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"Coltan-Fieber": In jedem Handy ein Stück Kongo

Aude Gensbittel16. Juni 2016

Unbesorgte Handynutzer, begehrte Metalle, Kinderarbeiter in den Minen im Kongo: Das internationale Theaterprojekt "Coltan-Fieber" beleuchtet kritisch den globalen Rohstoffhandel - in einer sehr persönlichen Geschichte.

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Im Theaterstück geht es um Kindersoldaten, die später auch in den Minen im Kongo arbeiten (Foto: DW/A. Gensbittel)
Eine Szene aus dem Theaterstück: Die Holzpuppe stellt einen Kindersoldaten dar, der lernen muss zu schießenBild: DW/Aude Gensbittel

"Das Handy ist in unserem Alltag unverzichtbar. Mehr als 150 Mal am Tag schaue ich mein kleines Schmuckstück an!" So beginnt das Theaterstück "Coltan-Fieber". Der Schauspieler auf der Bühne mimt einen Moderator. In seiner Fernsehsendung "Ich liebe das Mobiltelefon" fragt er sich, was in diesem kleinen magischen Gerät eigentlich drin ist. So erfährt der Zuschauer, dass das Edelmetall Tantal einer der Bestandteile ist. Dieses Edelmetall wird aus dem Rohstoff Coltan gewonnen, der vor allem im Osten der Demokratischen Republik Kongo abgebaut wird.

Aber was bedeutet die konstante Nachfrage nach neuen elektronischen Geräten wie Handys oder Laptops für diese Region? Mit viel Humor geht das Theaterstück die komplexe Problematik des globalen Rohstoffhandels an - und vermittelt dabei jede Menge Wissen, ohne belehrend zu wirken.

Schauspieler aus dem Kongo, Deutschland, Belgien und Haiti

"Coltan ist dafür ein guter Aufhänger, weil es so ein extremes Beispiel ist", sagt Regisseur Jan-Christoph Gockel. Etwa 80 Prozent des weltweiten Coltan-Vorkommens lagern schätzungsweise im Osten der DR Kongo - einer Region, in der Milizen, Rebellen und Regierungstruppen seit Jahren gegeneinander kämpfen. Häufig werden die Minen von Rebellengruppen kontrolliert, die sich durch den Verkauf der Rohstoffe finanzieren.

Eine Szene aus dem Theaterstück "Coltan-Fieber"(Foto: DW/A. Gensbittel)
Das Stück blickt kritisch auf die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen: Hier befreien sie den Kindersoldaten, doch danach ist er auf sich allein gestelltBild: DW/Aude Gensbittel

"Ganz wenig Coltan steckt eigentlich in einem Telefon drin, es ist aber sehr teuer, wird fast nur im Ost-Kongo abgebaut und hat deshalb so einen wahnsinnigen Einfluss auf Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen", sagt Gockel. Deswegen habe es den deutschen Regisseur interessiert, das Thema mit einem internationalen Ensemble zu bearbeiten: Die Schauspieler kommen aus der DR Kongo, aus Belgien, Haiti und Deutschland; an der Koproduktion sind das Kölner Theater im Bauturm, das Theater Tarmac aus der DRC und das Festival Récréatrâles in Burkina Faso beteiligt.

Die eigenen Erlebnisse verarbeiten

"Coltan-Fieber" basiert zum großen Teil auf der Biographie des kongolesischen Schauspielers Yves Ndagano. Als Kind wurde er auf dem Schulweg von einer Miliz entführt und musste für diese als Soldat arbeiten. Eine Nichtregierungsorganisation befreite ihn, doch er konnte nicht nach Hause zurück: Seine Gemeinde verstieß ihn. Ihm blieb nichts anderes übrig, als in einer Coltan-Mine zu arbeiten. In seiner Heimat im Osten der DR Kongo sei das kein Einzelschicksal, sagt Yves Ndagano: "Viele Kinder in Goma haben fast das gleiche erlebt." Deswegen sei er sehr froh, durch das Theaterstück von seinen Erfahrungen erzählen zu können.

Noch immer falle ihm das nicht leicht, sagt Yves Ndagano. Der Künstler hat selbst in Goma, im Nord-Kivu, eine Organisation gegründet: SikilikAfrika hilft Jugendlichen, die Traumata des Krieges durch Theater, Tanz und Musik zu verarbeiten.

Jugendliche in einer Coltan-Mine im Ostkongo (Foto: DW/John Kanyunyu)
Was Schauspieler Yves Ndagano hinter sich gelassen hat, ist für viele Kinder und Jugendliche noch immer bittere Realität - wie hier in einer Coltan-Mine im OstkongoBild: DW

Im Stück "Coltan-Fieber" schaffen zwei Stilmittel für Yves Ndagano eine Distanz zu den belastenden Erlebnissen: Zum einen tauschen die schwarzen und die weißen Schauspieler ihre Rollen. Der Kongolese spielt nicht sich selbst, sondern schlüpft in die Haut seines belgischen Kollegen Gianni La Rocca. Der Belgier wiederum spielt den ehemaligen Kindersoldaten Yves Ndagano. Zum anderen teilen sich die vier Schauspieler die Bühne mit einer Holzpuppe: Leopold ist benannt nach dem belgischen König Leopold II., der den Kongo zu seiner Privat-Kolonie machte und brutal ausbeutete. Die Puppe symbolisiert abwechselnd einen kongolesischen Kindersoldaten und Minenarbeiter und ein europäisches Kind, das von seinen Eltern verwöhnt wird und immer wieder neue elektronischen Spiele und Geräte verlangt.

Die Zuschauer zum Nachdenken bringen

Gezeigt wurde das Stück zuerst auf dem afrikanischen Kontinent: Ende 2014 wurde es in Burkina Faso aufgeführt, dann in der DR Kongo und in Kongo-Brazzaville. Im Juni 2015 feierte "Coltan-Fieber" seine Europa-Premiere im Kölner Theater im Bauturm während des Theaterfestivals Africologne. Das Kölner Veranstaltungsprogramm "Stimmen Afrikas" holte das Theaterstück nun noch einmal nach Nordrhein-Westfalen. Bis Ende Juni spielen Yves Ndagano und die anderen Schauspieler in insgesamt acht Städten der Region, begleitet von einem Bildungsprojekt mit Vorträgen und Diskussionen, auch in Schulen.

Yves Ndagano (2. v. r.) aus der Demokratischen Republik Kongo war selbst Kindersoldat und arbeitete später in den Minen in seiner Heimat (Foto: DW/A. Gensbittel)
Durch das Theaterspielen kann der Kongolese Yves Ndagano (2. v. r.) seine Erfahrungen als Kindersoldat und Minenarbeiter verarbeitenBild: DW/Aude Gensbittel

Den Austausch mit Jugendlichen findet Yves Ndagano besonders spannend: "Sie haben Telefone und Computer, wissen aber nicht, woher die Bestandteile kommen", sagt der Schauspieler. Das Theaterstück bringe sie zum Nachdenken. "Wenn wir spielen, sind sie sehr bewegt und sie fragen, was sie gegen all dies machen können. Sie reagieren auf eine verantwortungsbewusste Weise." Yves Ndagano hofft, das Stück auch in seiner Heimat im Ostkongo aufführen zu können und die Menschen dort zu informieren - auch wenn ihm das aufgrund des heiklen Themas gefährlich werden könnte. Bisher haben er und seine Kollegen "Coltan-Fieber" nur in der Hauptstadt Kinshasa gezeigt.