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PolitikAsien

China: Waffenlieferungen an Russland?

4. März 2023

Putin könnte chinesisches Kriegsgerät gut im Krieg gegen die Ukraine gebrauchen. Aber will Peking liefern? Im Westen ist man besorgt und wachsam.

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Chinesische Soldaten hantieren mit Artilleriemunition
Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee bei einem gemeinsamen Manöver mit Russland im August 2021 in Nordwest-ChinaBild: Ding Kai/Xinhua/picture alliance

An der Haltung und Reaktion seines Landes im Falle chinesischer Waffenlieferungen an Russland ließ der amerikanische Außenminister Antony Blinken keinen Zweifel. Sollte China die russische Aggression mit tödlichem Gerät unterstützen oder sich an der systematischen Umgehung von Sanktionen beteiligen, um Russland zu helfen, "wäre das ein ernstes Problem für unsere beiden Länder", sagte er nach einem Treffen der Außenminister der G20-Länder in der indischen Hauptstadt Delhi am Donnerstag.

Darauf habe er den chinesischen Außenpolitiker Wang Yi bereits am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar hingewiesen, so Blinken weiter. "Ich habe klar gemacht, dass es für diese Art von Handlungen Konsequenzen geben wird. Ich werde nicht im Detail darauf eingehen, aber natürlich haben wir Sanktionsmaßnahmen verschiedener Art, die definitiv zu den Dingen gehören, die wir und andere in Betracht ziehen werden." Die Sorge vor Lieferungen tödlicher Waffen teilten die USA mit anderen Partnern, fügte Blinken hinzu.

US-Außenminister Blinken vor der US-Flagge
US-Außenminister Blinken: Ernste Warnung an Peking Bild: Olivier Douliery/AP Photo/picture alliance

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz appellierte in seiner Regierungserklärung am Donnerstag dieser Woche an China, keine Waffen an Russland zu liefern. "Nutzen Sie ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russischer Truppen zu drängen, und liefern Sie keine Waffen an den Aggressor Russland", wandte sich der Kanzler an die Regierung in Peking.

Wie begründet sind die Warnungen?

Bislang allerdings haben die USA noch keine Hinweise, die ihre Sorge erhärten würden. Man habe noch nicht registriert, dass China Russland tödliche Hilfe geleistet hätte, sagte Pentagon-Pressesprecher Pat Ryder Ende vergangener Woche auf einer Pressekonferenz des Ministeriums. Allerdings: "Wir haben auch festgestellt, dass China das Thema nicht vom Tisch genommen hat."

Auch US-Präsident Biden zeigte sich zurückhaltend. "Ich erwarte keine große Initiative von China, Russland mit Waffen auszustatten", sagte er vor wenigen Tagen dem TV-Sender ABC News.

Ukrainische Soldaten in einem Schützenpanzer sowjetischer Bauart in einer Straße der Stadt Bachmut
Ukrainische Soldaten in einem Schützenpanzer sowjetischer Bauart in der umkämpften Stadt BachmutBild: Yevhen Titov/REUTERS

Auch der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow sieht derzeit keine Anzeichen für chinesische Waffenlieferungen an Russland. "Zum jetzigen Zeitpunkt glaube ich nicht, dass China einwilligen wird, Waffen an Russland zu transferieren", sagte er vor wenigen Tagen in einem Interview dem US-Radiosender "Voice of America". "Ich sehe keinerlei Anzeichen, dass derartige Dinge auch nur diskutiert werden."

Tatsächlich gründeten die amerikanischen Sorgen bislang auf keinen öffentlich zugänglichen Fakten, sagt Anna Marti, Leiterin des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Taipeh. Zwar sei es denkbar, dass China Waffen liefern könnte, "aber meiner Einschätzung nach gibt es sehr viele Gründe, die auch aus chinesischer Sicht gegen einen solchen Schritt sprechen."

Zwar gebe es Anzeichen, dass China militärische Güter an Russland liefere, so Marti weiter. Die beschränkten sich allerdings auf Ersatzteile, etwa für Drohnen. Womöglich liefere China auch Navigationstechnik für Kampfflugzeuge. "Allerdings muss man betonen: Ob China darüber hinaus tödliche Waffen geliefert hat oder liefern wird, das wissen allenfalls die Geheimdienste."

Putin und Xi beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Usbekistan im September 2022
Putin und Xi beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Usbekistan im September 2022Bild: Sergei Bobylyov/Sputnik/AFP

Ebenso sieht es auch Helena Legarda vom Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Einiges deute darauf hin, dass China Russland mit nicht-tödlicher Ausrüstung unterstützt haben könnte, so etwa durch die Lieferung von Halbleiter-Technik. Allerdings spreche bislang nichts dafür, dass China tödliche Waffen wie etwa Raketen oder Drohnen geliefert hätte. "Die Amerikaner sagen zwar, sie hätten Beweise, dass Peking die Lieferung derartiger Waffen in Erwägung ziehe. Aber bislang gibt es keine öffentlich zugänglichen Beweise, dass China über Waffenlieferungen nachdenkt."

Niederlage Putins gegen Pekings Interessen

Grundsätzlich habe China großes Interesse daran, dass Russland den Krieg nicht verliere, sagt Helena Legarda. Denn beide Seiten verfolgten hinsichtlich der globalen Ordnung gemeinsame Interessen. "Beide Staaten sehen die USA und damit auch die NATO als ihre Hauptgegner an. Und beide wollen die derzeitige Weltordnung umgestalten, da sie aus ihrer Sicht zu sehr von den Vereinigten Staaten und dem Westen dominiert wird." Die schlimmste Entwicklung wäre aus chinesischer Sicht darum ein politischer Wandel in Moskau, in dessen Folge Russland zu einer liberalen Demokratie würde und näher an den Westen heranrückte. "Denn dann wäre China in Bezug auf seine geopolitischen Ambitionen viel stärker isoliert." Zudem fürchte Peking auch, dass eine Niederlage Russlands zu politischer Instabilität führen würde. "Beide Länder haben eine sehr lange gemeinsame Grenze. Auch darum möchte Peking keinen politisch instabilen Nachbarn, der aus einer Niederlage Russlands resultieren könnte."

Trotz dieser chinesischen Interessenlage spricht aus chinesischer Sicht einiges gegen Waffenlieferungen an Russland. Aus Angst, selbst von sekundären Sanktionen getroffen zu werden, hielten sich viele chinesische Unternehmen an die westlichen Sanktionen gegen Russland, sagt Helena Legarda. Die chinesische Regierung sei sich bewusst, dass sich die Beziehungen zu den USA sowie zu Europa im Fall von Waffenlieferungen weiter verschlechtern würden.

Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden mit Blumenschmuck bei ihrem Treffen im Weißen Haus
Mutmaßlich einig bei Position gegen chinesische Waffen für Putin: Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Biden Bild: Susan Walsh/AP/picture alliance

Die von den USA angedrohten Sanktionen hätten vor allem für die chinesische Wirtschaft schwerwiegende Folgen, sagt Anna Marti von der Friedrich-Naumann-Stiftung. "Die USA dürften ihre europäischen Partner dazu drängen, sich ebenfalls an solchen Sanktionen zu beteiligen, und das wäre für das durch die COVID-Pandemie wirtschaftlich angeschlagene China fatal. Schon aus diesem Grund dürfte Peking sehr zögerlich sein, Waffen an Russland zu liefern."

"Heute Ukraine, morgen Taiwan"

Derweil zeigen sich die Amerikaner weiterhin wachsam. Hinweise auf mögliche Waffenlieferungen an Russland müssten sehr ernst genommen werden, sagte der Republikaner Michael McCaul, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, am vergangenen Sonntag (26.02.2023) dem US-Nachrichtensender ABC. Man könne derartige Hinweise nicht ignorieren. "Sonst werden die Russen an der polnischen Grenze stehen und der Vorsitzende Xi wird in Taiwan einmarschieren."

Die Sicht des Kremls auf die Ukraine decke sich mit jener, die Peking auf Taiwan habe, sagt Anna Marti. "Putin streitet ja ab, dass die Ukraine ein eigenständiger Staat ist. Genau das gleiche behauptet China auch von Taiwan. Beide Länder argumentieren mit Blick auf ihre territorialen Forderungen im Namen imperialer Reiche, ungeachtet ihres Anspruchs, moderne Staaten zu sein."

China will indes seine Militärausgaben in diesem Jahr um 7,2 Prozent steigern. Der deutliche Anstieg des Verteidigungsetats geht aus dem Haushaltsentwurf hervor, der an diesem Sonntag (05.03.2023) zum Auftakt der gut einwöchigen Jahrestagung des Volkskongresses in Peking vorgelegt wurde. 

(Redaktionshinweis: Der Artikel wurde kurz nach Veröffentlichung um den Hinweis zur aktuellen Steigerung des Verteidigungsetats ergänzt.)

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika