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Corona-Schnelltests dringend gesucht

27. März 2020

Werden in Deutschland genügend Menschen auf den COVID-19-Erreger getestet? Neue Verfahren sollen mehr Tests ermöglichen. Doch ein verlässlicher Selbsttest lässt auf sich warten.

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Deutschland Erste Todesfälle nach Infektionen mit Coronavirus | Symbolbild Test
Bild: Imago-Images/photothek/T. Trutschel

Husten allein reicht nicht. Wer in Deutschland auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet werden möchte, muss in der Regel nicht nur Symptome aufweisen, sondern auch Kontakt zu Infizierten gehabt haben. So lauten die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts, der für Infektionskrankheiten zuständigen Bundesbehörde.

Doch hatte WHO-Chef Tedros Ghebreyesus nicht in drei Worten zusammengefasst, was jetzt zu tun ist, nämlich "testen, testen, testen"? Und wäre es nicht besser, möglichst viele, gar alle zu testen, um dann entscheiden zu können, wer in Quarantäne muss - anstatt ein ganzes Land lahmzulegen? Warum also die Einschränkungen?

"Das liegt daran, dass es zu viele Patienten gibt, die wirklich einen Grund haben, getestet zu werden", sagt Christian Drosten, Chef der Virologie am Berliner Krankenhaus Charité und Berater der Bundesregierung in Corona-Fragen, in einem Podcast des NDR. "Damit ist die Kapazität, die wir haben, schon komplett ausgelastet."

Testen am Limit

Angaben dazu, wie viel in Deutschland überhaupt getestet wird, sind Schätzungen und zum Teil widersprüchlich. Ein Umfrage des Robert-Koch-Instituts unter 174 Laboren kommt auf eine Gesamtzahl von 483.295 Tests bis zum 22. März, die meisten davon in den vergangenen zwei Wochen.

"Insgesamt gehen wir derzeit von einer Kapazität von mindestens 300.000 Tests pro Woche aus, die weiterhin kontinuierlich erhöht wird", teilt das Bundesgesundheitsministerium der DW mit.

Virologe Drosten spricht sogar von Schätzungen, nach denen etwa eine halbe Million Test pro Woche gemacht werden.

Allein 266.000 Tests entfielen in der vergangenen Woche (16.- 22. März) auf den ambulanten Bereich, wurden also von Haus- und Fachärzten bei Laboren in Auftrag gegeben, so Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zur DW. Rund 80 Fachlabore melden ihre Testzahlen wöchentlich an die KBV. Die nennt als Kapazitätsgrenze 360.000 Tests pro Woche.

Gesetzliche Krankenkassen zahlen ca. 60 Euro pro Test, sofern die Kriterien des Robert-Koch-Instituts erfüllt waren, sagt Stahl. Für Privatversicherte und Patienten, die sich auf eigene Rechnung testen lassen, rufen Labore nach Medienberichten aber bis zu 250 Euro pro Test auf.

Es gehört zu den Besonderheiten des deutschen Gesundheitssystems, dass die KBV nur die von niedergelassenen Ärzten veranlassten Tests erfasst. Von den Tests, die in Krankenhäusern und Gesundheitsämtern gemacht werden, hat die KBV keine Kenntnis.

Wie schnell ist schnell genug?

Damit testet Deutschland relativ viel und braucht sich auch nicht mehr vor Südkorea zu verstecken. Dem ostasiatischen Land ist es gelungen, durch massive Ausweitung der Tests die Infektionsrate in den Griff zu bekommen - und das, ohne ein landesweite Ausgangssperren zu verhängen.

Polymerase-Kettenreaktionsgerät am Fraunhofer Institut in Schmallenberg
Das Coronavirus wird in Deutschland bisher ausschließlich durch Polymerase-Kettenreaktion (PCR) nachgewiesenBild: DW/F. Schmidt

Bisher sind Corona-Tests in Deutschland meist PCR-Tests, die das Virus selbst nachweisen und als besonders genau gelten. Die reine Testdauer im Labor beträgt bis zu fünf Stunden. Trotzdem müssen Patienten meist ein paar Tage warten, weil die Proben erst vom Arzt zum Labor geschickt werden müssen. Hinzu kommt, dass die Tests nicht vollautomatisiert und nicht rund um die Uhr analysiert werden können, weil man dafür Labor-Fachkräfte braucht.

Trotzdem wäre es natürlich wünschenswert, mehr und schneller testen zu können. Hier nun schlägt die Stunde der Forscher - und auch die privater Anbieter. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass eine Firma einen neuen, einfacheren oder schnelleren Test vorstellt.

Mein Test, meine Maschine

Am Donnerstag kündigte Bosch Healthcare Solutions, die Medizintechnik-Sparte des Autozulieferers Bosch, einen Schnelltest an, der in 2,5 Stunden Ergebnisse liefert. Es ist ein vollautomatischer PCR-Test, für den kein Labor-Fachpersonal benötigt wird. Einfach den Abstrichtupfer in eine Kartusche geben, den Rest erledigt eine Maschine.

Der Haken: Das Analysegerät muss von Bosch sein, und zwar aus der sogenannten Vivalytic-Reihe. Die ist brandneu und hat gerade erst im Februar ihre Zulassung erhalten, so Firmensprecher Thomas Berroth zur DW. In Deutschland seien bisher erst "wenige Dutzend" Geräte im Einsatz.

Aus Unternehmenssicht ist der neue Schnelltest, der Anfang April in den Handel kommt, also ein echtes Verkaufsargument für die Analysegeräte. Preise wollte das Unternehmen der DW nicht nennen, Zielgruppe seien Krankenhäuser und Labore, nicht niedergelassene Ärzte.

