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Wie funktionieren Hochsicherheitslabore?

21. April 2020

Aufwendige Schutzvorrichtungen machen es möglich, dass tödliche Krankheitserreger sicher untersucht werden können und nicht nach außen gelangen. Doch wo Menschen arbeiten, können auch Fehler passieren.

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Eine Laborantin in einem Schutzanzug präsentiert den Laborneubau eines S4-Hochsicherheitslabors am Robert Koch-Institut in Berlin am 03.02.2015
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

AIDS, MERS, SARS, Vogel- und Schweinegrippe, Hendra-, Lujo-, Marburg-, Lassa-, Nipah- oder Krim-Kongo-Fieber-Viren, Ebola -  in den vergangenen Jahrzehnten ist fast jedes Jahr ein neuer Erreger entdeckt worden, der schwerwiegende Erkrankungen beim Menschen hervorrufen kann.

Bislang unbekannte Viren und immer neue, vom Tier auf den Menschen übertragbare Infektionskrankheiten (Zoonosen) könnten nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer weltweiten Bedrohung für die Gesundheit werden. 

Um die jeweiligen Erreger möglichst schnell und sicher identifizieren und Verfahren für Diagnostik, Therapie und Impfstoffherstellung entwickeln zu können, braucht es spezielle Laboratorien. Auch beim Verdacht auf einen bioterroristischen Anschlag ist eine schnelle und sichere Diagnostik unter Hochsicherheitsbedingungen zwingend notwendig. 

Vier Sicherheitsstufen für vier Risikogruppen

Die jeweiligen Krankheitserreger werden in vier Risikogruppen eingeteilt. Jeder Risikogruppe ist eine biologische Schutz- oder Sicherheitsstufe zugeordnet. Die Schutzstufe bestimmt jeweils die Anforderungen an die Räumlichkeiten, die Ausrüstung und Arbeitsabläufe, die es beim Umgang mit diesen Erregern zu befolgen sind.

Zur höchsten Risikogruppe 4 gehören biologische Substanzen, die schwere Krankheiten beim Menschen hervorrufen können und bei denen eine wirksame Vorbeugung (z.B. Impfung) oder Behandlung nicht möglich ist. Zu dieser Gruppe gehören nur etwa zwei Dutzend Erreger, darunter etwa das Lojo-, Hendra- oder Nipahvirus.

Die Coronaviren SARS-COV-1, MERS-CoV und auch das neue SARS-COV-2 werden indes gegenwärtig lediglich in die Risikostufe 3  eingestuft. Das bedeutet, diese Viren werden üblicherweise auch nur in S3 Sicherheitslaboren erforscht. Dort gelten auch hohe Sicherheitsanforderungen, aber nicht so hohe wie in S4. 

Filteranlage des S4-Hochsicherheitslabors am Robert Koch-Institut in Berlin
Die gesamte Abluft wird durch ein aufwendiges Filterverfahren dekontaminiertBild: Hans-Günter Bredow/RKI

Weltweite Forschung in wenigen Laboratorien

Wegen der aufwendigen Schutzmaßnahmen gibt es weltweit nur rund fünfzig  Hochsicherheitslaboratoriender Schutzstufe 4. Rund ein Dutzend gibt es in den USA, gefolgt von Großbritannien mit knapp zehn und Deutschland mit vier solchen Hochsicherheitslaboren. In der Volksrepublik China gibt es zwei Hochsicherheitslaboratorien der Schutzstufe 4, darunter auch jenes Wuhan Institute of Virology der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, das auch als mögliche Quelle des neuartigen Coronavirus SARS CoV-2 für Schlagzeilen  sorgte.

Mehr dazu: Im Hochsicherheitslabor der Virenforscher

Wie sicher ist ein S4-Hochsicherheitslabor?

S4-Labore sollen die sichere Erforschung von lebensgefährlichen Krankheitserregern  ermöglichen, ohne die Bevölkerung und das Laborpersonal zu gefährden. 

Deshalb sind Hoch­sicherheits­labore räumlich und organisatorisch von umgebenden Gebäuden getrennt. Oftmals werden S4-Labore so auf einem Institutsgelände platziert, dass Unbefugte nicht einmal in die Nähe des Hochsicherheitslabors gelangen können. Zudem gibt es strikte Zugangskontrollen, Videoüberwachung und andere Sicherheitsmaßnahmen. 

S4-Labor des Robert Koch-Instituts in Berlin
Hinter der Glascheibe ist ein völlig luftdichter Raum mit eigener Luft-, Strom- und WasserversorgungBild: Hans-Günter Bredow/RKI

S4-Laboratorien verfügen über eine separate Luft-, Wasser- und Stromversorgung sowie über Notstromaggregate und Reserveakkus für einen störungsfreien Betrieb. Die Zu- und Abluft des Sicherheitslabors werden über ein mehrstufiges Filtersystem (HEPA-Filter) keimfrei gemacht, alle Ver- und Entsorgungsleitungen sind abgedichtet und gegen Rückfluss gesichert. 

