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Chinesische Investoren besser als ihr Ruf

Zhang Danhong5. Juli 2014

Bei ihrem China-Besuch wird Kanzlerin Merkel auch für Investitionen werben - denn die meisten Investoren aus Fernost haben sich entgegen negativer Schlagzeilen als Segen für deutsche Firmen erwiesen.

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Flaggen von China und Deutschland sowie mit dem Firmenlogo von Greatview Aseptic Packaging (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Es war eine Sensation, als 2002 der insolvente Flugzeugbauer Dornier von der chinesischen Firma D'Long übernommen wurde. Bald darauf ging auch D'Long zugrunde. Pleiten, Pech und Pannen begleiteten die ersten Versuche der chinesischen Investitionen in Deutschland. Die Chinesen waren unerfahren und die deutschen Übernahmekandidaten waren finanziell in einem schlechten Zustand. "Viele waren praktisch insolvent. Das Kaufvolumen war mit ein paar Millionen Euro eher gering", sagt Wang Wei, China-Direktor der Beratungsgesellschaft KPMG. Zudem konzentrierten sich die Übernahmen und Beteiligungen auf den Bereich des Maschinenbaus. Diese erste Phase der chinesischen Übernahmegeschichte in Deutschland reichte seiner Meinung nach bis in das Jahr 2008.

Es folgte 2009, das Jahr des größten weltwirtschaftlichen Einbruchs seit dem Zweiten Weltkrieg. China legte ein Konjunkturprogramm von 460 Milliarden Euro auf. In Deutschland zwang die Rezession viele Unternehmen in die Knie. Eine einmalige Chance für Zukäufe, dachte man in China. "Die Chinesen waren auf Brautschau hier. Die Deutschen zeigten ihnen die kalte Schulter. Sie wollten ihre Unternehmen nicht im denkbar schlechtesten Marktumfeld feilbieten", so Wang Wei im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Die zweite Phase der chinesischen Investitionen

2010 platzte der Knoten. "Bereits im ersten Quartal erholte sich die deutsche Wirtschaft. Auch der Markt für Übernahmen und Beteiligungen belebte sich", sagt Wang Wei. Viele Unternehmen hierzulande hätten eingesehen, dass sie ohne einen starken Partner eine solche Krise nicht noch einmal überleben würden.

Wang Wei, China-Direktor von KPMG (Foto: DW)
Wang Wei, China-Direktor von KPMGBild: DW/Zhang D.

So trafen dynamisch wachsende chinesische Unternehmen, die es auf die deutsche Technologie und den europäischen Markt abgesehen hatten, endlich auf fusionswillige deutsche Firmen. Und die Chinesen sind wählerisch geworden. "Über 90 Prozent der seit 2010 von Chinesen gekauften deutschen Unternehmen waren nicht insolvenzgefährdet. Im Gegenteil, die meisten wiesen gute Umsätze und solide Finanzen auf, so Wang Wei weiter.

Hidden Champions sind begehrt

Auch Weltmarktführer sind darunter, die so genannten Hidden Champions. So wurde Anfang 2012 der Betonpumpenhersteller Putzmeister vom chinesischen Baumaschinenkonzern Sany übernommen. Die Marktführerschaft von Putzmeister war den Chinesen aus der Provinz Hunan über eine halbe Milliarde Euro wert. Die bis dato größte chinesische Investition in Deutschland wurde bereits nach wenigen Monaten getoppt: Mit einer knappen dreiviertel Milliarde Euro stieg Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein.

Logo des Betonpumpenhersteller Putzmeister (Foto: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa

Es sind längst nicht nur Maschinenbauer, die im Fokus chinesischer Investoren stehen. Auch Autozulieferer, Elektro-, Konsumgüter- und Hightech-Unternehmen seien für die Chinesen besonders attraktiv, sagt KPMG-Experte Wang Wei, der mit den meisten der über 40 Übernahmefälle vertraut ist. Das ist allerdings nur ein Bruchteil dessen, was sonst auf dem deutschen Beteiligungsmarkt läuft.

Negative Schlagzeilen

Mit anderen Worten: Schlagzeilen wie "China-Invasion" oder "Ausverkauf der Hidden Champions" haben mit der Realität wenig zu tun. Trotzdem taugt jedes Übernahmegeschäft durch China als Aufregerthema.

"Das hat einerseits mit dem kommunistisch geprägten System in China zu tun. Andererseits sind es unterschiedliche Unternehmenskulturen", sagt Oliver Emons von der Hans-Böckler-Stiftung. Die Deutschen haben Angst, mit dem Geld aus China auch chinesische Arbeitsbedingungen einzuführen. Die gewerkschaftsnahe Stiftung hat deswegen drei Traditionsunternehmen mit chinesischen Inhabern unter die Lupe genommen und kam zu einem überraschenden Ergebnis: "Die Unternehmen, die übernommen worden sind, sind bis jetzt operativ selbständig belassen worden. Es wurden keine Kündigungswellen beobachtet, auch Tarifverträge wurden eingehalten", sagt Emons gegenüber der DW. In allen drei Fällen stieg die Zahl der Beschäftigten sogar, Produktionshallen wurden vergrößert und Forschungsstandorte ausgebaut. Das Fazit der Studie: Chinesische Investoren haben sich bislang kooperativer verhalten als viele Finanzinvestoren.

Oliver Emons, Ökonom bei der Hans-Böckler-Stiftung (Foto:Hans-Böckler-Stiftung)
Oliver Emons, Ökonom bei der Hans-Böckler-StiftungBild: Hans-Böckler-Stiftung

Chinesische Zukäufe erst am Anfang

"Chinesische Mutterkonzerne helfen zudem den deutschen Töchtern, den chinesischen Markt zu erschließen. Es ist also eine Win-Win-Situation entstanden", so Wang Wei. Die chinesischen Zukäufe stünden erst am Anfang, spektakulärere Fälle würden bald folgen. Einen Mangel an Käufern wird es also nicht geben. Auf der anderen Seite rechnet Ökonom Emons damit, dass immer mehr deutsche mittelständische Unternehmen zum Verkauf stehen werden. "Das liegt daran, dass wir eine Nachfolgeproblematik in den Unternehmen haben. Viele Familienunternehmen werden verkauft, wenn sich kein Nachfolger finden lässt." Dann würden wahrscheinlich Chinesen als Bieter häufiger zum Zuge kommen.

Noch überwiegen die positiven Erfahrungen mit chinesischen Investoren. Noch sind einige deutsche Töchter Weltmarktführer und werden von den Mutterfirmen behutsam behandelt. Aber bereits die nahe Zukunft bereitet Emons Sorge: "Wenn der chinesische Mutterkonzern in fünf oder zehn Jahren technologisch aufgeholt hat, dann stellt sich natürlich die Frage: Was ist dann?"