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Umbau oder Untergang

Rolf Wenkel (mit Agenturen)
30. September 2016

Die Commerzbank will sich neu erfinden. Das Institut steckt in einem existenzbedrohenden Rendite- und Aktientief und muss dringend auf Ertrag getrimmt werden.

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Commerzbank Frankfurt am Main
Bild: Sean Gallup/Getty Images

Einige Einzelheiten des Sanierungsprogramms waren bereits am Donnerstag in einer Pflichtmitteilung bekannt geworden. An diesem Freitag hat Commerzbank-Chef Martin Zielke nun erläutert, wie sich die Bank aus dem Sumpf ziehen will. Das Ziel ist nicht mehr und nicht weniger als der radikale Umbau von einer traditionellen Universalbank zu einem "digitalen Technologieunternehmen".

Der Name der Strategie: "Commerzbank 4.0". Bereits bekannt war, dass 9600 der 45.000 Vollzeitstellen wegfallen sollen. "Die Entscheidung für den Personalabbau ist mir sehr schwer gefallen", sagte der seit Mai amtierende Konzernchef Zielke am Freitag in Frankfurt. Der Bank bleibe aber keine andere Wahl. "Wir verdienen einfach nicht genug Geld", so Zielke.

Auf Stärken besinnen

Allerdings: In zukunftsträchtigen Bereichen sollen zugleich 2300 neue Arbeitsplätze entstehen. Übrig bleiben nur noch zwei große Blöcke, einer für Privatkunden und einer für Firmenkunden. Das Investmentbanking wird zurechtgestutzt. "Unser Geschäftsmodell ist nur dann zukunftsfähig, wenn wir uns auf das besinnen, was wir besser können als der Markt. Bereiche, in denen wir nur mitspielen, sind nicht zukunftsfähig." Deshalb ziehe sich die Commerzbank aus Teilen des Investmentbankings zurück. "Wir werden uns von Geschäften, bei denen wir keinen Bezug zu unseren Kernkunden haben, trennen."

Der Umbau des Konzerns soll die Strukturen der Bank vereinfachen und Kosten sparen. Außerdem soll der Großteil der Abläufe in der Bank digitalisiert werden. Rund 700 Millionen Euro jährlich will die Bank in die Digitalisierung und in die Informationstechnologie stecken. Zunächst aber wird das Institut für den Umbau 1,1 Milliarden Euro ausgeben müssen, etwa für Abfindungen. Die Dividende wird daher bis auf Weiteres gestrichen. Im laufenden Jahr wird die Bank zudem nur einen kleinen Gewinn einfahren, weil sie rund 700 Millionen Euro auf bestimmte Posten in ihrer Bilanz abschreibt.

Trügerisches Zwischenhoch

Noch im Frühjahr sah es kurzzeitig so aus, als habe die Commerzbank die Wende geschafft. Zielkes Vorgänger Martin Blessing hatte sich nach acht Jahren an der Spitze nicht nur mit einem Milliardengewinn, sondern auch mit der ersten Dividendenzahlung seit Langem verabschiedet.

Nur wenig später aber erwies sich der Abgang als geschönt. Allen voran im Geschäft mit Mittelstandskunden brechen seither die Erträge weg. Das Hauptproblem: Angesichts der niedrigen Zinsen und der schwachen Kreditnachfrage weiß die Bank wenig anzufangen mit dem Geld, das ihre Kunden bei ihr parken. Bei anhaltenden Niedrigzinsen ist bis Ende 2020 netto nur eine Eigenkapitalrendite von sechs Prozent erreichbar, heißt es. Erst wenn sich die Lage normalisiert, seien acht Prozent realistisch. Im vergangenen waren es 4,2 Prozent.

Zwei Jahre Durststrecke

Seit der Finanzkrise ist der Bund mit fünfzehn Prozent an der Bank beteiligt, ein Verkauf der Aktien mit Gewinn bleibt jedoch auf lange Zeit unrealistisch. Am Freitag stand die Aktie bei 5,45 Euro, das ist der tiefste Stand seit fünf Jahren. Dass Europas Geldhäuser - allen voran die Deutsche Bank - in diesen Tagen unter der wohl schlimmsten Vertrauenskrise seit der Finanzkrise leiden, macht die Dinge nicht unbedingt einfacher.

Der Umbau der Bank wird sich nach den Erwartungen des Vorstands erst 2019 in den Geschäftszahlen niederschlagen. "2017 und 2018 sind zwei Übergangsjahre, die durch niedrige Rentabilität gekennzeichnet sind", sagte Finanzvorstand Stephan Engels am Freitag in Frankfurt. Auf die beiden Jahre werden die 1,1 Milliarden Euro Aufwand verteilt, den die zweitgrößte deutsche Bank für den Umbau veranschlagt hat. Auf der Kostenseite sind laut Engels erst 2010 spürbare Entlastungen zu erwarten.

Gewerkschaften kündigen Widerstand an

Arbeitnehmervertreter jedenfalls haben bereits Widerstand angekündigt. "Meine Anforderung ist, dass uns Martin Zielke nun nicht nur etwas über die neue Geschäftsidee erzählt, sondern auch genau darlegt, wie er das alles umsetzen will", hatte Betriebsratschef und Vize-Aufsichtsratschef Uwe Tschäge erst Anfang der Woche gesagt. "Die Bank kann es sich nicht leisten, nur noch ein Abbruchladen zu sein. Es muss auch Leute geben, die sich mit freiem Kopf um das Geschäft kümmern können."