Alle Wände, Decken und Böden des S4-Labors sind mit einem wasserundurchlässigen, leicht zu reinigenden Material ausgekleidet und die Oberflächen müssen säure-, laugen- und lösungsmittelbeständig sowie beständig gegen Desinfektionsmittel sein.

In den S4-Laboren herrscht Unterdruck, damit bei einem Leck keine Krankheitserreger in die Umgebung entweichen können. Das Betreten und Verlassen des Hochsicherheitslabors erfolgt über mehrere Schleusen. Die Türen der einzelnen Schleusenräume sind gegenseitig verriegelt, so dass die Luft beim Öffnen und Schließen der Schleusentüren immer in Richtung Labor strömt. 

Selbst wenn ein Flugzeug auf solch ein Labor stürzen oder eine Bombe explodieren würde, bestehe laut Robert-Koch-Institut keine Gefahr, da die sehr hitzeempfindlichen Viren bei einem solchen Ereignis durch die entstehende Hitze vollständig inaktiviert würden. Außerdem kämen die Erreger alle in bestimmten Regionen der Welt in der Natur vor, Terroristen könnten sie sich dort leichter beschaffen. 

Infografik: Arbeiten im S4-Hochsicherheitslabor

Ob durch Labormitarbeiter, die sich durch Unachtsamkeit infizieren oder durch Sicherheitstechnik, die versagt - es gibt trotz aller Vorkehrungen einige Beispiele für Unfälle in Hochsicherheitslaboren


So infizierte sich 2006 eine Mitarbeiterin eines US-amerikanischen Labors mit Brucellen. Diese Bakterien können durch Kühe, Schweine oder Schafe auf den Menschen übertragen werden, sich im gesamten Körper ansiedeln, vermehren und schwere Infektionen auslösen. Diagnostiziert wurde die infizierte Mitarbeiterin allerdings erst zwei Monate später – viel Zeit für Pathogene, um sich außerhalb eines Labors zu verbreiten.

Wer arbeitet wie in den Laboratorien?

Der Zugang zum Labor ist auf eine kleine Anzahl ausgewählter, besonders qualifizierter Mitarbeiter beschränkt und wird streng überwacht. Sie tragen aufblasbare Ganzkörperschutzanzüge mit angeschweißten Stiefeln und einer eigenen Sauerstoffversorgung. Zum Schutz der Hände müssen zwei bis drei Paar Handschuhe übereinander getragen werden, wobei das äußere Paar dichtschließend an den Ärmelstulpen des Schutzanzuges befestigt wird.

Da die Arbeit in dem rund zehn Kilogramm schweren Schutzanzug körperlich und auch psychisch sehr belastend ist, beträgt die tägliche Arbeitszeit rund drei Stunden.

Nach entsprechender Genehmigung werden in den Laboratorien nur solche Erreger aufbewahrt, die tatsächlich für die Forschungsarbeiten benötigt werden, und zwar nur in sehr geringen Mengen. 

Ebola-Forschung im Hochsicherheitslabor

Die kontaminierten Blut-, Gewebe- oder Auswurf-Proben werden in so genannten Sicherheitswerkbänken unter Glasabschluss bearbeitet, wobei die Laboranten ihre Hände in die festmontierten Handschuhe der Sicherheitswerkbank eintauchen und durchgreifen müssen.

Vier-Augen-Prinzip

Nach Ende der Arbeit werden die Arbeitsstoffe unter Verschluss aufbewahrt.

Alle genutzten Gegenstände werden in einer Autoklav-Reinigungsanlage bei hoher Hitze und Druck dekontaminiert. Laborabfälle oder Abwässer werden "inaktiviert", das heißt möglicherweise anhaftende oder enthaltene Viren werden abgetötet.

Vor dem Verlassen des Labors müssen die Mitarbeiter zunächst in ihren Schutzanzügen mit stark verdünnter Peroxyessigsäure oder ähnlichen Mitteln duschen und diese so desinfizieren. Danach entkleiden sich die Mitarbeiter und duschen erneut. 

Da es für eine Kontamination mit Viren keine Messgeräte gibt, arbeiten meist zwei Mitarbeiter zusammen, die ihre Anzüge gegenseitig auf eine Beschädigung untersuchen und sich beim An- und Auskleiden helfen. Dieser Ausschleusungsprozess dauert fünfzehn bis dreißig Minuten. 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund