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ReiseEuropa

"Coolcation": Verändert der Klimawandel das Reisen?

11. September 2024

Weil es in den klassischen Urlaubsregionen Südeuropas immer häufiger Hitzewellen gibt, könnten kühlere Destinationen künftig mehr Touristen anlocken.

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Touristen auf den Sundspromenaden in Malmö, Schweden
Vor allem in Südschweden gibt es im Sommer durchaus auch mal Badewetter, wie hier Anfang September in MalmöBild: Johan Nilsson/TT/picture alliance

Beim schwedischen Tourismusverband "Visit Sweden" scheint man sich seiner Sache sicher zu sein: "Vorbei sind die Zeiten, in denen man unermüdlich der sengenden Sonne und der brütenden Hitze nachjagte", heißt es auf der Internetseite des Verbandes. Stattdessen habe sich ein neuer Trend entwickelt: "Coolcation" – eine Wortneuschöpfung, aus "cool" und "vacation" zusammengesetzt. "Dieser Trend spiegelt den wachsenden Wunsch der Reisenden wider, Ziele mit gemäßigten Temperaturen aufzusuchen." Angesichts des Klimawandels und der negativen Auswirkungen extremer Hitze entschieden sich immer mehr Menschen für kühlere Reiseziele. Ganz ähnlich klingt das bei der norwegischen Tourismusförderung "Visit Norway": "Entfliehen Sie der brütenden Sonne und der intensiven Hitze", heißt es dort. "Machen Sie sich auf in den Norden zu einem erfrischenden Sommerurlaub!"

Tatsächlich macht sich der Klimawandel in den klassischen Urlaubsländern am Mittelmeer zunehmend bemerkbar. Spanien und Italien etwa verzeichneten 2022 und 2023 die beiden heißesten Jahre seit es Daten gibt. In Griechenland kommen zu Temperaturrekorden und großer Trockenheit auch noch heftige Waldbrände, die Sommer für Sommer ganze Landstriche verwüsten. Selbst die optimistischsten Prognosen der Klimaexperten legen nahe, dass sich die Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten noch weiter zuspitzen wird.

Blick über das verbrannte Waldgebiet in der Nähe der griechischen Hauptstadt Athen, Griechenland
Auch in diesem Sommer verwüsteten Waldbrände in Griechenland ganze LandstricheBild: Petros Giannakouris/dpa/AP Photo/picture alliance

Im Norden steigt die Nachfrage

Dass das nicht ohne Folgen für den Tourismus bleibt, ist eines der Ergebnisse einer Studie des wissenschaftlichen Dienstes der EU-Kommission aus dem vergangenen Jahr. Darin geht es um die Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Europa bis zum Jahr 2100. "Wir stellen ein klares Nord-Süd-Muster fest, mit einem Anstieg der touristischen Nachfrage in zentralen und nördlichen Regionen und einem Rückgang der Nachfrage in südlichen Gebieten", heißt es darin. Die größten Verluste seien in Griechenland, Spanien, Italien und Portugal zu erwarten, der höchste Zuwachs unter anderem in Dänemark, Finnland, Irland, Schweden und dem Vereinigten Königreich. Auch eine aktuelle Untersuchung der European Travel Commission (ETC) legt nahe, dass große Hitze durchaus abschreckend auf Touristen wirkt. Demnach gaben 74 Prozent der Befragten an, sich der Klimakrise anzupassen, unter anderem durch die Vermeidung extremer Temperaturen.

Dass sich das Reiseverhalten tatsächlich ändert, ist bislang aber nicht zu belegen. "In Deutschland gibt es keinen Trend zu kühleren Urlaubszielen", sagt Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, die seit vielen Jahren das Reiseverhalten der Bundesbürger untersucht. Im vergangenen Jahr unternahmen diese demnach knapp 65 Millionen Urlaubsreisen. Lediglich 3,6 Millionen davon führten in Richtung Norden nach Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen. Bei der Befragung der Urlauber nach ihren Reisemotiven lande warmes, sonniges Wetter regelmäßig auf den vordersten Plätzen, sagt Lohmann. "Das ist zuletzt eher noch mehr geworden." Und so sind Spanien, Italien, Griechenland, Kroatien und die Türkei unverändert die beliebtesten Reiseziele der Deutschen.

Strand in Playa de Palma auf der Insel Mallorca, Spanien
Die meisten Urlauber wollen in erster Linie am Strand in der Sonne liegen, wie hier an der Playa de Palma auf MallorcaBild: Chris Emil Janßen/picture alliance

Das wichtigste Reisemotiv: Sonne und Strand

Im gesamteuropäischen Kontext ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier sind in erster Linie die südeuropäischen Länder nach wie vor stark gefragt. Der European Travel Commission (ETC) zufolge verbrachten im vergangenen Jahr mehr als 300 Millionen Reisende ihren Urlaub in Südeuropa. In Nordeuropa dagegen waren es gerade einmal etwas mehr als 80 Millionen. Auch europaweit ist der ETC zufolge "Sonne und Strand" das mit Abstand meistgenannte Reisemotiv der Touristen.

Zwar verzeichnen die skandinavischen Länder seit Jahren einen Anstieg der Urlauberzahlen, das wiederum gilt für Länder wie Spanien und Italien ganz genauso – allen Hitzewellen zum Trotz. Und so will man denn auf Nachfrage weder bei der schwedischen, noch bei der norwegischen Tourismusförderung den selbst ausgerufenen Trend zur "Coolcation" bestätigen. Ob es tatsächlich ein steigendes Bedürfnis nach Ferien in der Kühle gibt, sei schwierig zu sagen, teilt Sabine Klautzsch von "Visit Sweden" mit. Bei "Visit Norway" wiederum verweist man auf die verschiedenen Faktoren, die bei der steigenden Nachfrage eine Rolle spielen: neben dem für ausländische Reisende günstigen Wechselkurs der norwegischen Krone auch "gutes Marketing", sagt Margrethe Helgebostad.

Zwei Wanderer mit Hund am Briksdalsbreen Gletscher, Norwegen
Eine Wanderung zum Briksdalsbreen-Gletscher in Norwegen ist auch im August eine eher kühle AngelegenheitBild: Wiktor Dabkowski/picture alliance

Ein Trend lässt sich nicht belegen

Genau darum handele es sich bei "Coolcation", ist Peter Zellmann überzeugt, der Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT). "Das ist eine Erfindung des Marketings", sagt er. "Der Wunsch ist hier ganz klar der Vater des Gedankens." Ein Trend lasse sich jedenfalls nicht belegen, wenngleich der Norden und auch der Alpenraum durchaus eine Alternative sein könnten, sollte es im Mittelmeerraum irgendwann unerträglich heiß werden. "Davon sind wir aber noch weit entfernt." Das sieht auch Martin Lohmann so. "Es ist durchaus möglich, dass das Thema künftig an Bedeutung gewinnt", sagt er. Bei der Veränderung der Urlauberströme aufgrund des Klimawandels gehe es aber um eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte hinziehen wird.

 

Jonas Martiny -  Travel Online-Autor
Jonas Martiny Reporter, Korrespondent