Classic eCars gibt Oldtimern eine Zukunft
8. Dezember 2023Welches sein Lieblingsauto sei? Uwe Koenzen braucht ein paar Sekunden für die Antwort, vermutlich geht er in der Zeit in Gedanken seine umfangreiche Sammlung durch. Und da gibt es in der Tat einige automobile Schätzchen. Einen Lancia Aurelia beispielsweise, einen italienischen Sportwagen aus den 1950er-Jahren, mit dem Koenzen schon so manches Eifelrennen für Oldtimer auf dem Nürburgring bestritten hat. Oder einen Jaguar E-Type, einen über 50 Jahre alten VW Bus, mehrere Messerschmitt-Kabinenroller, einen Ginetta G4R-Rennwagen. Und, na klar, auch das eine oder andere Exemplar eines Porsche 911.
In der früheren Scheune eines denkmalgeschützten Gutshofs aus dem späten 16. Jahrhundert hat der 59-Jährige Ingenieur, Gewässerökologe und Multi-Unternehmer aus dem Rheinland eine ganz Reihe von Klassikern eingelagert. Die meisten davon sind fahrbereit, aber nicht alle sind komplett originalgetreu.
Das aktuelle Lieblingsmodell, für das sich Koenzen schließlich entscheidet ("Da hängt mein Herz dran"), ein bronzefarbener Porsche 911 SC von 1981, hat mit dem Serienmodell allerdings mehr oder minder nur noch die äußere Hülle gemein. Unter der Motorhaube des historischen G-Modells sitzt ein Batterieblock, ebenso unter der Kofferraumhaube. Und nach dem Dreh am Zündschlüssel hört man nur ein leises Summen statt des typischen Auspuffsounds eines Sechszylinder-Boxermotors. Denn der Porsche 911 ist zum Elektroauto mutiert und trägt nun den neuen Namen e01.
3250 Newtonmeter Drehmoment
Die Leistungsdaten des sogenannten Direct eDrive sind atemberaubend. Die Spitzenleistung im Race-Modus beträgt 518 Kilowatt oder 704 PS, das maximale Drehmoment am Rad 3250 Newtonmeter - da hätte selbst ein Porsche Taycan Turbo S Mühe mitzuhalten. Die Spitzengeschwindigkeit des e01, verrät Koenzen, beträgt 320 km/h - mit Rücksicht auf das Fahrwerk wird der Antrieb aber schon bei 250 km/h abgeregelt.
Unternehmen, die historische Fahrzeuge elektrifizieren, gibt es seit vielen Jahren, in den USA, aber auch in Europa. Selbst Autohersteller wie Jaguar, Volkswagen, Ford und Renault bieten inzwischen sogenannte Retrofit-Kits an, mit denen Oldtimer mit Verbrennungsmotoren zu lokal emissionsfreien Stromern umgebaut werden können.
Die Kombination aus Historie und Moderne kommt allerdings nicht überall gut an. Manche Oldtimer-Fans betrachten das gar als Frevel an automobilhistorischem Kulturgut. Koenzen kennt die Diskussion zur Genüge - als Oldtimer-Fan, Aktiver im historischen Motorsport und als umweltbewegter Ingenieur, der sich nicht nur mit Elektroantrieben und nachhaltigen Energiesystemen auseinandersetzt. Er kann die Argumente der Retrofit-Gegner verstehen.
Teilen kann er sie gleichwohl nicht: "Ich bin kein Dogmatiker. Aber es fällt mir inzwischen schwer, historische Fahrzeuge mit fossilen Kraftstoffen zu betreiben."
Umrüst-Kits ab 75.000 Euro
Das junge sechsköpfige Team von Classic eCars kann sich über einen Mangel an Aufträgen wahrlich nicht beklagen. Interessenten an den (inklusive Straßenzulassung) bis zu 75.000 Euro teuren Umrüst-Kits gibt es genug.
Interessiert sind auch Konzerne, die für den patentierten Hochleistungsantrieb noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten sehen als im Pkw. Der niedrigdrehende Elektromotor passt beispielsweise auch perfekt zu einem Schiffsantrieb.
Das kleine Unternehmen tüftelt auch an einem Gleichstrom-Laderoboter und zusammen mit der Hochschule Osnabrück an einer bidirektionalen Gleichstromladesäule mit autarker intelligenter Ladesteuerung. Die Idee dahinter ist, die Akkus der Elektroautos künftig als Pufferspeicher zu nutzen und in ein intelligentes Stromnetz (Smart Grid) zu integrieren. Auch wird mit verschiedenen neuen Batteriezellen experimentiert, um den Energiespeicher der Elektroautos noch leistungsfähiger zu machen.
Es ist da für Koenzen manchmal nicht einfach, seine Kapazitäten aufzuteilen. "Denn eigentlich und mit ganzem Herzen bin ich Gewässerökologe." Sein in Hilden bei Düsseldorf beheimatetes Planungsbüro für Wasser und Landschaft ist derzeit unter anderem damit befasst, wasserrechtliche Genehmigungen für den Bau von Elektrolyseanlagen zur Produktion von Wasserstoff vorzubereiten - Stahl soll in Nordrhein-Westfalen künftig grün produziert werden. Auch die Renaturierung von Flussläufen und der Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels treiben das Planungsbüro um.
Wie er das alles unter einen Hut bringt? "20 bis 30 Prozent widme ich den Elektroautos, den Rest dem Gewässerschutz." Und freilich der Familie und dem Motorsport, fügt Koenzen hinzu.
Mitarbeit: Franz Rother