Auch andere Firmen setzen auf PCR-Schnelltests mit Kartuschen und speziellen, meist hauseigenen Analysegeräten. Dazu gehören die US-Firma Cepheid, deren Schnelltest nach eigenen Angaben 45 Minuten dauert, und die niederländische Pharma-Holding Qiagen, die für ihren Test eine Stunde angibt.

Schnell und viel

Neben den PCR-Tests gibt es auch Schnelltests, die Antigene des neuen Coronavirus nachweisen, also Protein-Bausteine. Die Labortests sind einfach und sehr schnell, innerhalb von 15 Minuten liegt ein Ergebnis vor. Die Sensitivität, also die Genauigkeit, mit der ein Infektion festgestellt wird, ist relativ hoch, aber doch geringer als beim klassischen PCR-Test, sagten Experten.

In Korea wird diese Methode oft eingesetzt, weil sie sehr skalierbar ist, also viele Tests in kurzer Zeit ermöglicht. Auch in Deutschland könnten Antigen-Schnelltests den aufwendigeren PCR-Test zum Teil ablösen, wenn größere Mengen verfügbar sind, glaubt Virologe Drosten.

Doch egal, ob ein Test nun fünf Stunden oder nur eine dauert, das Grundproblem bleibt gleich. Wenn dort, wo der Abstrich aus Mund- und Nasenhöhle gemacht wird, kein Analysegerät vorhanden ist, müssen die Proben verschickt werden, und das braucht eben Zeit.

PCR, Antigen, Antikörper

Schneller und einfacher geht es mit Antikörper-Schnelltests, doch die sind eine völlig andere Kategorie von Tests. Anders als PCR-Tests weisen sie nicht das Virus selbst nach, sondern die Reaktion des infizierten Körpers. Der bildet nach ungefähr zehn Tagen Antikörper gegen das Virus.

Der Nachteil: In der Frühphase der Infektion sind diese Tests nutzlos. Der Vorteil: Sie liefern Antwort auf die Frage, wie viele Menschen sich infiziert haben, "ohne es zu merken oder ohne es ernst genommen zu haben, weil nur ein bisschen der Hals gekratzt hat", so der Virologe Drosten. "Diese Menschen sind jedoch Antikörper-positiv und, wie wir annehmen dürfen, immun."

Sie brauchen damit nicht unnötig in Quarantäne geschickt zu werden. Und sie tragen zur sogenannten Herdenimmunität bei. Das sind jene "60-70 Prozent der Bevölkerung, die sich mit dem Virus infiziert haben müssen, bevor die Pandemiewelle zum Stillstand kommt", so Drosten.

Das nächste große Ding

Verlässliche Informationen hierüber seien wichtig, um den Verlauf der Epidemie besser einzuschätzen. "Das wird die nächste große Informationssäule", so der Virologe - neben den täglich vermeldeten Fall- und Todeszahlen. "Allerdings sind diese Antikörper-Tests gerade erst entwickelt worden", so der Virologe, "und es gibt nur wenige Firmen, die sie in großer Menge liefern können".

Auch die Genauigkeit ist ein Problem. Tests müssen Antikörper gegen SARS-CoV-2 erkennen, dürfen aber nicht bei harmlosen anderen Coronaviren anschlagen.

Bis solche Test sicher und zugelassen sind, wird noch etwas Zeit vergehen. "Aktuell sind diese Tests noch in der Entwicklung bzw. Zulassungsphase, sie stehen noch nicht zur Verfügung", so das Robert-Koch-Institut.

Virologe Drosten rechnet damit, dass Antikörper-Schnelltests in zwei bis drei Monaten flächendeckend eingesetzt werden können. Doch selbst dann gilt: Sie zeigen nicht an, wenn man sich gerade erst infiziert hat.

Geschäftsmodell Corona-Tests

Sicher ist jedenfalls, dass mit Coronatests Geld zu verdienen ist. Wer einen Selbsttest anbietet, der ähnlich einfach funktioniert wie ein Schwangerschaftstest, könnte derzeit ein Vermögen machen.

Scwangerschaftstest positiv künstliche Befruchtung
Wenn der Coronatest nur so einfach wäre wie ein Schwangerschaftstest...Bild: picture alliance/dpa Themendienst

Im Internet gibt es bereits solche Angebote, meist von chinesischen Herstellern. "Das ist mit Vorsicht zu genießen, weil wir noch keine guten Validierungsstudien haben", sagt Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast.

Die Firma Celltrion aus Südkorea kündigte in dieser Woche einen Antikörper-Selbsttest an, der innerhalb von 20 Minuten ein Ergebnis anzeigt, allerdings frühestens im Sommer auf den Markt kommen soll.

Doch auch mit regulären Tests lässt sich gutes Geld verdienen. Die koreanische Pharmafirma SolGent hat erst im Februar die Zulassungen für eine Coronatest erhalten, der in zwei Stunden Ergebnisse liefert. Inzwischen verkauft sie ihn weltweit.

Anfang der Woche meldete SolGen den Verkauf von 30.000 Testkits an die Münchner Synlab-Gruppe. Ein weiterer Großauftrag für die Koreaner kommt aus den USA. Laut der Zeitung "Korea Times" haben US-Bundesstaaten ein Million Tests bestellt.

 

 

Der Beitrag wurde am 27.3. um 15 Uhr geändert. Hinzugefügt wurden Angaben des Bundesgesundheitsministeriums zu Testzahlen.

Andreas Becker
Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.