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Clinton vor dem Bengasi-Ausschuss

Gero Schließ22. Oktober 2015

Eigentlich geht es bei Hillary Clintons Aussage vor dem US-Kongress um den Tod von vier amerikanischen Diplomaten in Bengasi, doch längst hat der aufziehende Präsidentschaftswahlkampf die Agenda verändert.

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Clinton betritt einen Saal (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Für ihre Präsidentschaftskampagne sei das "ein ziemlich wichtiger Moment", sagt Helle Dale vom konservativen Washingtoner Thinktank "Heritage Foundation" über die bevorstehende Vernehmung von Hillary Clinton vor dem Bengasi-Untersuchungsausschuss des US-Kongresses. Trotz wieder gestiegener Zustimmung seien die Negativbewertungen für Clinton immer noch sehr hoch, eine Mehrheit der Amerikaner traue ihr nicht. Das hat nicht zuletzt mit Bengasi zu tun, ist sich Dale sicher.

Auf jeden Fall dürfte es spannend werden bei der Befragung. "Wird Hillary Clinton vom Bengasi-Ausschuss an den Pranger gestellt?", fragt denn auch Mauren Dowd, Starkolumnistin der New York Times. Die amerikanischen Medien inszenieren den Auftritt der aussichtsreichsten demokratischen Präsidentschaftskandidatin als Duell mit ihren republikanischen Widersachern. Doch möglicherweise hat der politische Streit um den tragischen Tod von vier US-Diplomaten im libyschen Bengasi bereits vor der Befragung seinen Höhepunkt überschritten und zumindest für Clinton an Brisanz verloren, meint Karen DeYoung, prominente Journalistin der "Washington Post".

Republikaner unter Beschuss

Denn längst haben die Republikaner selber ein Glaubwürdigkeitsproblem. Seit sie ihren Fokus vom eigentlichen Geschehen in Bengasi weg und zu Hillary Clintons sogenannter E-Mail-Affäre hin bewegt haben, werfen ihnen die Demokraten und mit ihnen viele Beobachter vor, mit Hilfe des Untersuchungsausschusses Wahlkampf gegen Clinton zu führen.

Helle Dale (Foto: David Hills)
Helle Dale: Clintons Chancen auf das Weiße Haus haben mit Bengasi-Auftritt zu tunBild: David Hills

Hillary Clintons Nutzung eines privaten Servers für dienstliche E-Mails in ihrer Zeit als Außenministerin sei zum "neuen Mittelpunkt" der Arbeit des Ausschusses mit seiner republikanischen Mehrheit geworden, titelte jüngst die "New York Times". Sie zitiert einen früheren Ausschussmitarbeiter, der genau das bestätigt. Im Frühjahr, gleich nachdem die E-Mail-Affäre bekannt geworden war, habe die Ausschussmehrheit sich darauf eingeschossen, so der von der "Times" zitierte Reserveoffizier Bradley Podliska. Doch das ist den Republikanern nicht gut bekommen, glaubt DeYoung: "Was als eine große potentielle Belastung für Clinton begann, wurde mittlerweile eine politisch belastende Situation für Republikaner."

Welche Rolle spielen Clintons E-Mails?

Zwar hat Clinton die für die Aufarbeitung des tödlichen Bengasi-Vorfalls relevanten E-Mails auf dem privaten Server verfasst, doch ist umstritten, inwieweit diese Tatsache von Bedeutung für die Untersuchung ist. Für Helle Dale steht das außer Frage, da Clinton durch die Nutzung des privaten Servers am Regierungsapparat vorbei lange Zeit wichtige Informationen zu Bengasi zurückgehalten habe und erst durch den Ausschuss zur Herausgabe gezwungen worden sei.

Für das konservative "Wall Street Journal" hat Clinton darüber hinaus mit ihrem "Bitte hack mich, Server" Tür und Tor für ausländische Hacker und Geheimdienste geöffnet. Karen DeYoung von der "Washington Post" dagegen rät im Gespräch mit der Deutschen Welle zur Zurückhaltung. "Einige der E-Mails sind vielleicht peinlich, aber es wurde nichts gefunden, was belegt, dass sie kriminell gehandelt oder das Leben anderer gefährdet hat", sagt sie.

Einer der längsten Ausschüsse

17 Monate schon arbeitet der Ausschuss, länger als der Untersuchungsausschuss zur Watergate-Affäre. Bisher hat das den amerikanischen Steuerzahler 4,5 Millionen Dollar gekostet. Dabei beschäftigen sich sieben weitere Ausschüsse des US-Kongresses mit dem Thema Bengasi. Für DeYoung ist klar, dass die Ausschussarbeit bis zum Ende des Präsidentschaftswahlkampfs im nächsten Jahr "in die Länge gezogen" werden solle.

Trauerfeier mit Obama und Clinton (Foto: dapd)
Präsident Obama und Außenministerin Clinton 2012 bei der Trauerfeier für die getöteten DiplomatenBild: dapd

Trey Gowdy, der republikanische Ausschussvorsitzende, rechtfertigt das mit neuen Informationen, die zutage gefördert worden seien. Auch an Hillary Clinton, die bereits Anfang des Jahres stundenlang vom Ausschuss "gegrillt" wurde, würden sich neue Fragen ergeben. Karen DeYoung ist da skeptisch: Alle Hauptfragen seien bereits "viele, viele Male" in Anhörungen und Untersuchungen erörtert worden. "Es ist schwierig, sich vorzustellen, welche neuen Fragen es geben kann und welche sie noch nicht beantwortet hat", so die Journalistin der "Post".

Doch ist etwa die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis US-Geheimdienst und Militär auf die Hilfegesuche der Diplomaten reagierten, für viele noch nicht überzeugend beantwortet. Das von Clinton geführte State Department hat Fehler bei der Einschätzung der Sicherheitslage eingeräumt. Hillary Clinton selbst sieht sich aber nicht in der Verantwortung und verwies kürzlich in einem Fernsehinterview auf die Zuständigkeit der Sicherheitsexperten.

Doch die Sachfragen sind in den Hintergrund getreten, seit die Republikaner den Ausschuss in den Augen vieler als Wahlkampfmaschine nutzen.

Das schönste Eigentor

Zwar weisen sie entsprechende Vorwürfe empört zurück, doch hat der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, dabei das schönste Eigentor geschossen: "Jeder dachte, Hillary Clinton sei unschlagbar", prahlte er im Fernsehen. "Aber wir haben einen Bengasi-Untersuchungsausschuss gebildet. Und was sind ihre Umfragezahlen heute? Sie sind gefallen.“ Helle Dale von der Heritage Foundation hält dieses Statement für "monumental dumm". Es verfälsche das legitime Anliegen des Ausschusses, die Verantwortlichkeiten für die tödlichen Vorfälle zu klären.

Karen DeYoung sieht allerdings die Glaubwürdigkeit der Republikaner endgültig infrage gestellt. Es sei kaum noch eine Frage, "dass dies ein politischer Rachefeldzug ist, dafür gemacht, ihre Präsidentschaftskandidatur zu beschädigen." Deswegen lohne es sich, bei der kommenden Anhörung Clintons genau zuzuhören. "Es wird genauso interessant sein, auf die Fragen zu achten, nicht nur auf die Antworten." Karen DeYoung ist sich sicher, dass dies nicht die letzte Befragung in dieser Sache gewesen ist: "Es wird so schnell nicht aufhören."