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Corona-Impfstoff: "Demnächst beginnen die ersten Tests"

24. März 2020

Weltweit forschen Pharmaunternehmen an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Auch in Deutschland. Hier ruhen die Hoffnungen unter anderem auf dem Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac.

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Impfstoff-Forschung beim Biotech-Unternehmen CureVac
Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

Mehrheitsaktionär von CureVac ist die Beteiligungsgesellschaft dievini Hopp BioTech Holding des Milliardärs und SAP-Gründers Dietmar Hopp. Dieser hatte in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt, wenn alles glatt liefe, könne der Impfstoff im Herbst verfügbar sein. Wir haben nachgefragt bei Friedrich von Bohlen. Der Biochemiker ist Geschäftsführender Gesellschafter von dievini und sitzt im Aufsichtsrat der CureVac AG.

Deutsche Welle: Herr von Bohlen, es gibt einen weltweiten Wettlauf um einen Impfstoff gegen das Coronavirus. Sie sind mit ihrer Firma ganz vorne mit dabei. Wie kommen Sie voran?

Friedrich von Bohlen: Man muss vielleicht erst einmal verstehen, was da gerade alles passiert. Impfstoffe sind die einzige Möglichkeit, um Menschen vor einer Infektion zu schützen. Ferner kann man Medikamente entwickeln für Patienten, die bereits betroffen sind. Da finden derzeit auch viele Aktivitäten statt. Und man hat mittlerweile auch gelernt, dass eine aggressive Form dieses Covid-19 zu einer sehr schweren Lungenentzündung führen kann. Mit der Entwicklung noch anderer Medikamente wird versucht, diese überschießende Entzündung in den Griff zu bekommen und damit derart schwer befallenen Patienten zu helfen.

Impfung wäre natürlich das Allerbeste. Da gibt es einige verschiedene Ansätze. Wir sind mit dem Ansatz unterwegs, sogenannte mRNA (messenger RNA, auch Boten-RNA genannt, d. Red.) als Informationsquelle für die Impfung zu nutzen. Wir können demnächst in die klinischen Tests gehen. Ich denke, dass das eine sehr gute Substanzklasse ist, um guten Impfschutz zu erzielen.

Friedrich von Bohlen, Geschäftsführender Gesellschafter der CureVac-Mutter dievini
Friedrich von Bohlen, Geschäftsführender Gesellschafter der CureVac-Mutter dievini Bild: Dievini

Sie sagen demnächst. Können Sie ein wenig präziser werden? Viele Menschen fragen ja derzeit oft: Wie lange dauert es mit der Kontaktsperre? Wie lange dauert dieser Ausnahmezustand? Welchen Zeitplan verfolgen Sie?

Ich bin kein Hellseher und es hängt auch von vielen Faktoren ab, die sich außerhalb meines Wissens bewegen. Es wird vermutlich, was Medikamente angeht, noch ein paar Monate dauern. Was Impfstoffe angeht, genauer gesagt deren Verfügbarkeit, auch ein paar Monate. Was die Zulassung am Menschen angeht, da dürften wir bei Impfstoffen eher von einem Jahr sprechen.

Wie viel könnte beispielsweise ihr Unternehmen von diesem Impfstoff herstellen?

Für eine Impfung ist die große Unbekannte heute, dass niemand weiß, wie viel Immunschutz im Menschen notwendig ist, um eine Infektion wirklich zu verhindern. Das kann man auch nicht einfach vorhersagen oder unkontrolliert am Menschen testen. Deswegen sind die Schritte, die dahinführen, von den Regulatoren vorgegeben. Das muss auch so sein, weil man ja auch die freiwilligen Probanden, die sich zur Verfügung stellen, schützen muss. Es braucht einfach eine gewisse Zeit, bis man dieses Wissen erworben hat. Das kann man nur zum Teil beschleunigen.

Was die Verfügbarkeit von Impfstoff angeht hat mRNA einen großen Vorteil. Wir wissen zum Beispiel aus einem anderen Impfstoff-Ansatz bei CureVac gegen Tollwut, dass wir mit nur einem Mikrogramm einen Menschen vollumfänglich schützen können. Das heißt, dass ich mit einem Gramm mRNA eine Million Menschen impfen könnte.

Zum Vergleich: Bei herkömmlichen Medikamenten braucht man häufig 500 Milligramm Substanz; da kann ich mit einem Gramm gerade mal zwei Portionen herstellen. mRNA ist sehr potent, man kann mit wenig Material sehr gut schützen. Das heißt, das Material selbst kann sehr kurzfristig zur Verfügung stehen. In der zweiten Jahreshälfte denke ich, dass man genügend Material haben könnte. Aber ich weiß nicht, ob es dann schon zugelassen werden kann.

Letzte Frage, Herr von Bohlen. Die Biotechnologie in Deutschland führt ja eher ein Schattendasein. Mal abgesehen von ihrer Firma und vielleicht noch zwei, drei anderen, die in Deutschland in ähnlicher Richtung unterwegs sind. Glauben Sie, dass so eine Krise wie jetzt einen Push geben könnte, dass in Deutschland mehr passiert, auch in Sachen Forschung, Forschungsförderung und so weiter?

Die Förderung der Grundlagenforschung in Deutschland ist hervorragend. Aber bei der Umsetzung in unternehmerische Ansätze ist man hierzulande nicht mutig. Das hat viele Gründe, knappes Risikokapital ist nur einer davon. Es ist auch gesellschaftlich zu wenig anerkannt. Ich denke, dass da der Hebel angesetzt werden muss. Moderne Medizin unterscheidet sich in vielen Aspekten von klassischer Medizin. Und was gerade stattfindet ist, dass Medizin transformiert wird: dass molekularbiologische, also hochpräzise Erkenntnisse über eine Krankheit, in Diagnose und Therapie Einzug halten.

Das ist hoch innovativ, vergleichbar zum Beispiel mit Software-Unternehmen in anderen Bereichen. Da sind wir in Deutschland im Hintertreffen, wenn wir nicht dafür Sorge tragen, dass solche Unternehmen, die ja auch neue Technologien und ganz neue Arbeitsplätze für die Zukunft schaffen, vor Ort angesiedelt werden.

Ich denke, die Krise jetzt könnte eine Art wake up call sein, weil man sich bewusst geworden ist, dass viele dieser Unternehmen und Technologien im Ausland sind und man am Ende dadurch abhängig ist von Dritten. Und dass es vielleicht doch wünschenswert wäre, derartige Technologien, bei denen es zumal um die Gesundheit der Menschen geht - eines der höchsten Güter, die wir haben - solche Technologien mit den entsprechenden Expertisen und Mitarbeitern in Deutschland zu haben. Und zwar nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern vor allem auch im unternehmerischen Kontext.

Friedrich von Bohlen gründete gemeinsam mit Dietmar Hopp und Christof Hettich 2005 die dievini Hopp BioTech Holding GmbH & Co KG. Dort ist er Geschäftsführender Gesellschafter. Von Bohlen studierte Biochemie an der Universität Zürich und promovierte in Neurobiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule.  

Zum Nachhören: Interview mit Friedrich von Bohlen, Geschäftsführer dievini Hopp Biotech Holding

 

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58