Briten fordern mehr Tempo beim Klimaschutz
10. November 2021Merkwürdig ruhig ist es auf der Klimakonferenz in Glasgow, jedenfalls was Informationen über den Stand der mühsamen Verhandlungen angeht. Bis zum Freitag müssen die Vertreter der rund 190 UN-Staaten noch schwierige Fragen lösen. Traditionell veröffentlicht auf Klimakonferenzen die jeweilige Präsidentschaft des Gastgeber-Landes am Mittwoch der zweiten Woche ein Papier, das den bisherigen Verhandlungsstand zusammenfasst. So haben es jetzt die Briten getan.
"Alarmierend" und "Besorgnis erregend"
In dem Papier wimmelt es von Formulierungen wie "alarmierend" und "sehr Besorgnis erregend". Der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase müsse "schnell, stark und nachhaltig gedrosselt werden", und zwar um 45 Prozent bis 2030 und auf Null bis zur Mitte des Jahrhunderts. Es klingt nicht danach, als ob die Briten mit dem bisher Erreichten zufrieden sind.
Der deutsche Verhandler, Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth, begrüßte das Papier. Er fügt aber an, bis zum Ende der Konferenz müsste klarer formuliert werden, wer genau bis 2030 mehr Klimagase mindern müsse: die reichen Staaten nämlich.
"Es geht im Kern um die G20-Staaten. 80 Prozent der Emissionen kommen aus diesen Ländern. Wir sollten also nicht so tun, als ob die kleinen Inselstaaten die Aufholjagd beim Klimaschutz ins diesem Jahrzehnt gestalten können." Als bedeutend bezeichnete es Flasbarth, dass das Papier erstmals eine Forderung enthält, aus der Kohle auszusteigen.
Pariser Klima-Versprechen reichen nicht aus
Eine der wichtigsten Fragen der Klimakonferenz bleibt also: Schaffen es die Staaten, ihre Klima-Versprechen zu verstärken, die sie 2015 bei der Unterzeichnung des Pariser Klima-Vertrages abgegeben hatten?
Das wäre dringend nötig, denn die UN schätzt, dass diese Ziele zusammen den Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde nicht auf 1,5 Grad begrenzen, wie von Wissenschaftlern gefordert, sondern zu einer Steigerung von satten 2,7 Grad führen.
Oxfam: Beim Klimaschutz eine Schippe drauflegen
Auch für Klima-Aktivisten ist das ein entscheidender Punkt. So sagte Jan Kowalzig, Klima-Experte der Umweltgruppe Oxfam, der DW in Glasgow: "Wie geht die Klimakonferenz damit um, dass die bisherigen Selbstverpflichtungen der Länder nicht ausreichen, um das Pariser Abkommen zu erfüllen? Da muss die Abschlusserklärung festlegen, wozu sich die Länder konkret verpflichten, um beim Klimaschutz noch eine Schippe draufzulegen."
In dem Entwurf vom Mittwoch heißt es dazu, spätestens bis Ende 2022 müssten die Staaten ihre Ziele "überprüfen und stärken". Ein Zeitaufschub für Klimasünder also, wieder einmal.
Zu wenig Geld für die Klima-Anpassung im Süden
Streit gibt es auch bei den Geldern, die den ärmeren Staaten des Südens eigentlich schon lange versprochen wurden, um sich an den Klimawandel anzupassen. 100 Milliarden Dollar sollten dafür ab 2020 bereitstehen, vornehmlich aus den reichen Ländern. Schon 2009 wurde das feierlich auf der damaligen UN-Klimakonferenz in Kopenhagen verkündet.
Aber es sind bislang nur 80 Milliarden Dollar zusammengekommen. Der britische Text nennt das "bedauerlich" und verspricht, die Summe nun bis 2023 aufzubringen. Das Vertrauen der Länder des Südens, dass ihnen ausreichend geholfen wird, schwindet zusehends.
Einige von ihnen präsentierten in Glasgow ganz andere Summen: Die Gruppe der afrikanischen Staaten rechnete vor, Transfers über 1,3 Billionen Dollar pro Jahr seien nötig, um in den Entwicklungsländern Klimaschutz-Maßnahmen zu finanzieren und ihnen die Anpassung an die Erderwärmung zu ermöglichen. Das britische Papier fordert dazu, dass die Industriestaaten ihre Zahlungen für die Klimaanpassung "mindestens verdoppeln". Bis wann, ist offen.
Verluste und Schäden: Ein Dauerthema
Immer dringlicher fordern die ärmeren Länder einen Ausgleich auch für die Schäden und Verluste, die sie jetzt schon durch den Klimawandel erlitten haben. Seit vielen Jahren ist dieses Thema Gegenstand der Klima-Verhandlungen, ohne dass wirklich Schritte unternommen wurden. Jetzt fordert der Süden, das Thema erstmals konkret in der Abschlusserklärung zu erwähnen.
Jan Kowalzig von Oxfam sagte der DW: "Das würde uns richtig weiterbringen, denn dieses Thema versuchen die Industrieländer seit Jahren klein zu halten, weil sie diese Angst haben: Wenn sie ihre Verantwortung für Schäden und Verluste einmal richtig anerkennen, dass dann auch über Haftungsfragen geredet wird." Die Sorge: Auf die reichen Länder kämen riesige Geldforderungen zu, die möglicherweise sogar gerichtlich eingeklagt werden könnten.
24 Staaten wollen Autos ohne Verbrennungsmotoren
Der Ernst der Lage scheint den britischen Gastgebern sehr bewusst. Mit zahlreichen Initiativen etwa zum Schutz der Wälder und zum Kampf gegen das Treibhausgas Methan versuchten die Briten seit Beginn des Konferenz, den Druck auf die Staaten zu erhöhen, auch bei den eigentlichen Verhandlungen mehr Elan zu zeigen. Auch am Mittwoch gab es eine solche Initiative, diesmal zum Thema Verkehr.
24 Staaten, dazu einige Städte und sechs Autofirmen versprechen nun, bis 2040 komplett auf emissionsfreie Autos umzusteigen. Zu den Ländern gehören Großbritannien, Dänemark, Polen, Österreich, Israel und Kanada.
Deutschland unterschreibt nicht
Das Autoland Deutschland ist nicht dabei. Das Bundesumweltministerium verschickte dazu am Mittwoch eine Stellungnahme an die Journalisten in der schottischen Metropole. Darin heißt es: "Es besteht innerhalb der Bundesregierung zwar Konsens, dass bis 2035 nur noch Null-Emissions-Fahrzeuge zugelassen werden sollen. Allerdings besteht nach wie vor keine Einigkeit zu einem Randaspekt der Erklärung." Es geht um die Frage, ob auch Autos als emissionsfrei gelten, deren Kraftstoffe mit Hilfe von erneuerbaren Energien aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden.
In Deutschland macht sich dafür vor allem der noch amtierende CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer stark. Die Union - aus CDU und CSU - und die SPD, so lautet der Klartext, konnten sich bei dieser Frage nicht einigen. Der deutsche Autobauer Mercedes aber gehört zu den Unterstützern des Ausstiegs-Plans, wie die britische Regierung mitteilte.