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PolitikEuropa

Ab Januar soll in der EU geimpft werden

Barbara Wesel
1. Dezember 2020

Die EU startet die Überprüfung der Impfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna. Die bedingte Zulassung wird wohl Ende Dezember bis Mitte Januar angekündigt, Impfungen könnten in Europa nach Neujahr beginnen.

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Deutschland Probelauf Impfzentrum in Ulm
Probelauf im Impfzentrum in UlmBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Die Anträge des deutsch-amerikanischen Unternehmens Biontech-Pfizer und des US-Herstellers Moderna auf Zulassung der ersten zwei COVID-19-Impfstoffe in der Europäischen Union sind jetzt bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in Amsterdam eingegangen. Über den in Deutschland entwickelten Impfstoff soll voraussichtlich am  29. Dezember entschieden werden, über das US-Produkt am 14. Januar. Wenn alles läuft wie erhofft, könnten danach in der Europäischen Union ab Anfang Januar die ersten Impfungen mit dem Biontech-Präparat beginnen.

Logistische Probleme sind überwindbar

Der Europa-Abgeordnete Peter Liese (CDU) ist Arzt und gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, der sich in den vergangenen Monaten zum Impfstoffexperten entwickelte. "Für Deutschland und die EU ist die Biontech-Zulassung wichtiger als die von Moderna", sagt Liese. Einfach, weil davon viel mehr Dosen zur Verfügung stehen würden. Von dem in Deutschland entwickelten Impfstoff hat die EU-Kommission 300 Millionen Dosen angekauft, von dem US-Präparat dagegen nur 160 Millionen. Verteilt wird es unter den EU-Mitgliedsländern übrigens gerecht, nämlich proportional nach Bevölkerungsgröße. 

Moderna-Firmenzentrale in Cambridge
Moderna-Firmenzentrale in Cambridge: 160 Millionen geordertBild: Bill Sikes/AP Photo/picture alliance

Als Nachteil bei dem Biontech-Präparat erschien bisher die Notwendigkeit, es bei minus 70 Grad gekühlt zu halten. "Das kann man bewältigen, zumindest in den westeuropäischen Staaten", so Peter Lieses Einschätzung. Der Hersteller prüfe inzwischen, ob der Stoff nicht auch bei etwas weniger kalter Temperatur haltbar sei. Außerdem könne das Präparat in medizinischen Kühlanlagen in den Impfzentren gelagert und von dort unmittelbar an Hausärzte ausgeliefert werden, die ihre Patienten nach Plan einbestellen müssen, sodass das Präparat innerhalb des Tages verbraucht sei.

Notfallzulassungen sind schlechte Lösung

Als erstes Land in der EU hat am Dienstag Ungarn übrigens ein Konkurrenz-Präparat per Notfallverordnung zugelassen: den in Russland entwickelten Sputnik-V-Impfstoff. Eine zweifelhafte Aktion, findet Parlamentarier Liese, denn solche Zulassungen würden üblicherweise verwendet, um etwa Schwerstkranken ein noch nicht erprobtes Medikament zu verabreichen.

Bei "Sputnik V" wisse man dagegen nicht, welche Datensätze aus den Testreihen überhaupt vorliegen. Es ist auch wissenschaftlich aus dem Ausland nicht überprüfbar,  wie umfangreich überhaupt getestet wurde und ob die Ergebnisse mit westlichen Erfahrungen vergleichbar sind. "Ich würde mich damit nicht impfen lassen", meint der Europa-Abgeordnete.

Ähnliche Verfahren laufen übrigens jetzt in den USA und in Großbritannien für den Moderna-Impfstoff. Auch die britische Regierung, die sich sieben Millionen Dosen von dem neuen US-Präparat gesichert hat, erwägt jetzt - laut Medienberichten - eine Notfallzulassung. Allerdings solle das Präparat trotzdem erst im Frühjahr vorliegen, weil die Belieferung der USA angeblich Vorrang habe.

