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CIA-Folterreport: "Brutaler als angenommen"

Gero Schließ9. Dezember 2014

Ein Bericht des US-Senats wirft der CIA Folter von Terrorverdächtigen und systematische Täuschung der Politik vor. Eine hitzige Debatte über die Rolle der Geheimdienste nach 9/11 erreicht einen neuen Höhepunkt.

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Guantanamo Bay Gefangene Verhör Symbolbild (Foto: John Moore/Getty Images)
Bild: Getty Images

"Für die meisten Amerikaner ist das schockierend", sagt Laura Pitter von Human Rights Watch über den mit Spannung erwarteten Bericht des Geheimdienst-Ausschusses des US-Senats, an dem sich schon vor der Veröffentlichung hitzige Debatten entzündet hatten.

Wie brutal waren die Verhörmethoden der CIA nach 9/11, was wusste der damalige Präsident George W. Bush, wurden er und seine Administration von der CIA systematisch belogen und haben die gewalttätigen Verhöre überhaupt relevante Erkenntnisse zutage gefördert?

Vorwurf der Folter

In dem mehr als 600 Seiten starken Bericht, an dem seit 2009 gearbeitet wurde, finden sich dramatische Antworten auf diese Fragen. Gleich zu Beginn ihrer Rede vor dem Senat nahm die federführende US-Senatorin Dianne Feinstein kein Blatt vor den Mund. Der Bericht dokumentiere die "geheime Inhaftierung von mindestens 119 Individuen durch die CIA im Ausland und den Einsatz von Zwangs-Verhörtechniken, die in einigen Fällen auf Folter hinausliefen." Laura Pitter lobt die Arbeit des Senats-Ausschusses als "unglaublich wichtig", denn sie zeige, dass "die Folter nicht nur viel brutaler und härter war als bisher angenommen", sondern dass sie auch kein "effektives Mittel" war, um Erkenntnisse zu gewinnen. Pitter und andere Beobachter schließen nicht aus, dass der Bericht in Washington ein politisches Erdbeben auslösen könnte.

USA Dianne Feinstein und John Brennan (Foto: REUTERS/Yuri Gripas)
Die Leiterin des Geheimdienstausschusses, Dianne Feinstein und der CIA-Direktor John BrennanBild: Reuters

Dunkles Kapitel der Geschichte

Denn er hebt eines der dunkelsten Kapitel der jüngsten amerikanischen Geschichte wieder ins Bewusstsein der Bürger. "Es war eine wirkliche miserable Zeit nach 9/11. Es gab viel Hysterie", erinnert sich Joseph Wippl, Sicherheitsfachmann und früherer CIA-Direktor für Congressional Affairs. "Wir verloren viele Soldaten, viele Iraker starben, es hat uns sehr viel Geld gekostet, es bedeutete das Ende der christlichen Religionsgemeinschaft in Irak und Syrien und vieles andere schlimme mehr". Wippl nennt die CIA-Aktivitäten in diesem Zusammenhang eine "Fußnote" inmitten der "furchbaren Dinge", die damals passierten.

Heftige Kontroversen vor Veröffentlichung

Schon bevor er der Öffentlichkeit übergeben wurde, löste der Bericht des US-Senats über die Verhörmethoden der CIA heftige Kontroversen in Washington aus. Pikanterweise hatte sich wenig Tage zuvor US-Außenminister Kerry telefonisch an Senatorin Dianne Feinstein – immerhin eine demokratische Parteifreundin - gewandt und davor gewarnt, dass der Bericht im Ausland gewalttätige Reaktionen auslösen und Amerikaner in Gefahr bringen könnte.

"Die Veröffentlichung des Feinsteinreports über die CIA mitten in einem Krieg ist ein Akt von außergewöhnlicher Verantwortungslosigkeit", argumentierte die Washington Post und spiegelt damit die Meinung der oppositionellen Republikaner und vieler US-Geheimdienst-Mitarbeiter wider. Auch der frühere Präsident George W. Bush, in dessen Amtszeit die umstrittenen Aktivitäten der CIA fallen, verteidigte die Geheimdienstler als "wirklich gute Leute - und wir sind froh, dass wir sie haben". Was immer auch der Bericht sage, er schmälere ihre Verdienste nicht. Auch die früheren CIA-Direktoren George Tenet und General Michael Hayden äußerten sich in diesem Sinne.

George W. Bush bei der "Mission Accomplished"-Rede auf dem Flugzeugträger USS Lincoln (Foto: HECTOR MATA/AFP/Getty Images)
Ex-US-Präsident George W. Bush bei seinem "Mission Accomplished"-Auftritt im Jahr 2003Bild: HECTOR MATA/AFP/Getty Images

Hayden stellte in einer e-Mail gegenüber der New York Times klar: "Wir sind nicht hier, um Folter zu verteidigen. Wir verteidigen die Geschichte". Jose Rodriguez, der das umstrittene CIA-Verhörprogramm verantwortete, schrieb in der Washington Post mit Verweis auf Anweisungen aus der damaligen Bush-Administration: "Wir taten, was wir machen sollten und was wir für rechtens hielten".

