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Coronavirus: Brandbrief deutscher Ökonomen

11. März 2020

Abkehr von der schwarzen Null, Steuersenkungen, Staatsbeteiligung an Unternehmen: Führende Ökonomen fordern die Bundesregierung zu Hilfen im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie auf.

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Motorenproduktion bei der Deutz AG
Bild: Deutz AG

"Es sind bereits jetzt weitergehende Schritte erforderlich", heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten 18-seitigen Papier von sieben renommierten Wirtschaftswissenschaftlern. "Wenn erforderlich, muss zur Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise von der Schwarzen Null im Staatshaushalt abgewichen werden, und es sind die Spielräume zu nutzen, die die Schuldenbremse bietet."

Die Ökonomen Peter Bofinger, Sebastian Dullien, Gabriel Felbermayr, Clemens Fuest, Michael Hüther, Jens Südekum und Beatrice Weder di Mauro sind wegen der Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die Wirtschaft besorgt und drängen die Bundesregierung zum Handeln.

Es müsse, so die Wissenschaftler, jetzt alles getan werden, um Liquiditätsengpässe bei Unternehmen zu vermeiden, die entweder Umsatzeinbrüche erleiden oder durch fehlende Teile Produktionsunterbrechungen hinnehmen müssen. 

Bringt Virus das Ende des Soli?

Zielführende Instrumente hierfür seien die generelle zinsfreie Stundung von Voraus- und Nachzahlungen bei Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer. Die Ökonomen sind zudem für verbesserte Abschreibungsbedingungen, die großzügige Gewährung des Investitionsabzugs und eine großzügigere Gestaltung des steuerlichen Verlustrücktrags.

Auch das Vorziehen der Teilabschaffung des Solidaritätszuschlags auf den 1. Juli wäre allein aus psychologischen Gründen zu begrüßen, schreiben die Autoren. Das erhöhe unmittelbar die verfügbaren Einkommen weiter Teile der Bevölkerung. Dies könne zu relativ geringen Kosten das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik und in eine rasche wirtschaftliche Belebung nach dem Abflauen der Krise stärken.

Liquiditätshilfen - etwa durch Kredite der staatlichen Förderbank KfW - halten die Ökonomen für sinnvoll, aber möglicherweise nicht ausreichend. "Wenn es nicht gelingen sollte, die Ausbreitung der wirtschaftlichen Schockwellen einzudämmen, so dass es in größerem Stil zu Unternehmensinsolvenzen käme, wäre als letzte Möglichkeit dran zu denken, dass sich der Staat mit Eigenkapital an Unternehmen beteiligt." Dies wäre analog zur Rettung von Banken in der Krise 2008/09.

Die Bundeskanzlerin ihrerseits sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn sowie dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Prof. Lothar Wieler, es werde alles getan, was notwendig sei, um Schaden von der deutschen Wirtschaft abzuwenden. 

Bank of England hat (Zins)-Bremse gezogen

Die Notenbank des Vereinigten Königreichs hat als Antwort auf die Gefahr für die britische Wirtschaft bereits reagiert: Sie hat die Zinsen überraschend deutlich gesenkt, und zwar von vorher 0,75 Prozent um 0,50 Punkte auf 0,25 Prozent.

Die Notenbank erklärte zugleich ihre Bereitschaft, bei Bedarf noch nachzulegen. Auch wolle man sich mit dem Finanzministerium und anderen Zentralbanken absprechen. Das britische Pfund geriet nach der Ankündigung unter Druck: Der Kurs fiel auf 1,2847 Dollar, nachdem zuvor bei 1,2936 gelegen hatte.

Johnson kündigt weitere Maßnahmen an

Die Zinssenkung erfolgt kurz vor der Präsentation des ersten Haushaltes seit Austritt aus der Europäischen Union. Regierungschef Boris Johnson hat massive Investitionen, neue Krankenhäuser, besseres Internet sowie große Infrastrukturprojekte versprochen. Der neue Haushalt umfasst auch zusätzliche Finanzmittel zur Stützung des Gesundheitssystems und der Wirtschaft angesichts der Auswirkungen der sich ausbreitenden Coronavirus-Epidemie.

Die Bank of England kündigte ein Maßnahmenpaket an. So soll kleinen Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ein günstiges Finanzierungsinstrument bereitgestellt werden. "Diese Maßnahmen werden dazu beitragen, Unternehmen und Menschen in Arbeit zu halten und zu verhindern, dass eine vorübergehende Unterbrechung länger andauernden wirtschaftlichen Schaden verursacht", hieß es zur Begründung.

Niedrige Zinsen als Gebot der Stunde?

In der vergangenen Woche hatte bereits die US-Zentralbank den Zins wegen der Corona-Krise gesenkt. US-Präsident Donald Trump kündigte indes an, dass die Regierung mit dem Kongress unter anderem über Erleichterungen bei der Lohnsteuer sowie über Kredite für Kleinunternehmen reden werde. Zudem stellte er Unterstützung für besonders betroffene Unternehmen in Aussicht, beispielsweise für Kreuzfahrtanbieter und Fluggesellschaften.

Die Zinssenkung der Bank of England setzt nun die Europäische Zentralbank unter Zugzwang. Am Donnerstag tagt der EZB-Rat und wird dabei über Maßnahmen in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Ausnahmesituation beraten. Der Leitzins in der Eurozone liegt schon seit März 2016 bei 0,0 Prozent. Die EZB könnte aber den Einlagezins für Banken weiter senken oder den Umfang ihres Anleihekaufprogramms erhöhen.

dk/hb (dpa, rtr, afp)