Gründlichkeit geht vor Geschwindigkeit

"Die zwei Zulassungsverfahren in den USA und in Europa laufen nicht notwendigerweise parallel", sagt Yannis Natsos von der European Public Health Alliance (EPHA), einer in Brüssel ansässigen Nichtregierungsorganisation. Er sitzt im Aufsichtsgremium der EU-Arzneimittelbehörde und kennt ihre Arbeitsweise. Die US-Behörde könne den Impfstoff per Notfallzulassung auf den Markt bringen und andere Bewertungskriterien anwenden, als in der EU üblich sind. So sei es möglich, dass in den USA Impfungen schon bald beginnen könnten, während die Europäer aller Voraussicht nach bis Januar warten müssen.

EU Parlament I Peter Liese
Europa-Abgeordneter Liese: "Das kann man bewältigen"Bild: European Union 2020

Yannis Natsos betont allerdings, wie auch Peter Liese, dass bei dem Prüfverfahren Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen müsse: "Die Pressemitteilung einer Pharmafirma ist nicht notwendigerweise Wissenschaft. Das kann Marketing sein. Wir sind an diesem kritischen Punkt, wo die Aufsichtsbehörde EMA alle Daten ansehen und ihre eigenen Schlüsse ziehen muss." Politiker, so fügt Natsis hinzu, müssten deshalb "etwas vorsichtiger, etwas nuancierter sein, wenn sie der Öffentlichkeit bestimmte Zeitrahmen ankündigen". Der Arzneimittelexperte warnt also vor voreiligen Versprechen. 

Auf einen interessanten Nebenaspekt bei der Notfallzulassung weist der Europa-Abgeordnete Liese hin: Dabei falle das Haftungsrisiko an den Staat, der die Zulassung ausspricht. Für die "bedingte Zulassung", über die jetzt die EMA entscheidet, bleibe das Risiko - wie üblich - bei den Pharmaunternehmen.

Wie läuft das Zulassungsverfahren ab?

"Es ist politischer Druck da, so schnell wie möglich zu arbeiten, auch nachts und an Wochenenden", sagt Liese. Aber die Überprüfungen müssten "nach besten Wissen und Gewissen" ablaufen, wie EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides im Europaparlament betonte. Weil es um eine "bedingte Zulassung" gehe, sei dabei denkbar, dass ein Impfstoff erst ab 18 Jahren zugelassen wird, weil für die Verträglichkeit bei Jugendlichen noch zu wenige Daten vorliegen. Oder es könnte eine Einschränkung für medizinisch vorbelastete ältere Menschen geben.  Weil aber nach diesem Verfahren noch ein Jahr lang von den Firmen Daten bei der EMA eingereicht werden, könnte am Ende - wenn alles gut geht - die bedingte in eine dauerhafte Zulassung umgewandelt werden.

Biontech-Labor in Mainz
Biontech-Labor in Mainz: Erste Impfungen ab Januar?Bild: Biontech/dpa/picture alliance

Die Entscheidungen werden von den internen Experten der EMA in Amsterdam sowie den Vertretern der nationalen Behörden getroffen. Für Deutschland spiele etwa das Paul-Ehrlich-Institut eine entscheidende Rolle, erläutert Peter Liese das Verfahren. Außerdem habe man im Frühjahr schon präventiv eine hochrangige Expertengruppe zusammengestellt, eine Handvoll anerkannter Forscher, die mit ihren Labors und Wissenschaftlern jetzt parallel die Untersuchungen der europäischen und nationalen Teams unterstützen. Insgesamt sind Hunderte von Experten damit beschäftigt.

Die Pharma-Unternehmen selbst hätten eingeräumt, sagt EPHA-Vertreter Natsis, dass die veröffentlichten Daten einen vorläufigen Charakter haben. Eine unabhängige Prüfung sei also unbedingt notwendig: "Die Unternehmen machen die Tests und können behaupten, was sie wollen. Wir müssen diese Behauptungen überprüfen und gewährleisten, dass für die Bürger in Europa und weltweit effektive und sichere Impfstoffe zur Verfügung stehen."

Das ist auch deshalb besonders wichtig, weil Impfgegner in verschiedenen europäischen Ländern, beispielsweise in Frankreich versuchen, die Bürger vom Gegenteil zu überzeugen: nämlich von angeblichen Gefahren der Impfungen.