartphones Fotos zu schließen. Der Ministerpräsident der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt lässt sich wie ein Popstar feiern. Er winkt den Männern zu und setzt sich schließlich in einem Café demonstrativ mit Jungunternehmern zusammen.

Zhongguancun ist nicht irgendein Stadtteil von Peking, sondern so etwas wie Chinas Version vom Silicon Valley. Das Bild vom Regierungschef lachend mit einer Tasse Kaffee in der Hand im Gespräch mit Chinas aufsteigender Internetelite wird von Zeitungen im ganzen Land gedruckt. "Wir müssen von "Made in China" zu "Entwickelt in China" kommen", gibt Li als Losung aus.

Industrie startet Aufholjagd

Chinas private Technologie- und Internetfirmen gelten als Innovationspioniere. Li sieht sie als Vorbilder für tiefgreifende Wirtschaftsreformen, die sein Machtapparat anstrebt. China hat den Startschuss zu einer industriellen Aufholjagd gegeben. Kernstück ist der Plan "Made in China 2025". In zehn Jahren will China bei Innovation, Qualität, Effizienz und Nachhaltigkeit zu Deutschland aufschließen. Unter dem Slogan "intelligente Produktion" strebt Peking eine Modernisierung der Industrie durch Hightech-Technologien an.

China Containerschiff
China will künftig mit hochwertigen Produkten den Weltmarkt beliefernBild: picture alliance/dpa/ChinaFotoPress

Aber die kommenden zehn Jahre sind nur die erste von drei Phasen in der langfristigen Industriepolitik. "Zum 100. Geburtstag werden wir zur führenden Industrie-Supermacht aufsteigen", heißt es im Strategiepapier des Staatsrates.

Inspiration aus Deutschland

Staatlich verordnete Innovation klingt wie ein Widerspruch. Aber Experten messen dem Plan der Regierung große Bedeutung bei. "Wenn China das gelingt, wird es mit Deutschland auf Augenhöhe bei hochwertigen Produkten konkurrieren. Deutschland sollte diese Ambitionen sehr ernst nehmen", schreibt Jost Wübbeke vom Mercator Institut für China-Studien (Merics). China habe sich bei den Reformplänen von Deutschlands Konzepten zu Industrie 4.0 inspirieren lassen, berichtet ein hochrangiger Regierungsbeamter. In dem Strategiepapier taucht der Begriff "Industrie 4.0" zwar nicht explizit auf, aber einige Ideen zur besseren Vernetzung von Branchen sowie dem besseren Einsatz von Technologien ähneln Deutschlands Konzepten. Während in der Bundesrepublik noch über die Reformen debattiert wird, will Chinas Zentralregierung vorpreschen.

Zehn Branchen sollen über den Reformplan zu Höchstleistungen getrieben werden. Zu den Industrien gehören Robotik, IT, Luft- und Raumfahrt und Hochgeschwindigkeitszüge. Während sich Chinas Wachstum verlangsamt und viele Branchen unter einer Überproduktion leiden, sollen die Zukunftsindustrien neue Wachstumsbereiche erschließen und Chinas Wirtschaft auf einen langfristigen Wachstumskurs führen.

Kampfansage oder Chance für Deutsche?

Für die deutsche Industrie könnte das zu einer Herausforderung werden. Aber die Ankündigung muss keine Kampfansage an Deutschlands Firmen sein. Ganz im Gegenteil, argumentiert China-Forscher Wübbeke: "Für deutsche Hersteller und Anbieter von Fabrikanlagen und Unternehmenssoftware eröffnet die Strategie große Geschäftschancen." Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen schlossen Vertreter beider Länder im vergangenen Oktober eine Innovationspartnerschaft. Aber deutsche Verbände streiten, ob sie durch eine Kooperation mit chinesischen Partnern nicht ihre künftigen Konkurrenten aufbauen. Gleichzeitig schottet China manche Marktbereiche ab.

Symbolbild Autos deutscher Herstellung in China
Deutsche Hersteller sollten ihre Chancen in China nutzenBild: imago/T. Frey

Das Forschungsinstitut Merics empfiehlt daher eine Doppelstrategie: "Marktführer wie SAP und Siemens haben die Rolle der Testpiloten auf dem chinesischen Markt. Sie können Risiken besser kontrollieren als kleinere Unternehmen." Mittelständler sollten im Windschatten der Großen fahren, um nicht durch das Risiko von Technologieklau ihre Existenz aufs Spiel zu setzen.