Ein nachdenklicher Senator McCain

"Sie hätten das damals nicht tun sollen", wirft Joseph Wippl hingegen seinen früheren Kollegen vor. "Und das fängt ganz an der Spitze der CIA an." Doch das sei Teil des Herdeninstinkts gewesen, der sich nach 9/11 ausbreitete. "Ich hätte mir Leute gewünscht, die sagen, sie machen das nicht ". Der Republikanische Senator John McCain, als Kriegsgefangener selbst Folteropfer im Vietnamkrieg, äußerte sich ungewöhnlich nachdenklich. Man habe zuviel aufgegeben in der Erwartung, dass "Folter die Welt sicherer macht."

Doch war es Folter oder waren es lediglich "harte Verhörmethoden", die von der CIA direkt nach den Anschlägen von 9/11 angewandt wurden, um Terrorverdächtige von Al Kaida zum Sprechen zu bringen? Das ist eine der Fragen, die in Washington immer noch mit großer Dringlichkeit diskutiert werden. Präsident Obama sprach immer schon von Folter und auch die demokratische Senatorin Diane Feinstein benutzte jetzt das Wort. Doch selbst die führenden Zeitungen der USA haben unterschiedliche Positionen. Die Washington Post beispielsweise benutzte anders als die New York Times bisher lediglich den Terminus "harte Verhörmethoden".

Waterboarding ist Folter

"Einiges von dem, was sie gemacht haben, war Folter", sagt Joseph Wippl. "Waterboarding ist ganz offensichtlich Folter. Es wurde bei drei Leuten angewandt, das endet 2004. Schlafentzug jenseits bestimmter Grenze ist auch Folter. Das gleiche gilt für Stresspositionen."

Professor Joseph Wippl / Boston Universität (Foto: Boston University / bu.edu)
Joseph Wippl war langjähriger leitender Geheimdienst-Mitarbeiter und CIA-Direktor für "Congressional Affairs"Bild: bu.edu

Noch am Tag der Veröffentlichung des CIA-Berichtes beharrte CIA-Direktor John Brennan darauf, dass durch die harten Verhörmethoden Erkenntnisse gewonnen wurden, "die Pläne für Anschläge aufdeckten, Terroristen fangen halfen und Leben retteten".

Keine Erkenntnisse gewonnen

Joseph Wippl sieht dieses Argument mit großer Skepsis: "Keiner hat bisher veröffentlicht, welche Leben genau gerettet wurden," sagt er und führt aus, dass Foltermethoden ganz grundsätzlich nicht notwendig sind. "Es ist allgemein bekannt, dass du Gefangene nicht foltern musst, um Geheimnisse herauszubekommen. Aber selbst wenn du könntest, ist es das wert, sie zu foltern?"

Neben den Foltervorwürfen bezichtigt der Senatsbericht die CIA auch der systematischen Fehlinformation des Präsidenten und des Kongresses. Die früheren CIA-Direktoren um General Hayden weisen das zurück, und auch der frühere US-Präsident George W. Bush versicherte ihnen jetzt sein unumschränktes Vertrauen. "Ich weiß nicht, wo das herkommt", sagt Joseph Wippl der Deutschen Welle, "aber ich selber habe niemals etwas von Täuschung und Irreführung mitbekommen, als ich im Jahre 2005 CIA-Director of Congressional Affairs war", und damit verantwortlich für die Koordination der Geheimdienste und die Zusammenarbeit mit dem Kongress. "Vieles davon ist mehr eine Sache der Wortwahl und der Präsentation", räumt er ein.

CIA versuchte zu vertuschen

Laura Pitter geht dagegen von bewusster Fehlinformation durch die CIA aus und sieht noch einen weiteren Skandal: "Die CIA hat eine massive Verdunklungskampagne betrieben, um zu verhindern, dass all diese Fakten rauskommen." Die einzige Kontrolle der CIA geschehe durch den Geheimdienstausschuss des Senats. Die USA bräuchten stärkere Kontrollinstanzen, um sicherstellen, "dass die außer Kontrolle geratene CIA nicht noch einmal Amok läuft". Denn es habe sehr lange gedauert, bis dieser Bericht herauskam - "gegen viele Widerstände, inklusive des Weißen Hauses". US-Präsident Obama stellte allerdings am Dienstag in einer schriftlichen Erklärung klar, dass er alles tun werde, "dass wir nie mehr auf diese Methoden zurückgreifen". Das Vorgehen der CIA habe dem Ansehen der USA in der Welt geschadet.