MdB Hoffmann: "Wir waren zu tolerant"
25. September 2020Eine Übergangsregierung unter dem ehemaligen Verteidigungsminister Bah N'Daw soll in Mali nach dem Militärputsch für Stabilität sorgen und Reformen einführen. Als erster deutscher Parlamentarier nach dem Putsch hat nun Christoph Hoffmann, entwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Mali bereist. Im Vor-Ort-Interview mit DW-Korrespondent Mahamadou Kane spricht Hoffmann über seine Erwartungen an N'Daw und die Bedingungen für eine Fortsetzung des deutschen Engagements in Mali.
DW: Wie nehmen Sie den Regimewechsel in Mali wahr?
Christoph Hoffmann: Es ist ziemlich paradox nach den großen Protesten der M5-RFP-Bewegung über mehrere Wochen hinweg. Der Staatsstreich ist sicherlich verfassungswidrig, aber ich hoffe, er beendet eine Periode schlechter Regierungsführung.
Mit Bah N'Daw wird ein Offizier im Ruhestand nun den Übergang in Mali leiten wird. Glauben Sie, dass dies eine gute Wahl ist?
Ich kann auf dieser Ebene kein Urteil fällen. Aber ich habe mit vielen zivilgesellschaftlichen und politischen Gruppen über dieses Thema gesprochen, und sie sprechen ziemlich gut über Bah N'Daw, den neuen Übergangspräsidenten. Nach dem, was man mir über ihn erzählt hat, ist er unbestechlich, ehrlich und standhaft.
Die internationale Gemeinschaft forderte einen Zivilisten an der Spitze der Übergangsregierung, aber ist er wirklich ein Zivilist?
Ja, wir haben uns die gleiche Frage gestellt. Aber er ist ein Zivilist im Ruhestand und er hat politische Erfahrung, denn er war 2014 unter dem Regime von Ibrahim Boubacar Keïta Verteidigungsminister. Ich denke, er ist eine gute Wahl.
Deutschland scheint sich angesichts der aktuellen Geschehnisse in Mali auf dem Rückzug zu befinden. Wie erklären Sie sich das Schweigen Berlins?
Mali und Deutschland haben seit mehreren Jahren ausgezeichnete Beziehungen. In letzter Zeit haben wir einen Zusammenbruch des malischen Staates erlebt, insbesondere durch Korruption. Dieser Staatsstreich stellt einen Bruch mit der normalen Verfassungsordnung Malis dar, kann aber auch eine Gelegenheit für die Malier sein, der schlechten Regierungsführung ein Ende zu setzen. Und das ist eine conditio sine qua non (notwendige Bedingung, d. Red.), damit Deutschland seine Unterstützung für Mali fortsetzen kann.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass die deutsche finanzielle Unterstützung für Mali in Zukunft richtig eingesetzt wird?
Es ist schwierig, dies in einem Staat zu gewährleisten, der nicht normal funktioniert. Wir haben zum Beispiel seit 20 Jahren ein Programm zur Finanzierung der Schulen. Aber die Kinder gehen hier nicht mehr zur Schule, das ist eine Katastrophe. Ich glaube, wir waren zu tolerant gegenüber den verschiedenen Regimen, die das Land regiert haben.
Deutschland finanziert mehrere Entwicklungsprojekte in Mali und hat auch eine militärische Präsenz in der MINUSMA-Friedensmission der Vereinten Nationen. Sollten wir in Mali in den kommenden Monaten mit einer Stärkung des deutschen Engagements rechnen?
Jetzt wird alles davon abhängen, wie sich die Situation im Land entwickelt. Der Vizepräsident, Oberst Assimi Goita, scheint mir ziemlich ehrlich zu sein, und ich habe den Eindruck, dass er etwas bewegen will. Das kann sich auf die Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern auswirken. Da wäre zum Beispiel das Thema der Digitalisierung der malischen Verwaltung. Für uns ist es wichtig, transparente und effiziente Behörden zu haben. Wir beabsichtigen, dieses Entwicklungsprogramm abzuschließen.
Welche anderen Schwerpunktbereiche unterstützt Deutschland in Mali?
Aktuell stehen für uns der Kampf gegen die Armut, der Zugang der Bürger zu Trinkwasser und die Dezentralisierung im Vordergrund. Aber das Dezentralisierungsprogramm, das vor etwa 15 Jahren durchgeführt wurde, hat nicht alle unsere Erwartungen erfüllt. Ich glaube, dass das jetzt angegangen werden muss. Damit wir die neuen Übergangsbehörden unterstützen können, müssen sie die Verwaltung, die durch Korruption untergraben wird, gründlich säubern.
Was können Sie als Parlamentarier auf dieser Ebene dazu beitragen, dass Deutschland in Mali nicht den Anschluss verliert?
Es stimmt, dass ich der erste deutsche Parlamentarier bin, der nach dem Staatsstreich vom 18. August, der das Regime von Ibrahim Boubacar Keita beendete, nach Mali gekommen ist. Ich werde daher meinen Parlamentskollegen über meinen Besuch in Mali berichten, sobald ich wieder in Deutschland bin. Als Mitglied des Ausschusses für internationale Zusammenarbeit diskutieren wir über die Budgets für internationale Entwicklungshilfe. Wir können dort vorschlagen, für was wir Geld ausgeben wollen und für was nicht. Es hat hier in Mali mehrere Reformversuche gegeben. Wir hatten darüber mit den Behörden des vergangenen Regimes diskutiert, aber diese Reformen wurden nie durchgeführt. Der Moment dafür ist jetzt oder nie.