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Roth: Rückgabe der Bronzen wie ein Türöffner

25. Dezember 2022

Die kürzliche Rückgabe von 20 Benin-Bronzen an Nigeria war ein wichtiger Schritt in der Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte. Deutsche Kulturvertreter und Politiker wollen den Weg weitergehen.

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Claudia Roth sitzt neben Annalena Baerbock. Roth reißt die Arme in die Höhe.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (l.) und Außenministerin Annalena Baerbock (r.) kamen zur Übergabe der Bronzen nach NigeriaBild: picture alliance/dpa

Die Aufarbeitung des deutschen Kolonialismus muss aus Sicht Verantwortlicher in Politik und Kultur nach Rückgabe der wertvollen Benin-Bronzen weiter vorangetrieben werden. Aus Sicht von Kulturstaatsministerin Claudia Roth eröffnen die Restitutionen neue Perspektiven. "Die Bronzen sind wie ein Türöffner", sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es gehe um die Notwendigkeit, genauer hinzuschauen und Provenienzforschung voranzutreiben. Die Museen würden dabei unterstützt. "Die Bronzen öffnen für unseren Umgang mit unserer eigenen kolonialen Geschichte neue Wege", so Roth weiter. Kolonialismus habe es nicht nur gegeben etwa durch Frankreich, Spanien, Portugal, Niederlande, Belgien oder Großbritannien. "Wir haben auch eine Geschichte, die verdammt unbekannt ist." Sie hoffe sehr, dass dies auch Wege öffnet in Geschichts- und Schulbücher. "Denn was wissen wir denn von der tatsächlich kolonialen Vergangenheit? Das ist die Voraussetzung, um die Dekolonialisierung wirklich anzugehen", sagte Roth.

Die deutsche Kolonialgeschichte

Erst am Dienstag hatte sie gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock in der nigerianischen Hauptstadt Abuja 20 Benin-Bronzen an das afrikanische Land zurückgegeben. Die in Kolonialzeiten geraubten Kunstwerke gehörten zu Beständen von Museen im Humboldt Forum, sowie in Hamburg, Köln, Stuttgart und Leipzig. Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, lagerten in rund 20 deutschen Museen. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897.

Das Abkommen mit Nigeria habe auch Rückwirkung auf andere Länder, "wo die Debatte deutlich Fahrt aufnimmt", meint Roth. Die Rückgaben seien der Beginn einer neuen Zusammenarbeit in der Archäologie, bei der Ausbildung von Museumsmanagern, Wanderausstellungen und gemeinsamen Investitionen in die kulturelle Infrastruktur.

Ein Schritt von internationaler Tragweite

Auch aktuelle Bezüge sieht Roth, wenn es um den Raub kultureller Identität geht. Es zeige, "wie brutal dieser Krieg gegen die Kultur in der Ukraine ist", das seien auch gezielte Angriffe auf die kulturelle Identität. "Das macht deutlich, welche Bedeutung Kunst und Kultur in einer Demokratie haben und haben müssen."

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, würdigte die Anstrengungen Deutschlands im Restitutionsbereich: "Im internationalen Vergleich hat Deutschland hier viel erreicht." Die 514 Benin-Objekte aus dem Bestand der Stiftung Preußischer Kulturbesitz seien die bislang weitaus größte Rückübertragung im kolonialen Kontext. "Zudem ist geklärt, welche Leihgaben hier bleiben können und was wir schrittweise zurückgeben", so Parzinger weiter. "Das hat ein Zeichen gesetzt, das international sehr aufmerksam wahrgenommen wurde."

Eine in Elfenbein geschnitzte Maske liegt in einer weißen Box.
Endlich wieder dort, wo sie hingehören: die Benin-Bronzen, zu denen auch Schnitzereien aus Elfenbein gehörenBild: Florian Gaertner/photothek/IMAGO

Nicht nur Raubgut soll restituiert werden

Es gehe nicht nur um geraubte Objekte, meint der Stiftungspräsident. An Namibia seien auch Objekte zurückgegeben worden, die nicht eindeutig unrechtsbelastet sind, die dort aber eine geschichtliche Lücke füllen." An Kamerun solle die Ngonnso-Figur restituiert werden, "weil diese Gottheit für die Identität dieser Ursprungsgesellschaft von hoher Bedeutung ist." 

An Tansania seien bereits Objekte aus dem Maji-Maji-Krieg (Aufstand der Bevölkerung gegen die deutsche Kolonialherrschaft von 1905 bis 1907) übertragen worden. "Diese sind von enormer Bedeutung für die Erinnerungskultur der Menschen." Eine Ausstellung solle hier die Geschichte des Krieges erzählen, anschließend gehe sie nach Tansania.

Hermann Parzinger sitzt vor einem Mikro und spricht und ist im Begriff, die Hände ineinander zu verschränken.
Hermann ParzingerBild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

"Den Museen in Deutschland und Europa ist bewusst, dass Rückgaben nur ein Aspekt sind", sagte Parzinger. Die intensive Zusammenarbeit im Bereich Kultur und kulturelles Erbe eröffne die Chance, "ein gänzlich neues Verhältnis zum globalen Süden zu entwickeln. Da sehe ich das eigentliche Potenzial."

Rund um die Eröffnung des Humboldt Forums Berlin brodelte die Debatte um koloniale Raubkunst. Aus Sicht seines Generalintendanten Hartmut Dorgerloh hat diese auch die Rückgabe wertvoller Benin-Bronzen beeinflusst. "Für die internationale Wahrnehmung des Humboldt Forums war die Eigentumsübertragung der Benin-Bronzen ein sehr wichtiger Schritt", sagte Dorgerloh gegenüber dpa. "Das hat gezeigt, dass das Humboldt Forum Prozesse befördern und in Gang setzen kann, auch wenn wir selber gar nicht in der unmittelbaren Verantwortung für die Benin-Bronzen und deren Rückgabe standen." Das Forum könne aber gesellschaftliche Diskussionen "und letztendlich Entscheidungen wie zum Beispiel über Restitutionen proaktiv und konstruktiv begleiten."

Ostflügel des Humboldt Forums eröffnet

bb/MM (dpa)