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Chip-Engpass bremst Autoindustrie

Klaus Ulrich
14. Januar 2021

Anhaltender Mangel bei Halbleiter-Produkten führt zu Produktionsengpässen bei Autobauern und deren Zulieferern. Paradox dabei: Steigende Fahrzeugverkäufe in China verschärfen die Lage.

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Die neue Mercedes S-Klasse wird in einer komplett digitalisierten und vernetzten Fabrik gebaut
Die neue Mercedes S-Klasse wird in einer komplett digitalisierten und vernetzten Fabrik gebautBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Trotz aller Sorgen wegen der Corona-Pandemie herrscht an den Börsen Optimismus. Besonders gefragt sind bei den Anlegern die Aktien der Halbleiterhersteller, die nicht nur vom Megatrend Digitalisierung, sondern auch von der COVID-19-Krise profitieren. Denn in Zeiten des Lockdowns und dem damit einhergehenden Homeoffice steigt die Nachfrage nach IT-Produkten.

Das Internet der Dinge mit der vernetzten Produktion, die Kommunikation mit dem Ausbau des Mobilfunkstandards 5G und die Infrastruktur beispielsweise mit intelligenten Stromnetzen sorgen ohnehin - für einen ständig steigenden Bedarf von Halbleiter-Produkten.

Steigender Bedarf der Autobauer

Auch die Autoindustrie braucht immer mehr Chips für die aufwendigen Warn- und Assistenzsysteme, die selbst in kleineren Fahrzeugen mehr und mehr zur Standard-Ausstattung gehören.

Und da zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Während die Halbleiterbranche boomt, leidet die Autoindustrie unter Chip-Engpässen. Europas größter Autohersteller, der VW-Konzern, hat am Donnerstag die Produktion im Volkswagen-Stammwerk in Wolfsburg herunter gefahren. Zwei Fertigungslinien würden wegen der Versorgungsschwierigkeiten an mehreren Tagen ruhen, hieß es. Für die betroffenen Mitarbeiter habe man wie bei ähnlichen Maßnahmen im Dezember Kurzarbeit beantragt, teilte VW mit. Alternativen und Gegenmaßnahmen würden geprüft. Auch im VW-Werk Emden drohe Kurzarbeit.

"Wir haben ein gravierendes Problem - aber das hat nicht nur die Autoindustrie allein", hatte Bernd Osterloh, der mächtige VW-Betriebsratschef bereits im Dezember in einem Interview verlauten lassen. "Die Engpässe bei Halbleitern treffen viele Branchen. Da haben sich wohl ein paar Anbieter in den Turbulenzen der Corona-Krise verkalkuliert, was die Versorgung angeht. Wenn wir nicht genügend Halbleiter haben, betrifft das etwa das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP. Wir können das Auto dann nicht bauen. Und kurzfristige Lieferalternativen gibt es nicht."

Kurzarbeit bei VW und Daimler

Auch Konkurrent Daimler leidet wegen der Lieferprobleme von Halbleiter-Herstellern unter Schwierigkeiten in der Produktion. Laut einer Daimler-Sprecherin sei ab Freitag Kurzarbeit im Kompaktwagen-Werk in Rastatt Kurzarbeit geplant. Dort werden unter anderem Modelle der Mercedes A-Klasse gebaut. Betroffen sind bestimmte Steuergeräte, die von den Zulieferern Bosch und Continental kommen. Einem Bericht der Badischen Neuesten Nachrichten zufolge habe Daimler entschieden, mit den noch verfügbaren Teilen lieber Fahrzeuge auszurüsten, bei denen die Gewinnmarge größer ist als bei den Wagen der A- und B-Klasse.  

PR-Foto: Infineon ist Deutschlands größter Halbleiterhersteller und weltweit in den Top Ten
PR-Foto: Infineon ist Deutschlands größter Halbleiterhersteller und weltweit in den Top TenBild: Infineon AG

Genauer betrachtet sind es die Nachwirkungen des Corona-Lockdowns im vergangenen Frühjahr und die daraus resultierenden Probleme bei der Versorgung elektronischen Bauteilen, unter denen die Autoindustrie bis heute leidet. Nach Verkaufseinbrüchen bei den Autoherstellern zu Beginn der Corona-Krise gab es Umsatzrückgänge bei den Zulieferern. Deshalb stellten damals führende Halbleiter-Produzenten ihre Produktion um und versorgten andere Kunden - beispielsweise aus der Unterhaltungselektronik - mit Chips.

Da seit dem letzten Quartal des vergangenen Jahres vor allem im weltgrößten Automarkt China die Nachfrage überraschend stark steigt, werden nun elektronische Bauteile für die Fahrzeugindustrie knapp.

Lange Anlaufzeiten bei Produktionsumstellungen

Obwohl die Halbleiterhersteller bereits ihre Kapazitäten erweitert hätten, würden die zusätzlichen Volumina aufgrund der Vorlaufzeiten in der Industrie erst in sechs bis neun Monaten zur Verfügung stehen, hatte der Autozulieferer Continental bereits Anfang Dezember erklärt.

Auch Branchenprimus Bosch stieß ins gleiche Horn und ließ verlauten, kein Anbieter könne sich dieser Marktentwicklung entziehen.

Lieferengpässe der Chiphersteller hatten bereits im vergangenen Herbst beim Tech-Giganten Apple zur Verschiebung der Präsentation des neuen Iphones geführt. Der Sony-Konzern erlitt Verluste und wurde von enttäuschten Kunden mit Häme überhäuft, weil seine neue Spielekonsole aus denselben Gründen im Weihnachtsgeschäft nicht in ausreichenden Stückzahlen zur Verfügung stand.

Elmos AG Mitarbeiter im Reinraum für die Herstellung von Halbleitern
Herstellung von Halbleitern im Reinraum bei der deutschen Elmos AGBild: Elmos AG

Halbleiter-Markt wächst trotz Krise

Der weltweite Markt für Elektronik-Chips sei bereits sei Jahrzehnten geprägt durch extreme Nachfrageschwankungen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die aktuell zugespitzte Lage auf dem Chip-Markt werde verschärft durch Entwicklungen, die mit der Digitalisierung, der Elektromobilität und dem autonomen Fahren einhergehen. Dadurch komme es zu einem hohen Bedarf an anspruchsvolleren Halbleitern. Unabhängig von Konjunkturzyklen oder Krisen wie die Pandemie bildeten sie eine immer gewichtigere Basis.

So wuchs der Halbleiter-Weltmarkt trotz Corona 2020 laut Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) um vier Prozent auf knapp 430 Milliarden Dollar.