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Corona: Deutschlands Impf-Strategie

Kay-Alexander Scholz
26. November 2020

Ein Land und seine Bewohner zu impfen, ist eine riesige Herausforderung. Zwar ist in Deutschland noch kein Impfstoff zugelassen. Aber an Logistik und Verteilungskriterien wird mit Hochdruck gearbeitet.

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Symbolbild Covid-19-Impfstoff Frankreich
Bild: Joel Saget/AFP/Getty Images

Impfzentren in Deutschland

Die "Nationalen Impfstrategie" für COVID-19 wurde von der Bundesregierung und den Bundesländern Anfang November verabredet. So schnell wie möglich soll eine Infrastruktur aufgebaut werden, mit der Massen-Impfungen möglich sind. Obwohl, so heißt es in dem 15-seitigen Papier, noch unklar sei, welchen Impfstoff es wann, zu welchen Mengen geben wird.

Dass es aber einen Impfstoff gibt und die Logistik noch nicht steht - das soll auf keinen Fall geschehen. Die Aufgaben sind deshalb schon verteilt: Der Bund bekommt den Impfstoff von der EU zugeteilt. Aktuell hat die EU Verträge mit sechs Pharma-Firmen geschlossen. Der Bund will den Impfstoff oder die Impfstoffe zunächst 60 sogenannten Verteil-Zentren im Land zur Verfügung stellen. Dafür sind laut Medienberichten drei Milliarden Euro eingeplant.

Danach übernehmen die Bundesländer, die schon begonnen haben, eigene Impfzentren aufzubauen. Die Kosten dafür teilen sich Bund und Länder. Eine Impfung in ganz normalen Hausarztpraxen wird es zunächst nicht geben. Das hat zwei Gründe: Zunächst wird nicht ausreichend Impfstoff für alle vorhanden sein, und dann ist die Logistik sehr aufwändig.

Wer darf zuerst?

Typisch föderal wird es dann für jedes Bundesland eine angepasste Infrastruktur geben. Sechs Impfzentren soll es zum Beispiel in Berlin geben, darunter in den Hallen der beiden stillgelegten Flughäfen Tempelhof und Tegel. Berlin hat für den Impfstoff der Pharma-Unternehmen Biontech/Pfizer ein Szenario erstellt und rechnet im ersten Schwung mit 900.000 Impfdosen. Da wahrscheinlich jeder Impfling zwei Mal geimpft werden muss, reicht der erste Impfstoff für 450.000 Menschen - bei 3,7 Millionen Berlinern.

"Wir bereiten uns auf Dezember als frühestmöglichen Termin vor", sagte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci. Doch noch ist nicht endgültig entschieden, wer zuerst dran ist. Zwar hat das Bundesgesundheitsministerium von einer eigens eingesetzten Expertenkommission Richtlinien an die Hand bekommen. Danach sollen zunächst ältere und besonders gefährdete Menschen, Beschäftigte im Gesundheitswesen und Menschen in Berufen, die das öffentliche Leben aufrecht erhalten, geimpft werden.

Deutschland Probelauf Impfzentrum in Ulm
Jüngere werden wohl noch eine Weile auf eine Impfung warten müssenBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Doch bislang sind das nur ungefähre Richtlinien. Der Grund dafür ist, dass Daten von den Pharma-Firmen fehlen. "Wir haben noch keinen detaillierten Einblick in die Tests", sagte der Präsident der Nationalen Gesundheitsbehörde, Lothar Wieler vom Robert-Koch-Institut zuletzt. Eine genauere Impf-Matrix kann es den Experten zufolge erst geben, wenn der Impfstoff vorliegt und bekannt ist, wie dieser in welcher Altersgruppe - zum Beispiel bei Menschen über 80 - wirkt und wie verträglich das Vakzin ist.

Impfen wie am Fließband

Nichtsdestotrotz laufen die Vorbereitungen - auch im Berlin umgebenden Bundesland Brandenburg mit seinen 2,5 Millionen Einwohnern. Dort sollen bis Mitte Dezember die ersten beiden Impfzentren fertig sein; 2021 sollen dann zehn Zentren ihre Arbeit aufnehmen.

Auf dem Land wartet eine besondere Herausforderung. Wie sollen wenig mobile Menschen in den vielen kleinen Dörfern zu den Impfzentren kommen? Bislang ist zwar von mobilen Impfteams die Rede. Doch die sollen erst einmal die Pflegeheime versorgen.

Die Landesregierung von Brandenburg hat die Maxime herausgegeben, so schnell wie möglich hohe Impfraten zu erreichen. Auch an das Impfzubehör muss gedacht werden. Drei Millionen Ein-Milliliter-Spritzen, 3,5 Millionen Alkoholtupfer sowie Kühlcontainer sollen beschafft werden. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer braucht ganz spezielle Lagerbedingungen. Das Vakzin muss bei um die 70 Grad Minus gekühlt werden. Einmal aufgetaut ist es nur begrenzt bei herkömmlicher Kühlschrank-Temperatur haltbar.

Reicht das Personal zum Impfen?

Das eigentliche Impfen bedarf ebenfalls einer ausgeklügelten Logistik. Beispiel Berlin: Dort soll die erste Impfphase 40 Tage dauern - 3400 Impfungen pro Tag und Zentrum. Eine Herausforderung wird sein, dass sich die vielen Menschen in der Warteschlange nicht zu sehr ballen.

Deutschland Probelauf Impfzentrum in Ulm
Ohne Hilfe wird die Massen-Impfung nicht zu meistern seinBild: Stefan Puchner/dpa/picture alliance

Zudem müssen nicht nur genügend Ärzte vor Ort sein, sondern auch Leute am Eingang, Fahrer, Helfer und Co. "Wir werden darauf angewiesen sein, andere Hilfsorganisationen, die Bundeswehr, Krankenhäuser, um Hilfe zu bitten, damit auch genügend Personal da ist," sagte Burkhard Ruppert von der Kassenärztlichen Vereinigung der DW.

Viel mehr als nur eine Spritze

Experten mahnen, dass selbst wenn alles gut vorbereitet ist, Flexibilität nötig sein wird. Es werde wohl mehrere Impfstoffe auch parallel geben, die in den Altersgruppen verschieden wirken, mit unterschiedlichen Nebenwirkungen und immer wieder neuen empirischen Daten, sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, jüngst bei einer Diskussion mit internationalen Experten.

Es muss vieles berücksichtigt werden. Die Frage der Kompensation möglicher Nebenwirkungen etwa solle schon bald besprochen und nicht erst den Gerichten überlassen werden, meinte Christiane Woopen, Vorsitzende der European Group on Ethics in Science and New Technologies. Außerdem müsse der Impfprozess gesetzlich abgesichert werden. Schließlich sei am Anfang nicht genug Impfstoff für alle da. Eine Priorisierung bedeute letztlich festzulegen, "wer darf leben und wer nicht?".

Wie lange die erste Phase dauern wird, in der priorisiert werden muss, hängt auch davon ab, wie schnell die Pharma-Firmen die Mittel produzieren können und ob es auch solche gibt, die in herkömmlichen Kühlschränken gelagert werden können. Sobald das der Fall ist und der Bedarf sich der Nachfrage angleicht, dürfen in "Phase 2" der "Nationalen Impfstrategie" dann auch Hausärzte impfen. Für alle Fälle baut Deutschland gerade gut vor - laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sind bereits 300 Millionen Impfdosen gesichert.