Christen werden in 130 Ländern benachteiligt
17. März 2014Auf dem afrikanischen Kontinent werden Christen auffallend häufig im islamisch geprägten Norden Nigerias drangsaliert und unterdrückt. Angriffe auf Kirchen, Schulen, Dörfer und einzelne Familien sind Realität. Allein in diesem Jahr wurden im Norden Nigerias bereits 400 Todesopfer gezählt - Christen und Muslime. Trotz einer Spezialeinheit von Polizisten und Armeemitgliedern zur Bekämpfung der Gewalt, kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Bei den Angreifern handelt es sich hauptsächlich um die radikalislamistische Gruppe "Boko Haram", die versucht Gewalt zwischen Christen und Muslimen zu stiften.
Zudem greifen immer wieder Angehörige der muslimischen Volksgruppe der Fulani-Nomaden Bauern an, die zu den Christen gehören. Dass die Angriffe jedoch etwas mit der Religion der Opfer zu tun haben, ist fraglich. Experten vermuten eher einen Konflikt um Land.
Am 25. Februar 2014 stürmten Islamisten in Yobe eine Schule und verbrannten 43 Jugendliche. Zuvor wurden acht Dörfer angegriffen und mindestens 200 Menschen ermordet. Kinder werden zum Islamunterricht gezwungen, während Mädchen zwangsweise verheiratet und islamisiert werden. Rund 80 Millionen Christen leben in Nigeria, das ist fast die Hälfte der Einwohner. Bereits Zehntausende Christen sind in den Süden des Landes geflohen, in dem die Mehrheit der Christen zu Hause ist.
Christenverfolgung steigt
Es gebe immer mehr solcher gewalttätigen Übergriffe, stellten die beiden großen deutschen Kirchen bereits vor einigen Monaten in einem gemeinsamen "Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit" fest. Seit 2007 hätten die "Verletzungen des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit beständig zugenommen", sei es durch staatliche Gesetze oder durch soziale Anfeindungen, die der Staat nicht verhindert. Dies betreffe alle Religionen auf allen Kontinenten. Muslime, so der Bericht, werden in 117 Staaten unterdrückt. Damit ist der Islam die am zweithäufigsten benachteiligte Religion der Welt. Den traurigen Spitzenplatz aber nimmt das Christentum ein. Der weltgrößten Religion gehören - in unterschiedlichen Konfessionen - rund 2,18 Milliarden Menschen an. Ihre Anhänger leiden in 130 Ländern unter Repressalien.
Die Auftraggeber des Berichts, der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche, Nikolaus Schneider und der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, begründeten, warum sie den Bericht erstellen ließen, nämlich mit dem "Auftrag, den christlichen Glaubensgeschwistern, die Opfer von Hass, Bedrängnis und Verfolgung werden, besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden". Das Interesse sei ein allgemeines: "Wo Christen bedrängt werden, ist auch die Freiheit anderer religiöser Bekenntnisse unter Druck!", schreiben Schneider und Zollitsch im Vorwort der Studie.
Nicht nur Christen leiden
Autor ist der Göttinger Menschenrechtsexperte Theodor Rathgeber. Um zu verstehen, wo solche Unterdrückung stattfindet und wie sie funktioniert, hat sich der Wissenschaftler nicht auf Schätzungen verlassen. Er stützt seine Erkenntnisse auf Erhebungen des US-amerikanischen PEW Research Centers, das auf Daten des US-Außenministeriums und anderer internationaler Informationsregister basiert und von Human Rights Watch, einer internationalen Menschenrechtsorganisation. Rathgebers Fazit gegenüber der Deutschen Welle: "Restriktionen gelten in aller Regel nicht spezifisch gegen Christen." Vielmehr zeigen sie "ein gesellschaftliches Milieu, in dem andere Religionsgemeinschaften wie auch religionsungebundene Vereinigungen in vergleichbarer Weise betroffen sind".
Die Studie zählt Ägypten, Indonesien, Saudi Arabien, die Russische Föderation, Myanmar, Iran, Vietnam, Pakistan, Indien, Bangladesch und Nigeria zu den Ländern mit den stärksten Einschränkungen der Religionsfreiheit. In 64 Ländern seien erhebliche Restriktionen durch Regierungen nachweisbar - etwa durch Gesetze gegen Gotteslästerung oder Bevorzugung bestimmter Gemeinschaften. Weil sich darunter Staaten mit hoher Bevölkerungszahl wie China, Indien und Russland befinden, unterlägen rund 70 Prozent der Weltbevölkerung einem hohen oder sehr hohen Maß an Restriktionen.
Studie nennt keine Opferzahlen
Am stärksten von Einschränkungen betroffen sind Glaubensgemeinschaften im Mittleren Osten, wozu der Iran zählt, außerdem in Nordafrika und in autoritär regierten Ländern Asiens wie China und Myanmar. In den Ländern Afrikas südlich der Sahara verzeichnen die Verfasser der Studie zunehmende Menschenrechtsverletzungen. Auch Europa schneidet durch die Lage in einigen osteuropäischen Ländern nicht gut ab. Rathgeber betont, seine Studie verzichte bewusst auf Opferzahlen. Die beruhten zumeist auf Schätzungen und seien deshalb unseriös. Das Hilfswerk "Open Doors" beispielsweise geht konkret von 100 Millionen verfolgten Christen weltweit aus.
Fälle von Christenunterdrückung finden sich laut Kirchenbericht in vielen Ländern, nicht nur, aber vor allem in muslimischen. In Ägypten etwa würden Muslime daran gehindert, formell zum Christentum überzutreten. Ihnen drohe häufig Inhaftierung. Neue Ausweispapiere, in denen ihre neue Religion vermerkt ist, bekämen sie nicht.
Christen mit Urinbeuteln beworfen
In Indonesien kann die protestantische Filadelfia-Gemeinde südwestlich der Hauptstadt Jakarta nicht, wie es ihr Recht wäre, eine Kirche errichten. Der Bericht hält fest: "Der Pfarrer erhielt Todesdrohungen, Kirchgänger wurden mit Steinen, Urinbeuteln und faulen Eiern beworfen, durch Straßenblockaden vom Zugang zum Gelände abgehalten. Die Polizei sieht tatenlos zu. Der Landrat setzt Urteile der Verwaltungsgerichte nicht um."
In Vietnam werden evangelikale Freikirchen massiv benachteiligt. Sehr gefährlich ist es - laut Bericht - für Christen in Pakistan, ebenso für Freikirchler im Iran. Aus Nordkorea, so heißt es, "wurden fast alle Christen vertrieben". Auch gebe es dort "Hinweise auf Rehabilitationszentren, in denen dissident auffällig gewordene Angehörige von religiösen wie weltlichen Organisationen zur Umerziehung und Gehirnwäsche eingewiesen werden". In der Türkei stünden herabwürdigende Aussagen über nichtmuslimische Glaubensgemeinschaften bis heute in den Schulbüchern. In den Medien würden Christen und Juden herabgesetzt.